ISPO Munich/31.01.2018

Die „strenge Mutter“ von Columbia Sportswear: „Wir haben die Macht zu entscheiden, was wir mit unserem Geld anfangen“

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Gertrude Boyle erlangte als charismatische Präsidentin von Columbia Sportswear Berühmtheit, aber auch als Werbeikone und engagierte Unterstützerin von sozialen Projekten. Auf der ISPO Munich 2018 wird sie mit dem ISPO Cup für Ihr Lebenswerk ausgezeichnet. In unserem Interview spricht sie über die Entscheidungen, die sie in ihrem Leben getroffen hat, und die Outdoor-Branche.

Gertrude Boyle wird auf der ISPO Munich 2018 mit dem ISPO Pokal für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
Gertrude Boyle wird auf der ISPO Munich 2018 mit dem ISPO Pokal für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

„Tested tough“ – unter den härtesten Bedingungen getestet – das ist das Gütesiegel einer wahren Legende des Sportbusiness. Die in Deutschland geborene Geschäftsfrau und Visionärin Gertrude Boyle steht seit 1970 als Präsidentin an der Spitze des US-amerikanischen Unternehmens Columbia Sportswear.

Die Tochter eines jüdischen Textilherstellers wanderte 1937 nach Portland, Oregon, USA aus. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm sie das Unternehmen und rettete es vor dem Bankrott. 

Mit der Entwicklung innovativer Sport- und Outdoor-Bekleidung und einer unverkennbar humorvollen Marketingstrategie hat Gertrude Boyle, die auch „tough mother“ (strenge Mutter) des Sports genannt wird, Columbia Sportswear in den 1980er Jahren zu einer einflussreichen Sportmarke gemacht und mit ihren legendären Werbesports große Berühmtheit in den USA erlangt. In den Spots „zwang“ sie ihren Sohn Timothy – heute CEO des Unternehmens –  zu langen Härtetests mit Columbia-Produkten.

Gertrude Boyle engagiert sich darüber hinaus in verschiedenen Hilfsprojekten gegen Krebs und setzt sich für die Rechte von Kindern ein. 2014 spendete sie 100 Millionen Dollar an das Krebszentrum Knight Cancer Institute in Oregon, USA.

Gertrude Boyle wird für ihr Lebenswerk mit dem ISPO Pokal 2018 ausgezeichnet.

Auf die Wünsche der Kunden hören

ISPO.com: Sie wurden in Augsburg geboren und flohen 1937 mit Ihrer Familie aus Deutschland. Haben Sie noch Verbindungen nach Deutschland und verfolgen Sie das aktuelle deutsche Tagesgeschehen?
Gertrude Boyle: Ich war ziemlich jung, gerade einmal 13 Jahre alt, als meine Familie Deutschland verließ, und es hat 60 Jahre gedauert, bis ich zum ersten Mal dorthin zurückgekehrt bin. Heute habe ich nicht sehr viele Verbindungen, aber ich finde es wichtig, auf dem neusten Stand zu bleiben, insbesondere, da Columbia ein globales Unternehmen ist und wir viele Geschäfte in Europa machen.

Im Jahr 1960 haben Sie ihr erstes eigenes Produkt geschaffen, eine Anglerweste. Aber auf welches Produkte oder welche Innovation sind Sie besonders stolz?
Als ich die Fischerweste entwickelt habe, habe ich gelernt, wie wichtig es ist, auf die Wünsche der Kunden zu hören. Mein Mann Neal und seine Anglerfreunde haben mir sehr viele Tipps gegeben, sodass ich ein Produkt entwickeln konnte, das ihren Wünschen genau entsprach. Diesen Ansatz haben wir bei der Entwicklung der Bugaboo Jacke beibehalten, mit der sich Columbia im Skibereich einen Namen gemacht hat.

Inspiration für die Jacke war eine unserer Jagdjacken. Bei der Jagd braucht man eine richtig dicke Jacke, aber wenn man ein paar Kilometer läuft, wird sie einem schnell zu warm. Durch die Kombination von zwei Jacken in einer konnten wir die Vielseitigkeit erreichen, die man braucht, um sich in allen Bedingungen wohlzufühlen. Und dann dachten wir: Warum übertragen wir dieses Konzept nicht auf den Skibereich? Wir haben die Jacke nach den Bugaboos benannt, eine Bergkette, die mein Sohn Tim besonders gerne mag, und die Jacke war ein Riesenerfolg!

Gertrude Boyle with her husband Neal.
Gertrude Boyle with her husband Neal.
Bildcredit:
Columbia

Gertrude Boyle: „Wir haben die Macht zu entscheiden, was wir mit unserem Geld anfangen“

Durch die TV-Werbespots für die Kampagne „One tough mother“ sind sie zu einer Kultfigur geworden. Gibt es einen Spot, der besonders außergewöhnlich ist?
Alle Spots der „One tough mother“-Kampagne waren darauf ausgelegt, Sie zum Lachen zu bringen. Ein besonderer Spot war der, bei dem ich Tim in eine Autowaschanlage schicke mit den Worten „So testen wir unsere Bekleidung“. Nach diesem Sport schnellten die Umsätze in die Höhe. Auch jetzt sage ich immer: „Early to bed, early to rise, work like hell and advertise“. In den letzten Jahren war ich in mehr Columbia-Videos zu sehen, aber mittlerweile teste ich unsere Ausrüstung nicht mehr mit meinem Sohn, sondern mit Stars wie Zac Efron.

Sie haben das US-Team für die Special Olympics unterstützt und engagieren sich seit Jahren für den Kampf gegen Krebs. Wie wichtig ist Ihnen soziales Engagement?
Wir haben die Macht zu entscheiden, was wir mit unserem Geld anfangen, und ich glaube fest daran, dass ich mein Geld für den guten Zweck einsetzen muss. Die Special Olympics und die Krebsforschung sind zwei Bereiche, mit denen ich mich persönlich verbunden fühle, und sie beeinflussen das Leben von Menschen positiv. Wenn ich das Glück, das ich in meinem Leben hatte, dafür einsetzen kann, das Leben anderer Menschen besser zu machen, dann tue ich das.

Im Laufe von fast fünf Jahrzehnten hat sich Columbia von einem familiengeführten Unternehmen zu einem milliardenschweren Weltkonzern entwickelt. Was war rückblickend die wichtigste Entscheidung auf diesem Weg?
Ich habe Columbia 1970 übernommen und in diesem ersten Jahr sahen wir uns vielen Problemen gegenüber. An diesem Punkt habe ich darüber nachgedacht, das Unternehmen zu verkaufen. Ein Interessent wollte es für 1.400 Dollar kaufen, und wissen Sie, was ich ihm gesagt habe? Für 1.400 Dollar wirtschafte ich es selbst herunter. Es gab viele Zweifler, aber von da an lernte ich, meinem Gefühl zu vertrauen, „Nein“ niemals als Antwort zu akzeptieren und gute Leute einzustellen, die uns auf unserem Weg zur Seite stehen. Mein Gefühl muss wohl ziemlich gut sein!

Eine Sache ist in der Outdoor-Branche immer gleich geblieben

Gibt es etwas, das Sie im Nachhinein gerne ändern würden?
Nein. Sie können die Geschichte nicht verändern. Jede einzelne Entscheidung hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind.

Wie stark hat sich die Outdoor-Branche in den letzten Jahrzehnten verändert?
Die Branche unterliegt ständigem Wandel und entwickelt sich mit verschiedenen Stilrichtungen, Technologien und Verkaufsarten immer weiter. Eine Sache allerding ist immer gleich geblieben: Die Menschen benötigen Ausrüstung, die ihnen dabei hilft, die Natur zu genießen.

In welche Richtung wird sich die Outdoor-Branche in den nächsten Jahren entwickeln?
Das kann ich nicht genau sagen, aber es wird sich natürlich alles ändern. Ich glaube, solange wir Produkte entwickeln, mit denen die Menschen raus in die Natur gehen können, wird die Outdoor-Branche weiter wachsen. Jeder kann die Natur genießen und dafür braucht es nicht viel mehr als eine gute Jacke – und zum Glück weiß ich auch, wo Sie eine solche Jacke bekommen.

Gehen Sie die Dinge an und leisten Sie gute Arbeit

Sie standen mehr als vier Jahrzehnte lang an der Spitze von Columbia und sind deshalb ein Vorbild für viele Frauen in der Branche. Welchen Rat können Sie ihnen für ihre Karriere geben?
Am Arbeitsplatz sollten harte Arbeit und Leidenschaft im Mittelpunkt stehen, nicht Ihr Geschlecht. Ich fand schon immer, dass man Zeit mit den Kollegen verbringen sollte, denen Ihr Geschlecht egal ist. Ihnen ist Ihre Leistung wichtig, also krempeln Sie die Ärmel hoch, gehen Sie die Dinge an und leisten Sie gute Arbeit.

Welche Rolle hat die ISPO Munich für die Entwicklung von Columbia gespielt?
Eine Plattform wie die ISPO Munich zu haben, auf der wir Innovationen teilen und mit anderen Akteuren der Sportbranche interagieren könne, motiviert uns dazu, tolle Produkte zu entwickeln.

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