ISPO.com: Wenn man sich umhört über Ihr Ausscheiden nach 20 Jahren als CEO bei Mammut, Herr Schmid, so registriert man großes Bedauern bei den Mitarbeitern. Auch bei langjährigen Wegbegleitern. Und von Journalisten, von denen Sie sich in einer Pressekonferenz verabschiedet haben, gibt es sogar Applaus für Sie. So etwas ist sonst selten zu erleben.
Rolf Schmid: Ich würde mich auch leichter tun, das einzuordnen, wenn ich so etwas schon mal erlebt hätte. Aber es ist ja heutzutage keine Normalität, nach 20 Jahren Tätigkeit in führender Position aus einer Firma auszuscheiden. Da ist schon Wehmut dabei. Als ich Mammut vor 20 Jahren übernommen habe, war der Umsatz zehnmal kleiner als heute. Damals kannte man noch jeden Mitarbeiter persönlich. Heute, bei über 600 Mitarbeitern, ist das nicht mehr so leicht möglich. Umso bemerkenswerter ist das Echo auch in meinem Umfeld. Für mich ist das eine schwierige Situation, weil ich ja überall darauf angesprochen werde. Aber auch wenn es weh tut: Ich stelle mich ihr.
Und das öffentlich. Sie waren im Juli auf der Outdoor und bei einem Treffen der European Outdoor Group (EOG).
Da bin ich sonst immer vorne gesessen, mit dem Mikrophon. Und jetzt das erste Mal im Publikum, irgendwo hinten, zum ersten Mal in der Zuschauerrolle. Das ist schon anders.
Wobei Sie ja wenig Grund haben, sich zu grämen. Jedenfalls lobt die Branche Ihre Verdienste um das Outdoor-Business überaus.
Es stimmt schon: Ich gehe erhobenen Hauptes. Klar, es gibt nie den passenden Moment, um Abschied zu nehmen, aber jetzt ist er doch richtig: für die Firma und auch für mich. Ich habe mit meinen 57 Jahren ja durchaus noch etwas vor mir. Ich werde jetzt nicht einfach sagen, „So, Rolf, das war’s“ und mir dann jeden Tag mit meiner Frau überlegen, was wir jetzt im Supermarkt einkaufen wollen. Das wäre nicht das, was meine Frau möchte.
„Neues, anderes Denken“ bei Mammut
Das müssen Sie uns erklären. Der Reihe nach. Warum ist es richtig für die Firma, also für die Conzzeta-Group, bei Mammut einen Neuanfang ohne Sie zu wagen?
Wir haben eine klar definierte Strategie, deren Umsetzung dauert circa fünf Jahre. Da jetzt noch einmal ein volles Commitment für einander abzugeben, wäre für alle ein relativ langer Zeitraum. Und für ein Unternehmen ist es nie schlecht, wenn nach einer gewissen Zeit, in der ein Umbruch von Nöten ist, ein neues, ein anderes Denken reinkommt.
Das heißt, Sie können nachvollziehen, dass man nicht mehr zufrieden war in der Conzzeta?
Das habe ich nicht gesagt. Sie müssen verstehen: Ich habe 18 Jahre lang den gleichen Chef gehabt, den gleichen Verwaltungsratspräsidenten. Vor zwei Jahren ist dann ein neuer Gatekeeper gekommen, die Zusammenarbeit mit dem neuen Verwaltungsrat wurde anders für mich. Der Vorgänger hatte 18 Jahre eine bestimmte Richtung, jetzt gibt es eine andere.
Es heißt, es gehe vor allem um Bilanzzahlen, und diese stagnieren im gesamten Outdoor-Bereich, sind aber speziell auch bei Mammut nicht mehr so gut. War dies der Grund für Ihr Aus?
Das kann man nicht so vereinfacht sagen, denn es kommen immer mehrere Faktoren zusammen. Nach 18 Jahren Zusammenarbeit ist es manchmal für beide Seiten gut, wenn frischer Wind reinkommt und alte Muster aufgebrochen werden.
„Die Outdoor-Branche wird immer schneller“
Sie haben auf der ersten Pressekonferenz nach der Entscheidung, zurückzutreten, über die Mammut-Führung gesagt: „A new Guide is needed.“ Was muss diesen Neuen, der Mammut führen soll, denn ausmachen?
Die Branche wird immer schwieriger, sie wird immer schneller. Ich hatte das Glück, in einer Zeit dagewesen zu sein, in der die Branche gewachsen ist, in der überall und immer Euphorie da war. Die ist heute nicht mehr da. Der neue Mann muss also unsere besondere DNA verstehen, unser Marke profund kennenlernen und sich überlegen: Was mache ich aus der Marke? Wir haben da ja auch eine Strategie definiert.
Die da wäre?
Eine starke Internationalisierung. Die Zielgruppen werden klarer angesprochen. Und wir sind nun auch urban unterwegs: Unsere Kunden wollen unsere Produkte nicht nur in den Bergen tragen, sondern auch in die Stadt, und dieses Segment müssen wir noch gezielter angehen ohne unseren Markenkern „Absolute alpine“ zu untergraben. Dazu müssen wir, gerade in Fernost, noch stärker an den Monobrand-Stores arbeiten, an unsere Retailer denken und auch mit unseren Fachhändlern noch bewusster das Flächenmanagement bewirtschaften. Also: Nicht nur bis zum Sell-In denken, sondern auch bis in den Sell-Out. Dafür brauchen Sie aber Mitarbeiter, die das beherrschen, und diese müssen wir schulen.
Sie haben die neuen Zeiten angesprochen – und auch selbst angestoßen: Mammut hat 2016 die Seil-Produktion aus dem Schweizerischen Seon ausgesourct und diesen Bereich an das österreichische Unternehmen Teufelberger verkauft, das wiederum in Tschechien produziert.
Wir hatten ja unsere Seilproduktion erst seit 154 Jahren... (lacht). Sie ist ein Teil des Herzes, der Seele von Mammut. Aber der Standort Schweiz als Produktionsstandort ist für ein textiles Unternehmen sehr schwierig. Bei uns im Unternehmen liegt kein einziger Lohn unter 4000 Schweizer Franken.
Das sind umgerechnet 3680 Euro im Monat!
Keiner Person zahlen wir weniger. In Deutschland betragen die Lohnkosten vielleicht die Hälfte, und wenn man östlich geht, ist es ein Viertel. Dazu kommt: In der Schweiz kostet das Land, das Gebäude, die Fabrik deutlich mehr. Die Schweiz ist für eine Seilproduktion einfach zu teuer. Und nach dem 15. Januar letztes Jahr, als der Franken in die Höhe gestiegen ist, ist es über Nacht nochmal 15 bis 20 Prozent teurer geworden für uns. Das war der Moment wo wir gesagt haben: Jetzt macht es keinen Sinn mehr, jetzt müssen wir outsourcen. Und wir haben dann in Teufelberger einen Partner gefunden, der auch bald 100-jähriges Seil-Knowhow hat.
Welche Konsequenzen hat das für den Käufer?
Keinerlei. Das einzige, was er merkt, wenn er sehr aufmerksam ist, ist die Artikelnummer auf der Ware, die wird sich verändern. Weil da nicht mehr „Switzerland“ steht, sondern „Made in Europe“. Wenn wir in der Schweiz produzieren, fehlt uns das Geld in Bereichen, wo wir noch wachsen können. Der Konsument ist heute leider nicht bereit, für dieses „Made in Switzerland“ mehr zu bezahlen, da dieses Label alleine die Produkte nicht besser macht.
Auf Rolf Schmid folgt Oliver Pabst
Ob dies die Bilanzzahlen von Mammut besser macht, werden Sie nicht mehr operativ erleben. Sie werden sich aber als Berater weiter für Mammut engagieren. Wie schätzen Sie die Zusammenarbeit mit Ihrem Nachfolger ein? Haben Sie mit dem künftigen CEO Oliver Pabst schon zu tun gehabt?
Wir haben uns irgendwann mal die Hand geschüttelt und jetzt, nach der Entscheidung, kurz telefoniert, aber dass wir uns kennen, das wäre übertrieben. Er muss bei Mammut seinen Weg gehen, ich kann mich da nur zur Verfügung stellen. Ich hoffe, dass ich im Hintergrund helfen kann bei Projekten, für die wir bisher keine Zeit hatten.
Was werden Sie denn konkret tun für Mammut nach Ihrem Ausscheiden zum 1. September? Wie werden Sie die Firma begleiten? Werden Sie noch ein Büro im Unternehmen haben?
Ich werde kein Büro haben, sondern von zu Hause aus arbeiten und Mammut allenfalls als Gast besuchen. Aber zunächst werde ich ein halbes Jahr Abstand halten.
Warum ist Ihnen das so wichtig?
Der Nachfolger soll nicht das Gefühl haben, dass ihm da jemand im Nacken sitzt, so dass die Mitarbeiter nicht wissen, soll ich’s dem Alten noch Recht machen oder mich nach dem Neuen richten. Das wäre unfair. Und ich werde auch als Berater kein Amt mit einer exekutiven Gewalt haben. Ich werde mich im Hintergrund halten, werde im Sinne der Strategie-Entwicklung mithelfen oder bei der Kundenpflege in Asien, wo ich langjährige Beziehungen habe. Im operativen Geschäft werde ich nicht mehr in Erscheinung treten.
Dass ein CEO nach seinem Ausscheiden im gleichen Unternehmen noch als Berater tätig wird, ist ja auch eher ungewöhnlich.
Aber es ist nicht so schwierig, wie es erscheint. Es ist ja häufig so, dass der alte CEO danach Präsident des Aufsichtsrates wird – das ist viel schwieriger, weil er der Chef vom Chef ist. Ich werde Berater sein und vielleicht mal darauf hinweisen, wie wir es früher gemacht haben. Aber die Entscheidungen und die Ausrichtung muss der neue CEO treffen. Ich habe und will da keine Mitsprache.
Die hatten Sie auch nicht bei der Auswahl Ihres Nachfolgers?
Nein. Das ist aber auch nicht üblich, dass ein CEO seinen Nachfolger bestimmt.
Beschreiben Sie doch einmal die größten Momente Ihrer Mammut-Karriere.
Zum einen sicherlich die 150-Jahresfeier, als wir 2012 genau 150 Gipfel bestiegen haben, auf der Jungfrau 150 Zelte aufgestellt und diesen tollen Berg in den Berner Alpen bestiegen haben. Das war für die Marke und für mich persönlich ein sehr bedeutender Moment. Und ich habe die höchsten Berge unserer zehn größten Märkte bestiegen, jeweils 4000er in Italien, Frankreich, Deutschland, der Schweiz, den USA, in Japan. Das war ein tolles Projekt. Oder auch, wie ich mit Klaus Dittrich, dem Chef der Messe München, zur Montblanc-Besteigung aufgebrochen bin, das war ein bleibendes Erlebnis. Aber ich will nicht nur einzelne Momente erwähnen, sondern jeden Tag im Umgang mit den Mitarbeitern, die Mannschaft per se, die Geschäftsleitung, wir waren ein eingespieltes Team mit einer unheimlichen Bindung. Für mich waren das immer mehr als nur Arbeitskollegen.
Ein dreimonatiges Sabbatical – „untypisch für einen CEO“
Welche Werte waren Ihnen wichtig in Ihren 20 Jahren als CEO?
Das, was man im Sinne aller für richtig hält, auch persönlich vorzuleben, war und ist mir wichtig. Ich habe immer das, was ich von den Leuten verlangt habe, auch selber gemacht. Also nicht Wasser predigen und Wein trinken. Das fängt bei Hotels und Spesen an, also bei kleinen Sachen. Wenn ich den teuersten Wein bestelle, nur weil ich der Chef bin, geht das nicht. Man muss selbst zeigen und tun, was man von anderen erwartet. Ich habe zum Beispiel 2011 ein dreimonatiges Sabbatical gemacht, das ist für einen CEO sehr untypisch. Ich war drei Monate komplett draußen. Null Email, null Telefon. Ich wollte einmal vorführen, dass es geht, weil ich wollte, dass die Mitarbeiter dies auch machen können. Die Work-Life-Balance ist mir wichtig.
Woran kann man das noch festmachen?
Ich war zum Beispiel am Wochenende niemals im Büro. Wenn ich mal sonntags gearbeitet habe, dann von zu Hause, da hat es keiner gemerkt. Wenn ich als Chef am Wochenende ins Büro gehe, denken alle anderen, sie müssten sich auch dort sehen lassen, um beim Boss zu punkten. Am Wochenende habe ich auch keine Emails an die Mitarbeiter geschrieben, wo sie sich unter Druck gesetzt gefühlt hätten, antworten zu müssen.
Wo, wenn nicht bei Mammut, wird man Sie denn in Zukunft antreffen?
Ich sehe mich in der aktiven Beratung, z.B. in Verwaltungsräten. In der Schweiz hat der Verwaltungsrat eine viel aktivere Rolle, er hat auch mehr Verantwortung als der deutsche Aufsichtsrat. Ich möchte in Verwaltungsräten tätig sein für verschiedene Firmen, das bin ich ja heute bereits: in dem großen Car-Sharing-Unternehmen Mobility, bei der großen Schweizer Pfannenfirma Kuhn Rikon und bei einem Textilveredler, der mich noch in den Verwaltungsrat wählen muss. Meine Aufgabe soll es sein, die Geschäftsleitungen zu begleiten. Und nicht, wie außerhäusige Unternehmensberatungen Folien auf den Tisch legen und dann „Tschüss“ zu sagen. Ich sehe mich als Verwaltungsrat, der mit ausbaden muss, was er anrichtet.
Es liegt nahe angesichts Ihrer Erfahrung, dass man da bei Ihnen auch an die Outdoor-Branche denkt.
Sie werden verstehen, dass ich Ihnen heute keine Namen nennen kann. Aber ich hoffe schon, dass ich auch das eine oder andere Mandat aus unserer Branche bekomme, sei es im Outdoor- oder Sport-Bereich.
Berater – ja. Für direkte Mammut-Konkurrenten – nein
Sie könnten also die Mitbewerber von Mammut beraten?
Solange es nicht der direkte Konkurrent ist. Da hätte ich Mühe, auch emotional, weil es nicht meine Marke wäre. Also wenn ich am 2. September bei xy reinlaufen würde und sagen würde, „jetzt zeigen wir es denen von Mammut!“, das könnte ich nicht. Das wäre auch nicht glaubwürdig. Aber warum nicht jemand aus dem ähnlichen Gebiet, vielleicht eine Ski-Firma oder einen Fahrradhersteller, da tut es ja nicht weh. Und die Gesetzmäßigkeiten sind die gleichen, die Challenge ist die gleiche.
Sie haben Ihre langjährige Tätigkeit in der European Outdoor Group erwähnt. Welche Aufgaben, welche Ämter können Sie sich da noch vorstellen?
Die Branche steht vor großen Veränderungen, da gibt es auch für die EOG einige Aufgaben. Wenn die Branche hier meine Unterstützung beanspruchen möchte, bin ich selbstverständlich gerne dabei.
Wollen Sie es bei Ihren neuen Berater-Tätigkeiten belassen oder wird man Sie noch einmal in einer ähnlichen Position sehen wie bei Mammut, als CEO also?
Nein, das möchte ich eigentlich nicht mehr. Wenn es zu schnell käme, würde ich versuchen, ein zweites Mammut zu machen. Das wäre ein Fehler: Es gibt kein zweites Mammut mehr für mich. Ich glaube, mir wird es mehr Spaß bereiten, verschiedenen Sachen zu machen. Ich will auch nicht mehr zu 80 bis 90 Prozent fremdbestimmt sein. Ich möchte die Agenda wieder selbst im Griff haben.
Herr Schmid, zum Schluss noch einmal Hand aufs Herz: Empfinden Sie nach diesen 20 Jahren im Dienst von Mammut Ihre Ablösung als persönliche Niederlage?
Ach, wissen Sie, man möchte ja immer als großer Held von der Bühne gehen. Jeder fragt sich: Bekomme ich wirklich genug Applaus, könnten die Leute nicht noch länger Beifall klatschen? Aber ist das auch richtig so? Ich glaube nicht. Grundsätzlich bin ich hier 20 Jahre lang als CEO bezahlt worden und habe die Zeit sehr genossen. Und es wäre natürlich schön, wenn ich den Leuten noch eine Weile in Erinnerung bleiben würde.
Mitarbeit: Julian Galinski
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