Wenn heutzutage jemand damit beginnt, in einer überfüllten Kletterhalle bunten Griffen hinterherzujagen, dann hat er mit großer Wahrscheinlichkeit noch nie den Namen Heinz Mariacher gehört. Und das ist fast ein bisschen schade. Denn eigentlich sollte jeder Kletterer Heinz Mariacher dankbar sein. Schließlich hat der Tiroler Anfang der 80er Jahre den modernen Kletterschuh überhaupt erst erfunden.
Der erste Kletterschuh mit vorgespanntem Rand-Gummi stammt von Heinz Mariacher
Mariacher war der erste, der einen weichen Schuh mit einem vorgespannten Gummi am Rand kombiniert und damit Generationen von folgenden Modellen geprägt hatte. Noch im Jahr 2016, mit mittlerweile 60 Jahren und im Dienste des italienischen Traditionsherstellers Scarpa, tüftelt er weiter an neuen Modellen. Die Suche nach dem perfekten Schnitt, dem perfekten Material, dem perfekten Gefühl beim Tritt an den Fels, die treibt ihn weiter an. Fels, das ist ganz wichtig, denn „nur dort zeigt der Schuh, was er wirklich kann.“
„Kletterschuh-Guru“ nennen sie Mariacher vielerorts, manchmal fällt auch das Wort Legende. „Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, sagt Mariacher selbst, ganz lakonisch. Berge, unwirtliche und hunderte Meter hohe Felswände insbesondere, lehren Demut und Pragmatik. „Vorher waren die Schuhe zum Klettern extrem steif, wie ein Brett“, sagt Mariacher, „man hat sie vier Nummern zu klein getragen.“ Bis zu seinem Schuh, der als Modell „Mariacher“ in die Geschichte einging: Mit einer Gummisohle, die auch Reibungstritte möglich macht, mit dem Gefühl einer zweiten Haut. Eine Weltneuheit – auf die eine ganze Sportart gewartet hatte.
Mariacher hat Klassiker wie den La Sportiva Mythos erfunden
„Mir fallen immer wieder neue Sachen ein, an die ich vor zehn, zwanzig Jahren gar nicht gedacht hätte“, sagt Mariacher. Für La Sportiva, seinen vorheriger Arbeitgeber und auch ein Klassiker unter den italienischen Herstellern, hat er unter anderem den Mythos erfunden. „Eigentlich als Performance-Schuh“, sagt Mariacher, Alexander Huber etwa hat ihn bei seiner Free-Solo-Begehung an der großen Zinne getragen. Ein Evergreen ist der bequeme Schnürschuh aber dann aber im gemäßigten Freizeit-Bereich und auf alpinen Genussrouten geworden. „Es werden auch heute noch große Stückzahlen verkauft“, sagt Mariacher.
Miura und Testarossa mit La Sportiva, später der Booster S mit Scarpa – Heinz Mariachers Arbeit hing und hängt an unzähligen Kletterer-Füßen auf der ganzen Welt. „Einer meiner persönlichen Lieblingsschuhe ist der Mantra“, sagt Mariacher, er hat ihn bei La Sportiva designed. Ein überaus softer Slipper, „so ein weicher Schuh war damals eine Neuheit“, sagt Mariacher. Er selbst hat ihn immer gerne getragen, gerade beim alpinen Klettern. „Bis zum fünften, sechsten Grad habe ich meine Zustiegsschuhe an“, sagt Mariacher.
Das gibt dem Freizeit-Kletterer, der sich oft in der Halle in diesen Schwierigkeitsgraden bewegt, ein erstes Gefühl, was der Kletterer Heinz Mariacher in seiner sportlichen Karriere geleistet hat. Solobegehungen etwa an der großen Zinne, Comici, Nordwand. 1986 kletterte er die wahrscheinliche erste Route Italiens im Schwierigkeitsgrad 10: So steil, so anstrengend, ein geradezu absurder Schwierigkeitsgrad für jeden Hobbykletterer. Mariacher war auch maßgeblich an der Erschließung der Klettergärten am nördlichen Gardasee und im Sarcatal beteiligt, heute ein (ziemlich überlaufener) Kult-Ort des Sports.
Mit Scarpa hat Mariacher das Modell Drago entwickelt
Mariachers neuestes Modell heißt Drago, wieder ein besonders weicher Schuh, mit ausgeprägter Asymmetrie und Vorspannung. Erstaunlich anschmiegsam, aber kein Einsteigermodell. Oder besser: Ein fordernder Kletterschuh, der bewusstes Treten und eine kräftige Muskulatur im Fuß verlangt, auf diese Art und Weise aber einen Kletterer, der zuvor einen relativ festen Schuh gewohnt war, sogar zu besserer Fußtechnik verhelfen kann. „Ich ziehe den Drago auch im Gebirge an“, sagt Mariacher. Wobei das, siehe Schwierigkeitsgrad, kein Maßstab für die meisten Käufer sein dürfte.
Mariacher ist zufrieden mit dem Drago, er benutzt ihn selbst gerne. Und hat dennoch schon wieder Punkte gefunden, an er ihn verbessern wollte. Musste. Vor allem mit einem Schnürsystem statt dem bisherigen Klettverschluss, mittels dessen sich der Schuh noch besser an den Fuß anpassen soll. Scarpa wird dieses Modell, Chimera, im Juli präsentieren.
Der Trend geht zu soften Kletterschuhen
Man darf davon ausgehen, dass Heinz Mariacher dann schon wieder die Ideen für den nächsten Schuh durch den Kopf gehen. „So lange ich die Schuhe selbst testen kann und Ideen habe, mache ich weiter“, sagt Mariacher, 1955 in Wörgl geboren. Man darf also ebenfalls davon ausgehen, dass er den Klettersport noch durchaus ein Jahrzehnt weiter prägen wird. Die Richtung bei der Entwicklung ist klar: „Der Trend geht zu soften Schuhen.“
Seine Lieblingsgebiete, wo er seine neuen Kreationen am liebsten testet, hält er geheim, ganz bewusst. „Klettern ist für mich kein Sozialsport“, sagt Mariacher, „die Natur und die Ruhe gehören dazu.“
- OutDoor by ISPOOutDoor im Wandel
- Awards
- Bergsport
- Bike
- Fitness
- Health
- ISPO Beijing
- ISPO Munich
- ISPO Shanghai
- Running
- Brands
- Nachhaltigkeit
- Olympia
- Outdoor
- Promotion
- Sportbusiness
- Textrends
- Triathlon
- Wassersport
- Wintersport
- eSports
- SportsTech
- OutDoor by ISPO
- Heroes
- Sport Fashion
- Urban Culture
- Challenges of a CEO
- Messen
- Sports
- Find the Balance
- Produktreviews
- Magazin