Hansjörg Auer war einer, der einfach machte. Wenn man Gleitschirmfliegen lernen möchte, braucht man normalerweise eine vieltägige Ausbildung mit einer Prüfung am Ende, um den Luftfahrerschein zu erhalten. Hansjörg Auer hat so mit dem Gleitschirmfliegen angefangen: Er hat sich den Schirm seines Bruders ausgeliehen und flog los. Überhaupt hat der Profi-Alpinist aus dem Ötztal so einiges einfach gemacht. Bekannt geworden war er 2007 mit seiner Free-Solo-Begehung der 37 Seillängen des „Wegs durch den Fisch“ an der Marmolata-Südwand in den italienischen Dolomiten.
Auf die Frage, wie er es schaffe, sein von alpinen Extremen geprägtes Leben zu führen, antwortete er mir einmal entwaffnend ehrlich: „Ich bin ein Egoist.“ Auer hat mit einer Regelmäßigkeit derart schwere und körperlich wie psychisch anspruchsvolle Dinge am Berg getan, mit der andere in den Biergarten gehen. Gefeiert wurde er in der Szene unter anderem 2018 für seine Erst- und Solobegehung der Westwand des Lupghar Sar im Karakorum. Er hat den modernen Alpinismus zweifelsfrei geprägt
Wenn er alleine aufbrach, daheim im Ötztal oder irgendwo auf der Welt, zündete seine Mutter in der Kirche wieder eine Kerze an, die erst ausgehen durfte, wenn ihr Sohn wieder heil zuhause war. Sponsoren, Öffentlichkeit, das waren für ihn immer und vor allem Mittel zum Zweck, um das zu tun, was er liebte.
Im Gegensatz zu dem mit ihm in Kanada verunglückte David Lama, der sich unter die Obhut des Red-Bull-Imperiums geben hatte, hatte sich Auer nie einen Manager geleistet. Stattdessen hatte er gute alte Freunde, bei denen er sich Ratschläge holte. Auer wollte immer Grenzen ausloten und sein eigenes Ding machen. Obwohl er vom Tourismusverband des Ötztals gesponsert wurde, hat er einmal eine Aktion gegen die Kommerzialisierung des Stuibenfalls unterstützt – heimlich.
Auf den ersten Blick war sein Auftreten kantig – aber wenn man ihn besser kennen lernte, zeigte er sich grenzenlos herzlich und hilfsbereit. Als er uns bei einem Besuch im Ötztal für ein Portrait im Klettergarten von Niederthai einen Sektor gezeigt hat, der eigentlich geheim und den Einheimischen vorbehalten war, da war das für mich ungefähr so, als ob Thomas Müller einen Bayern-Fan zum Kicken in den Garten einlädt. Der Hoteltipp im Ötztal, für den ersten Bergurlaub mit unserer Tochter: Der kam von Hansjörg.
Ende 2017 hatte Auer sein erstes Buch veröffentlicht, „Südwand“. Dort beschreibt er seinen Weg vom Kletterer aus Umhausen zum Spitzenalpinisten, der auf der ganzen Welt seine Spuren hinterlassen hat. Auch das hat er einfach gemacht – er hat das ganze Buch nämlich selbst geschrieben. Es ist kein Hochglanz-Produkt geworden, aber ein zutiefst ehrlicher Blick in die Seele von Hansjörg Auer. Er erzählt dort von seiner Kindheit als Außenseiter, zudem erfährt die Öffentlichkeit erstmals von seinem Kampf mit der Magersucht.
Anfang 2018 ging ein GoPro-Video von ihm durch die Kletterszene, in dem er sich mangels anderer Rückzugsmöglichkeit an einer lächerlich kleinen Felsnase abseilt – von Eiern mit Medizinballgröße bis hin zu komplettem Wahnsinn war danach die Rede. Hansjörg Auer selbst kommentierte lapidar: „Challenging!“ Seine Facebook-Videos sind alleine einen Besuch wert, ein wilder Ritt per Eispickel und Gleitschirm durch die ganze Welt.
Reinhold Messner war einer der ersten, der die Nachricht vom Lawinenabgang in Kanada per Social Media teilte. Als Vorbild hat Hansjörg Auer in einem späteren Interview mit dem „Bergsteiger“ Messner bezeichnet, alleine schon des Alters wegen. Messner, ein Pionier der gefährlichen und großartigen alpinen Unternehmungen selbst, ist über 70 Jahre alt.
Hansjörg Auer starb mit 35 Jahren.
Wir trauern um einen liebenswerten Menschen und einen herausragenden Sportler.
Am 16. April 2019 starb Hanshörg Auer zusammen mit David Lama und Jess Roskelley am Howse Peak in Kanada. Die Kletterer wurden in den den kanadischen Rocky Mountains von einer Lawine erfasst und getötet. Die Absturzhöhe betrug etwa 800 Meter.
Hansjörg Auer wurde in seiner Heimat Umhausen in Tirol beigesetzt.
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