Als Sportkommentator hat Gerd Rubenbauer Ski-Ass Hermann Maier von Beginn an verfolgt. Im Interview spricht Rubenbauer über gemeinsame Erinnerungen, den einmaligen Charakter Hermann Maier und dessen olympisches Gold nach einem denkwürdigen Sturz.
Gerd Rubenbauer: „Ihm ist nichts geschenkt worden“
ISPO.com: Herr Rubenbauer, als TV-Reporter haben Sie Hermann Maier über viele Jahre hinweg begleitet. Wie würden Sie Ihr Reporterverhältnis zu ihm beschreiben?
Gerd Rubenbauer: Das war immer hervorragend. Ich mag solche Typen, so schwierige Menschen, so Verrückte und Wilde – das ist meine Welt. Ich bin da ähnlich strukturiert, und deshalb habe ich mich mit dem Hermann immer gut verstanden.
Wie lange kennen Sie ihn genau?
Vom Beginn seiner Karriere an, 1996. Das weiß ich noch wie heute: Slalom in Flachau, Alberto Tomba hatte Startnummer eins, Hermann war Vorläufer. Ich schaue so und denke: „Mei, fährt zwar wie ein Skilehrer, steht aber super auf'm Ski!“ Hinterher hieß es, er wäre Zwölfter geworden. Danach habe ich nie mehr den Bezug zu ihm verloren.
Bis zum Ende seiner Karriere habe ich mit ihm alles erlebt. Ich war ja damals in der Hofburg, als er tränenreich Abschied nahm. Ich kann mir also ein Urteil über seine Karriere erlauben.
Was macht diesen Hermann Maier so besonders?
Ein paar Kriterien: Zuerst einmal ist da ein Grundperfektionismus. Da stand er sich oft selbst im Weg, aber das zieht sich wie ein roter Faden durch seine Karriere. Punkt zwei: Er musste sich in seinem Sportlerleben immer alles hart erarbeiten. Es ist ihm nichts geschenkt worden. Er war kein 18- oder 19-Jähriger wie heute ein Henrik Kristoffersen, der in seinen ersten Weltcuprennen gleich mal alles niederfährt und dem alles in den Schoß fällt.
So war's beim Maier überhaupt nicht. Er hat als Maurer einen harten Beruf gelernt – daher kommt seine bodenständige Einstellung. Weil er weiß, was es bedeutet, Stein auf Stein zu setzen, dafür Geld zu bekommen und zu wissen, wie man damit umgehen muss – das ist Hermann Maier.
Das bedeutet aber nicht, dass er nicht auch Lust zum Feiern hatte und über die Stränge schlug. Das muss halt einfach raus, wenn du so veranlagt bist wie er. Aber was der alles gemacht hat, um nach all den Rückschlägen wieder zurück zu kommen! Das würde heute niemand mehr tun.
Super-G-Sieg im zweiten Rennen
Was hat er denn gemacht?
Ich werde nie vergessen, wie das war mit seinem Zimmerfahrrad. Das hat er immer und überall mitgeschleppt. Er war noch nicht richtig vom Hang runter, da saß er schon wieder drauf und hat gekurbelt. Später haben seine Zimmerkollegen dafür gesorgt, dass er auf dem Gang strampelt – weil er auch noch in der Nacht geradelt ist.
Erinnern Sie sich an Maiers ersten Weltcupsieg?
Natürlich, bei uns in Garmisch, 1997! Zwei Tage vorher war er Zweiter geworden – in seinem zweiten Super-G-Rennen überhaupt! Im dritten hat er dann gewonnen.
Gibt's so was wie ein Geheimrezept für seinen Erfolg?
Er trainierte immer auf schattigen Pisten, wo garantiert kein Licht war, dafür aber Rippen und Löcher. Die Kandahar in Garmisch ist ja immer schattig, und das liebte er. Auch heuer war es wieder so: Alle haben über die schlechte Sicht und die Schläge gejammert.
So was hat's beim Maier nie gegeben. Er hat immer gesagt: „Ich war Skilehrer und bin auf den miesen Pisten im Europacup rumgegurkt. Keine Sicht? Das ist mein Wetter.“ Der Schattenmann. Der hat keine Augen, sondern Radarpistolen im Gesicht.
Was macht so ein positiv Verrückter, wenn er nun nicht mehr Skirennen fahren kann?
Ich glaube nicht, dass er in ein Loch gefallen ist. Er hat die gottgegebene Eigenschaft, super abschalten und sich ein komplett neues Leben erschließen zu können: das Privatleben. Einziges Handicap: Er kann sich nicht so frei bewegen, wie er das gerne täte. Er hat schon ein bisschen Angst vor dem, was heute alles so passiert. Zu seiner Familie sagt er auch kein einziges Wort, schottet sie komplett ab. Das ist der Preis, den er zahlen muss, und der ist schon gewaltig.
Jahrhundert-Sturz in Nagano
Gibt's für ihn noch sportliche Herausforderungen?
Wenn er wie unlängst mit Markus Lanz zum Südpol wandert, dann macht er das mit Begeisterung. Das hat ihn herausgefordert. Aber von solch sportlichen Herausforderungen gibt es nicht mehr viele, die er annehmen würde. Ansonsten ist dieses Kapitel vorbei. Aber wenn man ihn fragt, wofür er diesen oder jenen Pokal bekommen hat, kann er das Rennen von der ersten bis zur letzten Sekunde erzählen.
Vom Jahrhundert-Sturz in Nagano müssen Sie auch noch erzählen. Wie haben Sie diesen kapitalen Crash bei der Olympia-Abfahrt 1998 erlebt?
Das war ein ZDF-Rennen, wir hatten mit der ARD die Damen-Rennen. Wer von uns nicht im Einsatz war, hatte eine sogenannte Observer-Kabine neben dem gerade Kommentierenden. Da saß ich drin. Ich hätte alles auf Maier gewettet. Als ich aber gesehen habe, welche Linie der da versucht hat...das war absolut verrückt. Der Crash hatte sich da schon abgezeichnet.
Zunächst war man unglaublich erschrocken und hat die Luft angehalten. Ich habe echt fast gebetet, dass er das übersteht – weil ich ihn so gern mochte! Im Nachhinein muss man sagen: Das war ja fast eine kunstturnerische Übung. Wie der das Rad schlägt, den Körper so festmacht, sich streckt und über den Zaun fliegt: Solche Nerven musst du erstmal haben. Ich glaube, das hat er bewusst gemacht.
Am nächsten Tag habe ich ihn aus 30 Metern Entfernung per Zufall ins Hotel gehen sehen: Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass der in Nagano nochmal ein Rennen fährt.
Auf der Suche nach Charakteren wie Hermann Maier
Wieso?
Er hatte nur ein T-Shirt an, und was man an Haut sehen konnte, war alles nur blau und lila. Sein Glück war, dass das nächste Rennen wegen zu starkem Wind um zwei Tage verschoben wurde. Bis dahin haben sie ihn so hingekriegt, dass er noch Gold in Super-G und Riesenslalom gewann – Hermann Maier und das Schicksal. Er war wie eine Sagengestalt im alpinen Skisport.
Diesen spektakulären Abflug hätten Sie sicher auch gerne kommentiert, oder?
Ob ich ihn gerne kommentiert hätte, weiß ich nicht. So ein Sturz: Das hätte mir schon sehr, sehr weh getan.
Fehlt ein Typ wie Hermann Maier derzeit im Weltcup?
So charismatische Skifahrer wie Maier, Stenmark und Tomba werden wir so schnell nicht wieder erleben. Damals haben sich Leute die Rennen angeschaut, die sonst überhaupt keinen Bezug zum alpinen Rennsport hatten.
Einmal war ich in einer Wirtschaft, wo während des Skirennens gelabert und Weißbier getrunken wurde – bis es plötzlich auf urbayerisch hieß: „Sei stad, jetzt kommt der Maier!“ In Sekundenbruchteilen war es mucksmäuschenstill in der Wirtschaft. Das sagt eigentlich alles.
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