Reinhold Messners größte Leistung war, die 14 Achttausender und die erfolglosen Versuche dazwischen überlebt zu haben. Wenn jemand sich derart an der Grenze bewegt wie die heutigen Spitzenbergsteiger, dann besteht die Kunst schon darin, es entsprechend zu dosieren und rechtzeitig aufzuhören. Denn dass das extreme Bergsteigen auch süchtig machen kann, daran besteht kein Zweifel.
„Berühmt zu werden, war Ueli Steck egal“
Die wirklich Großen der Zunft machen das allerdings nicht für die Öffentlichkeit. Ueli Steck war nicht so von seinen Sponsoren abhängig wie andere Alpinisten und hat in dieser Hinsicht kaum Druck gespürt. Seine Motivation ist eine ganz einfache gewesen: Wenn du Spitzenleistungen vollbringst – dann willst du diese steigern. Wenn du merkst, du bist fit, dann willst du immer mehr. Das war Uelis Antrieb. Nicht, bekannt und berühmt zu werden. Das war ihm egal. Er war immer ein sehr bescheidener und bodenständiger Mensch. Und einfach besonders talentiert und besonders fleißig.
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In der Kombination von Geschwindigkeit und anspruchsvollem Gelände war Ueli der beste Bergsteiger der Welt. Die technische Herausforderung bei der Überschreitung von Everest und Lhotse war nicht die Krux – anspruchsvolles alpines Gelände hat er sicher draufgehabt. Eine Eiger-Nordwand etwa ist technisch gesehen viel schwerer. Die Schwierigkeit wäre die lange Zeit über 8000 Metern, das Biwak in der Todeszone auf dem Everest-Südsattel gewesen. Aber auch das hätte er draufgehabt. Was er vorhatte, war keine Anmaßung.
Problematisch ist es nun, wenn Laien über Spitzenleistungen im Bergsport urteilen. Dann kommt schnell die Kritik: Das ist lebensmüde und nicht mehr zu verantworten. Diesen Vorwurf wird Ueli kein Bergsteiger machen, sondern nur jemand, der die Begeisterung und die Leidenschaft nicht versteht, für das was er tat. Der Laie hat auch keine Ahnung, dass jemand wie Ueli sich immer und akribisch auf seine Touren vorbereitet hat, dass er trainiert hat wie ein Besessener. Er hat alles geplant, er hat alle von ihm beeinflussbaren Faktoren optimiert. Und natürlich wusste er, dass er auch ums Leben kommen kann.
„Wenn ein Steigeisen rutscht, dann war es das"
Man muss ganz einfach feststellen: Der Spitzenalpinismus bewegt sich in einem Bereich, in dem es immer ein Restrisiko gibt – und das gar nicht mal so klein. Vor allem beim Höhenbergsteigen. Und es ist auch klar: Je häufiger sich jemand in eine derartige Gefahr begibt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann etwas passiert.
Ueli Steck kommt bei einem Unglück im Himalaya ums Leben: Das sind die Reaktionen der Outdoor-Welt.
Tatsächlich ist der Absturz nun sogar auf einer Akklimatisierungstour am Nuptse passiert. Ich habe Ueli einmal auf der ISPO MUNICH getroffen, dort hat er mir geschildert, dass er die große Gefahr vor allem im etwa 50 Grad steilen Eis sieht, weil er dort seine Eisgeräte gar nicht benutzt, um noch schneller zu sein. Er steht dann nur noch auf seinen Frontalzacken der Steigeisen.
Und wenn ein Eisen rutscht, dann war es das. Ich vermute, dass genau das am Nuptse passiert ist. Tragischerweise ist es oft das vermeintlich leichte Gelände, das Spitzenbergsteigern zum Verhängnis wird. Ein Herrmann Buhl etwa ist an der Chogalisa in Pakistan an einer Wechte ums Leben gekommen, nicht im extremen Gelände.
Ganz nüchtern festgestellt: Die Todesrate der Topleute ist hoch. Nach meinem Unfall beim Soloklettern im Schwarzwald, den ich mit viel Glück überlebt hatte, habe ich mit den Solobegehungen aufgehört. Ich bin risikoscheuer geworden und in die Angsthasenfraktion konvertiert. Ueli hingegen war in einem Alter, in dem die Leistungsfähigkeit noch da war. Er war noch nicht reif, seine Ansprüche derart herunterzufahren. Die Überschreitung von Lhotse und Everest wäre seine Krönung geworden.
„Wir haben nur den Hut gezogen: Wahnsinn“
Ueli hinterlässt ein einzigartiges Vermächtnis. Für mich war er ganz klar mitverantwortlich, dass es im Bergsteigen, dass zuvor über Jahrzehnte stagniert hatte, zu einer Leistungsexplosion kam. Die Kombination aus schwer und schnell, gleichzeitig souverän und elegant, hat er dominiert. Die legendäre Route Colton-MacIntyre an den Grandes Jorasses, für die ich mit Mitte 50 mit einem jungen, starken Partner 14 Stunden gebraucht hatte, hat Ueli in weniger als drei Stunden geschafft. Wir haben nur den Hut gezogen: Wahnsinn! Er kannte die Route nicht mal. Seinen Spitznamen „The Swiss Machine“ hatte er völlig zurecht.
Zum Autor:
1978 stand Bernd Kullmann in Levi’s-Jeans auf dem Mount Everest – die Geschichte dieser ungewöhnlichen Gipfelbesteigung ist in Bergsport-Kreisen weltberühmt. Das Wort von „Mr. Deuter“ hat Gewicht in der Outdoor-Branche, auch wenn der 62-Jährige nicht mehr Geschäftsführer des Rucksack-Herstellers ist.
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