Käsebrote und Landjäger waren gestern: Food-Experte Sven Christ zeigt uns die Kunst der echten Draußen-Küche. Teil 4: Eine stärkende japanische Nudelsuppe für die nächste Skitour
Käsebrote und Landjäger waren gestern: Food-Experte Sven Christ zeigt uns die Kunst der echten Draußen-Küche. Teil 4: Eine stärkende japanische Nudelsuppe für die nächste Skitour
Manchmal soll es einfach nicht sein. Da sprechen wir wochenlang, wann und wo ich meine erste Skitour gehen soll, lieber entspannt im sanften Kleinwalsertal oder doch lieber gleich unter guter Anleitung im Hochgebirge irgendwo im Engadin, und dann: Achillesferse entzündet. Einen Tag vor der Abreise. Dabei hatte ich schon mit den Vorbereitungen angefangen, ich wollte die perfekte Verpflegung für alle dabei haben – um wenigstens kulinarisch zu brillieren, wenn ich schon die Gruppe aufhalten würde.
Bei Skitouren rutscht man ja nicht, wie beim normalen Pisten-Skifahren, vom netten Bäcker im Talort zur deftigen Hüttenjause und schließlich zum feucht-fröhlichen Après-Ski-Wahnsinn. Nein, man geht ganz tapfer ohne technische Hilfe und Catering den Berg hoch, um ihn einmal wieder hinunter zu fahren. Ein Prinzip, das mich als Skitourenlaie komplett überzeugt. Auf jeden Fall deutlich mehr als das klassische Skifahren mit Lift und Halligalli. Meine Überlegungen als Koch sind aber natürlich folgende: Wie kann ich gewährleisten, dass ich unterwegs nicht verhungere?
Eine sinnvolle Nahrungszufuhr bei Skitouren ist nicht ganz einfach. Käsebrote oder Landjäger sind für Start und Pause jedenfalls nicht hilfreich, weil sie viel zu schwer sind und müde machen. Die körpereigenen Speicher müssen zielgerichteter aufgefüllt werden. Die Vorgaben: Es soll nahrhaft sein, am besten warm, Kohlenhydrate wären gut, und etwas Isotonisches muss auch sein. Da fiel mir ein, dass mir ein Freund, der letzten Winter zum Offpiste-Skifahren in Japan war, von den Skihütten in Hokkaido vorgeschwärmt hatte und den Ramen, den traditionellen Nudelsuppen, die es dort überall gab.
Eine Portion Ramen kann mit allem Drum und Dran durchaus den Brennwert von 600 oder 700 Kalorien erreichen, da kann man sich den Proteinriegel sparen, und die Fette sind alle im positiven Bereich
Ich war sofort begeistert, weil es tatsächlich nach dem perfekten Wintersportessen klingt. Es enthält die besagten Kohlenhydrate, viel Proteine, Mineralien, Fett, hält warm, hat Flüssigkeit und schmeckt wahnsinnig lecker. Es gibt verschiedene Ramensorten, von carnivor über vegetarisch bis vegan. Ich entschied mich für einen Tonkotsu Ramen mit Sesampaste, der aus Schweineknochen gekocht ist und in Kombination mit dem essentiellen Sesam reich an Kalzium, Selen und Magnesium ist. Eine Portion Ramen kann mit allem Drum und Dran durchaus den Brennwert von 600 oder 700 Kalorien erreichen, da kann man sich den Proteinriegel sparen, und die Fette sind alle im positiven Bereich.
Für die Brühe kaufe ich 1 Kilo Schweineknochen beim Metzger, mit nicht zu viel Fleisch daran. Diese werden zuerst in 2 Liter Wasser für 5 Minuten stark aufgekocht, dann die Flüssigkeit wegschütten und die Knochen wieder sauber waschen. Im Gegensatz zu uns Europäern schätzen die Japaner den ersten Brüheansatz nicht, außerdem verhindert man mit dieser Technik zu viele Trübstoffe und unerwünschte Geschmäcker im Sud. Für den Tonkotsu verwendet man in der Brühe auch nur eine geschälte, gewürfelte Zwiebel, dafür aber 10 weiße Champignons und die besagten Knochen.
Man verbringt einige Zeit mit der Herstellung des Tonkotsu, aber es lohnt sich. Und man kann das Ergebnis anschließend perfekt portionieren und einfrieren
Man bringt alles wieder in einem sauberen Topf zum Sieden und lässt die Brühe einige Stunden sprudelnd kochen, nicht simmern, auch wenn der Schuhbeck das immer predigt. Lieber einen Deckel drauf und Vollgas einheizen, ab und zu Wasser nachfüllen. Nach ein paar Stunden wird die Brühe milchig trüb, aber sogar dann lassen wir sie nochmal 3 Stunden kochen. Ideal sind insgesamt 12 Stunden. Man verbringt also einige Zeit mit der Herstellung des Tonkotsu, aber es lohnt sich. Und man kann das Ergebnis anschließend perfekt portionieren und einfrieren. Für einen ganzen Skitourenwinter.
Die Jungs wollen morgen los. Auch ohne mich. Der erste Schnee ist da. Ich entscheide mich, ihnen meine erste Skisuppe für eine Feierabend-Tour im Neuschnee zu spenden. Ich koche also noch Eier, indem ich sie in kaltem Wasser aufsetze und nach 8 1/2 Minuten herausnehme und gut abschrecke, dazu koche ich Mie Nudeln vor und schrecke sie auch ab. So können die Skifreunde am nächsten Morgen die Brühe noch einmal aufkochen, mit einem Teelöffel Misopulver würzen, einen Teelöffel Sesampaste pro Person einrühren – und die Brühe dann in Thermoskannen abfüllen.
Die Nudeln deponiere ich in kleinen, mit Deckeln schließbaren Schalen – die morgen gleich als Suppenschüsseln dienen sollen. Oben drauf kommen noch gehackte Frühlingszwiebeln, ein Stück Schweinebraten (fertig vom Metzger), das geschälte Ei – und dann Deckel drauf. Separat verpacke ich etwas Nori-Alge für den besonderen Geschmack. Und Stäbchen, die müssen natürlich sein.
So hat man weniger Gewicht im Rucksack als bei der üblichen Brotzeit und Tee-Kombination. Am Berg muss man nur die Brühe über die Suppe gießen, den Deckel noch einmal für eine Minute schließen und dann das Noriblatt zugeben, dann sind alle Komponenten warm und man hat den perfekten Outdoor-Ramen. Die ersten Skitourenfreunde habe ich auf Anhieb überzeugt. Ich habe meinen Ramen gemütlich zu Hause gegessen, den Schneesturm auf den Webcams beobachtet und mich auch gefreut. Meine erste Skitour werde ich sicher nachholen. Der Winter ist noch lang. Und mein Ramen-Doping ist ja schon fertig.
Zutaten:
1 Kg Schweineknochen
10 weiße Champignons
1 Zwiebel
1/2 Tl Salz
200g Mie-Nudeln
2 Tl Miso-Pulver
2 Tl Sesampaste
4 Frühlingszwiebeln
2 Eier
2 Noriblätter
2 Scheiben Schweinebraten, kalt
Thermosschüssel
Thermoskanne