Weil Steinpilze einfach doppelt so gut schmecken, wenn man sie selbst gefunden hat. Food-Experte Sven Christ zeigt uns die Kunst der echten Draußen-Küche. Teil 3: Pilz-Polenta für die Wanderpause
Weil Steinpilze einfach doppelt so gut schmecken, wenn man sie selbst gefunden hat. Food-Experte Sven Christ zeigt uns die Kunst der echten Draußen-Küche. Teil 3: Pilz-Polenta für die Wanderpause
Es gibt eine Phase im Jahr, in der meine Food-Freunde plötzlich von Trockenphasen nach dem Regen reden, oder sie erwähnen ganz nebenbei, sie müssten morgen mal „in den Wald“. Dabei hat Freund X gar keinen Hund, und Freund Y macht eigentlich sonst einen Bogen um Outdoor-Aktivitäten.
Es ist Pilzzeit.
Nur noch wenig Wissen in Deutschland wird von Generation zu Generation ausschließlich mündlich weitergegeben. Das Wissen um Pilze gehört dazu. Wer keine Eltern oder Großeltern hat, die mit einem in den Wald gegangen sind, um zu erklären, wann wo Pilze stehen, welche Sorte bei welchem Baum wächst, was am Waldrand, im Moos oder auf der Wiese zu finden ist, der wird Schwierigkeiten haben, zum guten Pilzjäger zu werden. Unmöglich ist es aber nicht.
Ich war früher immer mit meinem Onkel im Wald, er zeigte mir Reherl (Pfifferlinge), Rotkappen, Maronen und Steinpilze. Aber das ist so lange her, dass ich mein Wissen auffrischen wollte. Also bat ich meinen Kumpel Toni, dass er mich mal mitnimmt zum Pilze sammeln. Seinen Blick werde ich nicht vergessen. Es war, als hätte ich ihn nach einem Date mit seiner Tochter gefragt. Ein klares Nein.
Erst zwei Tage und zahlreiche Anrufe später ließ er sich erweichen und nahm mich mit in den Wald vor den Toren der Stadt. Am liebsten hätte er mir bei der Anfahrt einen Jutesack über den Kopf gestülpt, um den Platz geheim zu halten. Vor Ort dann das Pech der Übereifrigen: kein pflückbarer Pilz weit und breit. Alles angefressen und wurmstichig. Also die nächsten Wochen immer wieder los: Regenphase und ein paar Tage Trockenheit abwarten – und dann ganz früh los.
Eines Morgens standen sie da, als hätten sie nur auf einen gewartet. Schon am Waldrand standen die Parasole wie eine Verheißung, und tiefer im Wald ging es richtig los: Maronen, Rotkappen und ein paar kräftige Steinpilze. Der Korb würde voll werden, das war klar.
Weil sich Pilzsammler oft an entlegenen Stellen im Wald herumtreiben und mit geschultem Blick die Gegend scannen, finden sie auch immer wieder Leichen von verschwundenen Personen
Weil es aber noch sehr früh morgens war, erst mal eine Sicherheitsvorkehrung: Ich setzte mir eine bunte Mütze auf und erinnerte mich an die Regel meines Onkels: Auf keinen Fall gedeckte Töne tragen, je knalliger, desto besser. Pilzsaison heißt nämlich auch Jagdsaison, und die Statistik ist eindeutig: in Frankreich und Italien (riesige Steinpilze!) werden jede Saison ca. 200 Personen von Jägern angeschossen, weil sie mit Wildschweinen oder sonstigem Wild verwechselt werden. Die meisten übrigens sonntags. Weil sich Pilzsammler oft an entlegenen Stellen im Wald herumtreiben und mit geschultem Blick die Gegend scannen, finden sie auch immer wieder Leichen von verschwundenen Personen.
Pilze suchen hat relativ wenig mit malerischen Landschaften zu tun, denn Pilze wachsen nicht zwingend dort, wo es schön ist. Manchmal muss man Stunden in den Wald laufen, um die eine Stelle zu finden.
Die Polenta gab mir Energie und Wärme – es war das Beste was mir in dem Moment passieren konnte
Weil der Weg weit sein kann und man meistens nicht an einer Hütte oder einem Gasthaus vorbeikommt, hatte ich mir einen Kocher eingepackt, dazu einen kleinen Topf und ein Glas mit Polentagries. Heiße Gemüsebrühe hatte ich in einer Thermoskanne, ein paar Kräuter, Butter, Öl und Käse in einer Box.
Alle Pilze, die ich fand, konnte ich hundertprozentig zuordnen (zur Sicherheit sollten Hobbysammler ihre Funde immer prüfen lassen; es gibt in fast allen Städten Pilzbestimmungsstellen). Die Steinpilze und Rotkappen blieben im Korb, aber ein paar Maronen briet ich gleich in Öl an, mit Kräutern und etwas Butter, goss etwas Polenta an und füllte sie mit Gemüsebrühe auf. Ich ließ alles unter gleichmäßigem Rühren ein paar Minuten köcheln und gab dann Butter und geriebenen Käse dazu. Die Polenta gab mir Energie und Wärme – es war das Beste, was mir in dem Moment passieren konnte. Endlich hatte ich auch einen Blick für den Wald, und nicht nur für den Boden und die Beute. Ein Glas Rotwein hätte das ganze noch getoppt, dachte ich, als ich mich auf den Rückweg machte. Die restliche Beute musste geputzt werden.
Unbedingt beachten:
Zum Pilzesammeln braucht man einen Korb, in dem die Pilze lose liegen können, ein Tuch zum abdecken ist auch nicht verkehrt. Eine kleine Bürste und ein kleines scharfes Messer braucht man auch, um schlechte Stellen gleich wegschneiden zu können. Die Klinge des Messers darf auf keinen Fall über 12 Zentimeter lang sein, da es sonst laut Waffengesetz verboten ist!
Zutaten:
Die Pilze schneiden und mit den Kräutern in etwas Olivenöl anbraten, leicht salzen und einen TL Butter zufügen. Nach 3 Minuten den Polentagries dazugeben und mit der Gemüsebrühe aufgießen. Aufkochen lassen und dann bei reduzierter Hitze 10 Minuten köcheln lassen, dabei immer wieder rühren. Zum Schluss den Käse und die restliche Butter einrühren.