So machte Xia Boyu einen Schritt nach dem anderen zurück ins Leben. Jeden Werktag radelte er die 16 Kilometer lange Strecke zu seiner Arbeit hin und wieder zurück. An den Wochenenden fuhr er in die Berge, um wandern zu gehen. Die Touren wurden immer anspruchsvoller und Xia Boyu war mit seinen Prothesen immer schneller unterwegs. Er fühlte sich ausgerechnet in den Bergen am glücklichsten, obwohl ihm die raue Natur beide Unterschenkel gekostet hatte.
Allerdings brachte das Bergsteigen mit Prothesen völlig neue Herausforderungen mit sich: Nicht nur schränken die steifen Prothesen und die Stöcke die Beweglichkeit stark ein, auch der Halt am Untergrund ist im Vergleich zu den beweglichen und weicheren Füßen deutlich schlechter. Da Xia Boyu den Untergrund nicht mit den Füßen fühlen kann, ist er bei der Beurteilung der Bodenstabilität einzig auf seine Augen angewiesen. Mehrmals klemmte er eine Prothese versehentlich ein und war darauf angewiesen, von einem Begleiter befreit zu werden. Verliert er eine Prothese, ist es in den Bergen fast unmöglich, sie wieder an den geschwollenen Beinstümpfen anzubringen.
«Es wurde zu meinem Lebenstraum, den Mount Everest zu besteigen. Ich habe mir geschworen, dass ich es bis zu meinem letzten Atemzug probiere», erzählt Xia Boyu. Auf dem Weg zur Erfüllung seines großen Traums hatte das Schicksal aber noch weitere Prüfungen für den Mann parat. Xia Boyu erkrankte an Lymphdrüsen-Krebs: «Der Doktor hat mir gesagt: ‚Du wirst nie da oben stehen.‘ Und ich habe mir gesagt: Ich werde nie aufgeben.» Er wurde wieder gesund und verkaufte sein Appartement und sein Auto, um sich den großen Traum zu erfüllen. Denn im Gegensatz zu den hippen Stars der Kletterszene hat Xia Boyu keine Unterstützung durch Großsponsoren.
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