Die erste Umfrage zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf Händler, Marken und Hersteller der globalen Sportindustrie veröffentlichte der Weltverband der Sportartikelindustrie (WFSGI) im April. Jetzt kam die zweite Studie dazu heraus. „Die Ergebnisse unserer Mai-Impuls-Umfrage zeigen, dass COVID-19, wie erwartet, nachhaltige negative Auswirkungen auf unsere Branche hat. Es gibt jedoch ein Aufflackern positiver Informationen“, sagt WFSGI-Präsident Robbert de Kock. ISPO.com hat mit ihm über die Ergebnisse der neuen Umfrage gesprochen.
Noch haben nicht alle Länder den Einzelhandel wieder geöffnet. Dort, wo stationäres Shoppen wieder möglich ist, sieht Robbert de Kock positive Entwicklungen: „Mit der Öffnung der Geschäfte kauften die Konsumenten erst einmal all das, was sie schon zu Beginn der Pandemie kaufen wollten, aber nicht mehr konnten. Diese sogenannten „Revenge Purchases“ sind ganz positiv und geben uns Hoffnung für den stationären Handel, auch wenn sie natürlich nicht den verlorenen Umsatz wettmachen können.“ Gewinner der Krise sind nach wie vor die Sportarten Bike, Running und Outdoor, weil diese Sportarten in vielen Ländern trotz Shutdown weiter möglich waren. „Bike-Geschäfte konnten zudem davon profitieren, dass sie ihre Werkstätten vielerorts weiter geöffnet lassen durften“, so de Kock. „Allerdings haben viele jetzt das Supply Chain Problem und können die Nachfrage nicht im vollen Umfang bedienen.“
Und wie reagieren die Marken und Händler im Mai auf die Krise? Wie bereits im April, will die Mehrheit der Unternehmen (64 Prozent) den Onlinehandel ausbauen. Das sind zwar 10 Prozent weniger als im Vormonat, die Maßnahme gilt aber weiterhin als die dringendste Aufgabe. „In Europa hatte man eine andere Einstellung gegenüber dem Onlinehandel als beispielsweise in Asien, wo jüngere Zielgruppen schon vor fünf Jahren 80 Prozent ihres täglichen Bedarfs online gekauft haben. Mit COVID-19 hat der Konsument jetzt auch hier erkannt, dass das Internet die Möglichkeit geboten hat, die fehlenden Produkte trotzdem kaufen zu können. Die Krise hat diese Entwicklung beschleunigt und viele Marken werden das Internet in Zukunft besser nutzen“, so de Kock. Nahezu die Hälfte der Händler und Marken wollen ihre Lagerbestände möglichst schnell bereinigen, auch da haben sich die Gewichtungen kaum verändert. Eine neue Entwicklung ist hingegen, dass nahezu 40 Prozent der Befragten sich entschieden haben, Mindestbestände zu halten und erst einmal abzuwarten. Im April war das nur für 16 Prozent eine Option.
In dem Maß, wie wirtschaftliche Zwänge in den Vordergrund rücken, verliert das Ziel Nachhaltigkeit an Bedeutung. Danach gefragt, welche Trends nach der Pandemie wichtig sein werden, glauben nur noch 50 Prozent an den Trend nachhaltiger Produkte, das sind 20 Prozent weniger als im April. Stattdessen sehen mit 53 Prozent doppelt so viele Unternehmen als noch im April eine große Bedeutung in der Gestaltung der Preispunkte. Auch das Interesse für lokale Beschaffung ist im Vergleich zum April um die Hälfte gesunken.
„Die Situation bei der Warenbestellung hat sich im Mai nicht wesentlich verbessert“, sagt Robbert de Kock zur Lage der produzierenden Unternehmen. „Ein signifikanter Auftragsrückgang bleibt eine Herausforderung für den ganzen Sektor.“ Doch es zeigen sich erste Verschiebungen, die auch mit dem regionalen Verlauf der Pandemie zusammenhängen. Meldeten die Herstellerfirmen noch im April einen Auftragsrückgang aus Europa und den USA um 95 und 86 Prozent, so zeigt der Mai hier eine leichte Erholung mit 87 und 72 Prozent. Während sich die Situation in Europa und Nordamerika also leicht verbessert hat, hat die Umfrage eine leichte Zunahme des Orderstopps in Südasien, im Fernen Osten und in der Region Afrika & Mittlerer Osten gezeigt. „In vielen Ländern war die Ware beim Ausbruch der Krise bereits ausgeliefert. Als dann mit zeitlicher Verzögerung in den einzelnen Regionen die Läden schlossen, konnte die Ware nicht mehr verkauft werden“, erklärt De Kock. „Zwar haben einige Länder inzwischen wieder geöffnet, aber noch nicht alle. Es wird deshalb noch eine Weile dauern, bis wir tatsächlich mit einer Erholung der Auftragslage rechnen können. Ich denke, die Juni-Umfrage wird hier interessanter werden.“
Immerhin scheint sich die Lieferkette wieder zu stabilisieren. Vor allem in Südasien und Europa ist das laut Umfrage der Fall. Auf dem amerikanischen Kontinent sowie für die Region Afrika und Naher Osten haben sich noch keine Veränderungen ergeben. Insgesamt klappt auch die Materialbeschaffung wieder besser. Hatten im April noch über 70 Prozent der befragten Herstellerfirmen über Materialengpässe aufgrund von Schließungen bei den Zulieferfirmen geklagt, so hat sich diese Zahl im Mai auf 40 Prozent reduziert. Die Hälfte der befragten Firmen hat gar keine Probleme mehr mit der Beschaffung von Material für die eigene Produktion. Auch in Bezug auf die Logistik sind Verbesserungen zu erkennen: So scheinen die Reedereien ihre Kapazitäten wieder erhöht zu haben, da im Mai nur 12 Prozent der Befragten mit Versandproblemen konfrontiert waren, im Vergleich zu 30 Prozent im April.
Aufgrund der dünnen Auftragslage, verlängerter Zahlungsfristen und Auftragsstornierungen, kämpfen viele Unternehmen der Lieferkette mit mangelndem Cashflow. „Für fast 80 Prozent der Befragten bleibt dies eine entscheidende Herausforderung. Und die Situation hat sich im vergangenen Monat nur geringfügig verbessert“, so De Kock weiter. Das wirkt sich auf die Investitionsstrategien aus, bei der sich die Unternehmen jetzt noch stärker zurückhalten wollen. Noch im April wollten ca. 60 Prozent der Unternehmen eine schlanke Produktion einführen, im Mai waren es 15 Prozent weniger. Etwa die Hälfte der befragten Unternehmen will die Produktion konsolidieren (April: 68 Prozent). Auch über Sparmaßnahmen bei der Belegschaft denken 40 Prozent der Unternehmen nach, das sind 5 Prozent weniger als im Vormonat. Entsprechend negativ sind auch die Erwartungen für die kommenden Monate: Die Mehrheit der Befragten erwartet nach wie vor einen Rückgang ihrer Geschäfte um 50 Prozent. Die am stärksten betroffenen Regionen sind nach wie vor Europa, wo 80 Prozent der Befragten einen Rückgang ihrer Geschäfte sehen, und Nordamerika mit 70 Prozent.
Der kommende Winter wird die nächste Herausforderung für die Sportbranche: Die schneearme Wintersaison 2019/20, der frühe Abbruch der Saison durch den Ausbruch der Pandemie und die vollen Lager sind keine gute Voraussetzung für den Start in die nächste Saison. Unternehmen, die schon vorher mit Problemen gekämpft haben, könnte der Winter die Existenz kosten, so de Kock. „Es wird mehr denn je darauf ankommen, ob wir genug Schnee haben oder es kalt genug wird, um Winterbekleidung zu kaufen. Das wird eine riesige Challenge.“
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