Wenn die Rede von Surf-Paradiesen ist, schweifen die Gedanken sofort in Richtung Hawaii oder Atlantikküste ab. Eine Region, die nicht sofort auf der Agenda steht: China.
Wenn es nach Nicola Zanella geht, ein riesiger Fehler. Und der 47-jährige Italiener weiß wovon er spricht. Seit mehr als einem Jahrzehnt reitet der Surfer die Wellen im Reich der Mitte und wagt sich mit seinem Brett sogar nach Nordkorea.
Im ISPO.com-Interview spricht Zanella über seine Arbeit als Trainer der chinesischen Surf-Nationalmannschaft, die heißesten Surf-Spots in China und warum er dann meistens trotzdem allein ist.
ISPO.com: Mr. Zanella, Sie waren viele Jahre Surfprofi...
Nicola Zanella: Halt, warten Sie bitte. Großartig, dass ich endlich mal die Chance habe, das klarzustellen. Ich war nie Surfprofi, das habe ich nie gesagt. Kurz vor unserem ersten Trip nach Nordkorea vor ein paar Jahren wurde das in den Medien einfach behauptet – dann hat sich diese falsche Information immer weiterverbreitet. Ich bin ein erfahrener Surfer, der seit 30 Jahren diesen Sport betreibt. Ich jage fast mein halbes Leben Wellen an den entlegensten Küsten hinterher und studiere die chinesische Kultur. So würde ich mich beschreiben.
Schön, dass wir das richtigstellen konnten. Aber wie kamen Sie darauf, nach China zu reisen und alle Surfspots zu kartographieren?
Ich habe an der Ca Foscari Universität in Venedig Sinologie und Philosophie studiert, anschließend habe ich Dolmetscher und als interkultureller Berater gearbeitet. Gleichzeitig war ich Chefredakteur des SurfNews Magazins. Während dieser Zeit, also zwischen 2000 und 2010, habe ich mit Photograph und Surf-Entdecker John Callahan mehrere Trips an die chinesische Küste gemacht. Mit ihm zusammen bin ich auf der riesigen Gezeitenwelle Silver Dragon auf dem Qiangtang River in Hangzhou gesurft, habe die Inseln bei Shanghai und die südöstliche Küste von Guangzhou bis Fujian erkundet. Im Anschluss ging ich nach Hainan, um für die World Surf League zu arbeiten.
„Allein surfen ist nach wie vor eher die Regel“
Was ist Ihr Fazit, ist China eine Surf-Reise wert?
Ob man in China gut surfen kann? Verdammt, ja. Ich hatte in Hainan mehr überragende Surf-Sessions als irgendwo anders auf dem Planeten.
Auf Ihrem Instagram-Account @nikzanella benutzen Sie oft den Hashtag „thepeoplesrepublicofemptywaves“. Übersetzt also die „Volksrepublik der leeren Wellen“. Warum surft niemand diese Wellen?
Aktuell gibt es ungefähr 1000 Surfer in China – und 14.000 Kilometer Küstenlinie. Allein surfen ist also nach wie vor eher die Regel. Gerade in den Anfangsjahren, so um 2012-13, war ich sehr oft allein mit den Wellen – und das sogar wenn große Typhoone vor Hainan aufzogen.
Wo liegen die Surf-Hotspots in China?
Momentan sind die Surf-Zentren in Shenzhen, Qingdao und Hongkong. Und natürlich Hainan, hier vor allem Riyue Bay, wo die WSL ihren Longboard Weltcup austrägt.
Was kann die Industrie machen, um Surfen in China weiter voran zu bringen?
Zunächst einmal hat China schon mehr für das Surfen gemacht, als viele andere Nationen. Die WSL und die International Surfing Association (ISA) arbeiten eng mit den Behörden zusammen, Weltcup-Events werden regelmäßig abgehalten. Die meisten Marken produzieren in China und sind auch in den größten Städten und Surf-Zentren erhältlich. Was die Surfer in China wirklich brauchen, ist die Förderung an der Basis. Das versuche ich zu erreichen, in dem ich Surfer zu kompetenten Surf-Lehrern ausbilde. Mein Ansatz ist, den Nachwuchssurfern eine nachhaltige und umweltfreundliche Einstellung zum Surfen zu vermitteln. In den letzten vier Jahren habe ich 15.000 Surf-Schüler unterrichtet und 50 zertifizierte ISA-Lehrer ausgebildet.
Wie lange wird es dauern, bis China eine echte Surfnation ist?
Chinesische Surfer nehmen an internationalen Wettbewerben teil, der Markt für Surfausrüstung ist existent und die Anzahl der Surfer steigt ebenfalls. Ich würde also sagen, China ist eine legitime Surfnation.
Als Surflehrer veranstalten Sie auch eigene Surfcamps. Worin unterscheiden sich chinesische Anfänger von westlichen Surf-Novizen?
Ganz egal welchen kulturellen Hintergrund meine Schüler haben oder wie sie zum Surfen gekommen sind, die Reaktion auf die erste Welle ist immer gleich: ein breites Grinsen.
Surfen in Nordkorea ist kein Problem
Was war als Surflehrer in China Ihre witzigste Erfahrung?
Es ist immer wieder komisch, wenn sich Menschen, die noch nie am Meer und schon gar nicht im Meer waren, darüber beschweren, dass das Wasser „wirklich nass“ und „zu salzig“ ist. Und das passiert gar nicht mal so selten...
Sie veranstalten auch Surfreisen nach Nordkorea. Wie schwierig ist es, solche Trips zu realisieren?
Das ist eigentlich sehr einfach. Ich arbeite mit dem Reiseveranstalter URI Tours zusammen, die Experten auf diesem Gebiet sind. Sie haben alle Verhandlungen mit den örtlichen Behörden geführt. Es ist leicht, ein Touristen-Visum zu bekommen, auch das Reisen im Land ist relativ problemlos – zumindest solange man sich an die Regeln hält. Die Küste ist wunderschön und wenn die Wellen ausbleiben, haben wir immer ein Alternativprogramm: Stand-Up-Paddling auf einem Fluss zum Beispiel. Zusätzlich unterrichten wir eine kleine Gruppe Einheimischer, wie man die von uns errichtete Surf-Schule im Majon Hotel in Hamhung führt. Das ist ein Teil des Projekts SurfNorthKorea.com, das ich mit Andrea Lee und Markos Kern gegründet habe.
Nebenbei sind Sie auch Course Presenter der International Surfing Association. Was ist hier Ihre Aufgabe?
Als Course Presenter bin ich dafür verantwortlich, die Surf-Kultur und den Sicherheitsgedanken beim Wassersport einem noch sehr unerfahrenen Land näher zu bringen. Dazu gebe ich Surf- und SUP-Schulungen für zukünftige Instruktoren. Die Aufgabe ist eine große Ehre und ich versuche, zwei bis drei Schulungen pro Jahr abzuhalten.
Ihr vielleicht prestigeträchtigster Job ist aber sicher der des Trainers der chinesischen Surfnationalmannschaft. Wie stand es um die Nationalmannschaft, als Sie den Job angetreten haben?
Die Nationalmannschaft wurde 2014 vor dem ISA Asia Cup in Riyue Bay gegründet. Damals trat die Chinese Extreme Sports Association an Peter Townend - der 1971 Weltmeister war und bereits die USA und Australien trainierte - und mich heran und seitdem arbeiten wir regelmäßig mit den chinesischen Surfern. Das Team hat in dieser Zeit einen großen Sprung gemacht. Der Großteil surft erst seit vier oder fünf Jahren, wodurch sie sicher noch nicht mit der Weltelite mithalten können, aber irgendwo müssen wir ja anfangen. Die junge Generation der zehn bis 15-Jährigen hat unheimliches Talent, sie können das internationale Level erreichen.
Nach zwei Jahren im Amt, was ist Ihr Fazit und was sind Ihre Ziele mit der Nationalmannschaft?
Wir haben es geschafft, an Wettbewerben der ISA und WSL in China teilzunehmen und hoffen, dass wir 2020 eine kleine Delegation zu den Olympischen Sommerspielen nach Tokio schicken werden.
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