Es gibt viele Branchen, die unter der Corona-Pandemie zu leiden hatten und immer noch leiden. Die Laufbranche betrifft das nicht – und bildet eine Ausnahme im Lockdown-gebeutelten Sportbereich. „In diesen sehr negativen Zeiten sehen wir sehr positive Zahlen“, betonte Urs Weber, Redakteur der Laufzeitschrift „Runner’s World“ auf dem Laufsymposium der ISPO Munich Online.
Viele Menschen hätten im Lockdown mit dem Laufen begonnen und das regelmäßige Joggen zu schätzen gelernt, sie hätten sich hochwertig ausgerüstet und alles Wissenswerte über das Laufen regelrecht aufgesogen.
Drei Branchen-Insider aus dem Running-Bereich können das nur bestätigen: „2019 hatten wir einen Launch für 2020 vorbereitet und als es dann losging mit Corona, dachte ich zuerst: Das war komplette Zeitverschwendung“, berichtet Sebastian Bär, CEO der Laufschuhmarke Joe Nimble. „Doch dann wendete sich das Blatt und der Launch war so erfolgreich wie kein anderer zuvor. Im vergangenen Jahr haben wir zudem einen Trailschuh gelauncht, der ebenfalls sehr gut lief. Wir können uns wirklich nicht beklagen.“ Trotz aller Befürchtungen hätte sich das Jahr 2020 am Ende gelohnt, so Bär.
Das sieht auch Andrej Zwer, Category Director von Adidas Terrex, so: „Unser Online-Outdoor-Shop war im Frühjahr 2020 ständig ausverkauft. Die Welt stand still, doch Trailrunning nie.
Er hätte im Corona-Jahr viel über seine Kunden gelernt, erzählt der leidenschaftliche Geländeläufer, der schon seit 15 Jahren für Adidas arbeitet: „2020 hat mir ein noch besseres Gefühl für den Markt verschafft, denn wir haben in dieser Zeit viel über Social Media mit den Endkunden kommuniziert. Dort haben wir sie direkt gefragt, wo und wie sie unsere Schuhe benutzen, das war sehr wertvoll für uns.“
2020 sei für das Trailrunning ohnehin ein tolles Jahr gewesen, so Zwer, „ich hoffe, es geht so weiter“. Im Lockdown ließ es sich der Adidas-Outdoor-Experte nicht nehmen, täglich vor der Haustür auf „seinen“ Trails zu laufen. „Ich traf dort Läufer, die ich vorher noch nie in Laufschuhen gesehen hatte. Es war schön zu sehen, dass nun mehr und mehr Leute diesen Sport machen. Das Jahr hatte wirklich auch gute Seiten, man kann es nicht anders sagen.“
Caspar Coppetti, Co-Founder der Schweizer Marke On, hat Ähnliches erlebt: „Als der Lockdown kam, haben die Leute die Zeit genutzt und mehr Sport gemacht. Aus den Städten sind alle in die Natur geflüchtet, deshalb profitierte vermutlich auch bei uns vor allem der Trailbereich.“
Ein verlorenes Jahr sei 2020 nicht gewesen, im Gegenteil: „Es war ein sehr, sehr gutes Jahr für On – sicherlich nicht nur wegen Corona, sondern wegen des allgemeinen Outdoor-Booms“, sagt Coppetti. „Allerdings tut mir die Einzelhändler leid, bei denen der Sport seine Wurzeln hat. Ich hoffe, sie erholen sich von den Lockdowns.“
Dass Corona-Beschränkungen mehr Menschen als sonst nach draußen getrieben haben und zahlreiche Couchpotatoes zu Lockdown-Läufern wurden, zeigen eindrucksvoll die Daten der Trainingsplattform „Strava“: Der „Strava-Report 2020“, eine Art Jahresrückblick der Betreiber, verzeichnete im Frühjahr 2020 massive Zuwachsraten.
Insgesamt luden die Nutzer 2020 ein Drittel mehr Aktivitäten hoch als im Vorjahr. Und was in der Realität nicht möglich war, lebten die Sportler in der virtuellen Welt aus: Rund 170.000 neue Online-Sportclubs gründeten sich 2020 bei Strava, Aktionen wie das „Everesting“, bei dem in einer einzigen Radausfahrt 8.848 Höhenmeter zu erklimmen sind, gingen viral.
Es kamen nicht nur neue Läufer hinzu – die erfahrenen liefen auch mehr als sonst: Um den Faktor 1,9 vermehrten sich im Corona-Jahr die Laufeinheiten im Freien auf Strava, insgesamt stieg die Trainingshäufigkeit des Durchschnittsnutzers während der Pandemie um 13 Prozent.
Das blieb nicht ohne Folgen für die Form: Jeder zweite Läufer, der Strava schon länger nutzte, stellte 2020 eine neue persönliche Bestzeit über fünf oder zehn Kilometer auf, auch auf der Halbmarathon- und Marathondistanz fielen Rekorde im Solo-Wettkampf. Daten wie diese zeigen, dass Deutschlands Läufer das Beste aus der Pandemie gemacht haben und eindrucksvoll bewiesen: Sport ist stärker als das Virus.
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