Outdoor/14.12.2018

Outdoor-Branche: „Die Industrie sollte mehr auf Frauen hören“

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Die Zielgruppe Frauen wurde in der Outdoor-Branche lange vernachlässigt. Seit einiger Zeit bemühen sich Sport- und Outdoor-Unternehmen vermehrt, Frauen zu erreichen. In der Produktentwicklung, beim Thema Frauen und Führungspositionen, im Handel und im Marketing muss sich die Branche aber noch weiter bewegen. 

Two drivers at the Shades of Winter production
Frauen im Fokus der Shades-of-Winter-Produktion in Zermatt

„Mir geht es nicht um Gleichberechtigung, ich möchte aber die Möglichkeit haben, das Gleiche zu tun“, sagt Sandra Lahnsteiner, Freeride-Profi und Filmemacherin. Die Österreicherin ist die Macherin der Shades of Winter Filme. Gefeatured werden ausschließlich weibliche Freeriderinnen. Eine absolute Ausnahme im männerdominierten Outdoor- und Actionsportfilm. Generell spielen Frauen in der Outdoor-Branche eine nachrangige Rolle. Doch seit ein paar Jahren ändert sich das.

Um über Partizipation, Teilhabe und Sichtbarkeit von Frauen im Outdoor-Markt zu sprechen, hatten die Mountainbike-Redakteurinnen Anna Weiß und Hannah Röther über 60 Frauen aus der Outdoor-Branche zum 1. European Women’s Outdoor Summit nach Flims/Laax eingeladen.

Weiß und Röther wollen zudem mit bloomers-outdoors eine sportartenübergreifende Plattform für Outdoorsportlerinnen aufbauen (Start Mai 2018). „Oft genug habe ich mich während meiner Zeit als Redakteurin für das World of Mountain Biking Magazin über „Frauenprodukte“ geärgert“, sagt Anna Weiß zu ihrer Motivation für Plattform und Summit.

Wie vielschichtig die Thematik ist, zeichnete sich an den Perspektiven der Rednerinnen und durch die Diskussion auf dem Summit ab. In vier Bereichen ist die Branche aufgefordert, sich weiterzuentwickeln.

1. Produkt- und Textildesign

„Im besten Fall gibt es für Frauen dasselbe Produkt mit anderem Label, in den meisten Fällen schwerer und schlechter ausgestattet / designed, dafür aber teurer“, sagt Weiß. Teilweise würden selbst die MTB-Teamfahrerinnen lieber das Unisex-Produkt als die Frauen-Variante fahren.

Auch Irmgard Beck, Designerin für funktionelle Sportbekleidung und Rednerin auf dem Summit, stimmt ihr hier zu: „Die Behübschung, das Marketing sollte ein bisschen in den Hintergrund treten. Frauen sollten ernster genommen werden.“ So fragt sich Beck, warum es beispielsweise in vielen Kollektionen für Frauen eine eingeschränkte Auswahl an Softshelljacken gibt. Gleichzeitig für Männer aber keine „Kuschelteilchen“.

Anna Weiß and Hannah Röther want to get things moving
Anna Weiß and Hannah Röther want to get things moving
Bildcredit:
Andrea Gaspar-Klein / EWOS

Beck hat 30 Jahre Branchenerfahrung und schon für viele renommierte Sportmarken gearbeitet, ihr Ratschlag: „Die Industrie sollte mehr auf Frauen hören. Und wenn man mit Frauen kommunizieren will, sind es oft die leisen Stimmen.“

Wichtig wäre ihr außerdem, dass in (Design-)Teams Männer und Frauen in gleicher Anzahl vertreten sind.

2. Frauen in Führungspositionen

Eine weitere Erfahrung, die Beck gemacht hat und die viele Produktentwickler und -designer bestätigen können: Oftmals scheitern mühevoll ausgearbeitete und innovative Produktentwürfe an der letzten Entscheidungsinstanz im obersten Management. Hier seien meist nur Männer vertreten.

Gerade bei Frauenprodukten würden dann Entwicklungen nicht umgesetzt, weil die Notwendigkeit nicht gesehen wird. Stattdessen, so die Erfahrung der Designerin, würde oft nur Altbewährtes in anderen Farben produziert. Auch wertvoller Input, beispielsweise von Athletinnen, ginge so verloren. Die Forderung, die sich für sie ergibt: Mehr Frauen in Führungspositionen.

Eine Studie mit fast 22.000 Unternehmen gibt ihr Recht: Das Peterson Institute for International Economics hat herausgefunden, dass ein 30 Prozent höherer Frauenanteil in den Chefpositionen einen 15 Prozent höheren Netto-Umsatz bringt.

3. Handel muss Shopping-Welten schaffen

„82 Prozent der Frauen haben im Unterschied zum Fashionbereich keinen Lieblingssportladen“, sagt Ulrike Luckmann. Sie hat eigene Befragungen zu dem Thema gemacht. Eine gute Shopping-Atmosphäre sei aber enorm wichtig, denn Frauen würden nicht nur zielgerichtet einkaufen, sondern gerne – ohne bestimmtes Ziel - shoppen.

Studien zeigen, dass Frauen für den Großteil der privaten Konsumentscheidungen verantwortlich sind. Diese Chance lässt sich der Outdoor-Handel entgehen. Auch Designerin Irmgard Beck ist der Ansicht, dass Shops nicht mutig genug sind, wenn es um neue Kollektionen geht. „Der Handel ist hier ein zusätzlicher Flaschenhals", sagt Beck. Die mutigen, innovativen Stücke aus einer Kollektion würden meist nicht geordert. 

Group photo of the 1st European Women's Outdoor Summit
More than 60 women from the outdoor industry together in Flims / Laax
Bildcredit:
Andrea Gaspar-Klein / EWOS

4. Gender-Marketing, Medien und Sponsoring

In Anzeigenkampagnen, in der Eigendarstellung im Katalog oder auf der Homepage wurden Frauen lange Zeit komplett vernachlässigt. Hier hat sich bereits einiges verändert. Viele aus der Branche sind aber der Ansicht, dass die Zielgruppe Frau immer noch als „Projekt" wahrgenommen wird.

Sophie Knechtl ist Sportwissenschaftlerin. Sie kennt viele Studien zum Thema Sportlerinnen in den Medien, diese zeigten deutlich: „Frauen sind nicht nur unterrepräsentiert. Es gibt auch eine geschlechtsstereotype Darstellung.“ So würden Athletinnen oft verniedlicht, oder die Leistung trivialisiert und infantilisiert.

Bei Männern zähle die Leistung, bei Frauen eher Aussehen und Inszenierung. MTB-Enduro-Profi Ines Thoma wünscht sich daher, dass Frauen auch so sein dürfen, wie sie sind: „Dass nicht jeder denkt, eine Frau darf sich die Nägel nicht lackieren, sonst ist sie zu klischeemäßig. Oder eine Frau muss sich die Nägel lackieren, um den Klischees zu entsprechen.“

Dass bei Frauen andere Maßstäbe gelten als bei Männern, mache sich beim Sponsoring enorm bemerkbar, sagt Thoma. Die Preisgelder, und die Rennstrecken seien bei der Enduro World Series (EWS) identisch, was sich aber unterscheide, sei das Sponsoring. Die Top-Ten-Fahrer bei den Männern verdienten im Jahr im sechsstelligen Bereich.

 

GoPro mit Frauen als Zielgruppe

„Ich schätze, wir Frauen kommen auf maximal ein Viertel“, sagt Thoma. Ihre EWS-Profikollegin Caro Gehrig stimmt zu: „Bei den Männern ist es cool, wenn sie krass unterwegs sind. Bei uns Frauen wird das oft so verniedlicht. Ich denke, Leistung ist Leistung und die spricht für sich.“

Die Mountainbikerinnen wünschen sich, dass mehr in die Spitze investiert wird. Denn dies sei auch wichtig, um Rolemodels aufzubauen. So könnten wieder andere Mädchen und Frauen inspiriert werden.

GoPro habe dieses Problem auch erkannt, sagt Jennifer Long, Produktionskoordinatorin bei GoPro. Von 197 Athleten bei GoPro sind nur 27 Frauen. Zudem sind in Deutschland zwei Drittel der GoPro-Besitzer männlich. „GoPro arbeitet daran, dies zu verändern“, sagt Long, „wir wollen unsere weibliche Kundschaft vergrößern. Das ist sehr wichtig für uns.“ Dieses Ziel dürften 2018 einige Unternehmen haben.