Sie erobern Häuser, Brücken und Mauern: Viele Kletter- und Boulder-Fans suchen den Kick direkt vor der eigenen Haustür. Mitten in der Stadt. Buildering nennt sich das, manchmal auch Urban Climbing oder Urban Bouldern – und erfreut sich immer größerer Beliebtheit.
Die Vorteile liegen dabei klar auf der Hand: Man braucht kein Auto und muss keine stundenlangen Fahrten auf sich nehmen, um in ein Klettergebiet zu gelangen. Geklettert wird im Freien und nicht in einer stickigen, überfüllten Kletterhalle, die – je öfter man dort war – zudem an Reiz verliert. Auch muss der abenteuerlustige Kletterer kein Geld ausgeben, denn die Climbing-Attraktionen findet er direkt vor der Haustür – er muss sie nur entdecken.
Tim Jacobs ist passionierter Builderer. Er entdeckte den Sport während seines Studiums in Mainz: „Ich hatte weder Geld noch ein Auto zur Verfügung. Also bin ich mit Freunden einfach losgezogen, um Orte ausfindig zu machen, an denen man gut klettern kann.“ Schnell stieg seine Begeisterung für das Buildering, wurde für ihn fast schon zu Sucht. Mittlerweile hat Jacobs zwei Buildering-Bücher geschrieben, gründete die Internetseite buildering-spots.de, gibt Buildering-Workshops, hat unter anderem mit dem Deutschen Alpenverein (DAV) eine Vortragsreihe zum Thema Buildering ins Leben gerufen und baut bei seinem neuen Projekt sogar Gebäudefassaden, an denen man klettern und bouldern kann.
Er weist auch noch auf einen ganz anderen Reiz des Buildering hin: „Man hat eine ungemeine Vielfalt an unterschiedlichen Gesteinsarten, die direkt nebeneinanderliegen. In der Halle klettert man nur an Kunstharz-Griffen“, so Jacobs. Und: Neben dem sportlichen Aspekt spielt für Jacobs aber auch der Schutz der Umwelt eine große Rolle: „Klettern ist immer auch Motorsport. Man ist immer unterwegs. Man fährt Hunderte Kilometer und verursacht dabei einen beträchtlichen CO2-Fußabdruck“, so Jacobs. Buildering entlastet so eben auch die Umwelt.
Buildering ist allerdings keineswegs neu, sondern hat eine lange Geschichte. Die älteste Dokumentation ist über 120 Jahre alt. 1895 erklomm der Kletterer Geoffrey Winthrop Young das Dach der Universität Cambridge. Nicht als erster Student, aber als erster, der es dokumentierte. Vor dem Boom der Indoor-Kletterhallen war Buildering bei vielen Kletterern etabliert.
Schließlich standen den Kletterfans damals nicht die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung wie heute. Später geriet das Buildering etwas in Vergessenheit. Alain Robert brachte den Sport sogar in Verruf: Der französischer Spider-Man genannte Robert bestieg Wolkenkratzer, Kirchen und vieles mehr – jedoch meist illegal und teilweise lebensgefährlich.
Bevor es also an das Erklimmen von Hausfassaden geht, sollte man sich zuerst mit den rechtlichen Grundlagen vertraut machen. Da ist die Lage relativ klar: Buildering ist nicht verboten. Es gibt kein Gesetz, das Klettern an Gebäuden verbietet. „Aber selbstverständlich muss sehr stark darauf geachtet werden, dass man beispielsweise an Privatgebäuden nicht ohne ausdrückliche Erlaubnis buildern darf. Man darf natürlich keinen Hausfriedensbruch begehen. Auch denkmalgeschützte Gebäude sind tabu“, erklärt Jacobs.
Ebenfalls gilt es, immer sein Umfeld im Blick zu haben. „An einer Hauptverkehrsstraße zu klettern, ist zum Beispiel keine gute Idee, da dadurch Autofahrer abgelenkt werden können. Natürlich sollte man auch keine Gehwege mit seinen Bouldermatten blockieren. Beachtet man diese Dinge und geht aufmerksam zu Werke, sind die Risiken grundsätzlich die gleichen wie beim Klettern.“ Wird man dann doch gebeten, mit der Kletterei aufzuhören, sollte man diesem Wunsch auch nachkommen.
- Öffentliche Gebäude
- Brücken
- Mauern
- Uferbefestigungen
- Unterführungen
- Privatgebäude ohne vorherige Erlaubnis
- Denkmalgeschützte Gebäude
- an viel befahrenden Straßen (wg. Behinderung des Straßenverkehrs)
Jeder der dem Klettersport verfallen ist kennt wohl dieses Phänomen: Man läuft durch die Stadt und entdeckt an Brückenpfeilern, Mauern oder Gebäuden sofort Kletterrouten. Im Grunde sind der Fantasie bei der Suche nach guten Spots keine Grenzen gesetzt.
Gerade Mauern, Uferbefestigungen oder Brücken bieten mit ihren vorhandenen Strukturen die besten Kletter-Voraussetzungen für jeden Schwierigkeitsgrad und Wissensstand. Ähnlich wie beim Bouldern können die Routen oft kurz, kraftintensiv und in Absprunghöhe sein. Aber auch längere Routen in größeren Höhen, wie zum Beispiel Brücken, eignen sich zum Buildern.
Einfach drauflos klettern sollte man aber natürlich nicht. Zunächst gelten natürlich die bereits erwähnten rechtlichen Einschränkungen. Spuren hinterlassen oder das Gebäude sogar beschädigen, sind aber ebenso absolute No-Gos und können hinterher für Ärger sorgen. Deshalb muss man genau abwägen. Weiß gestrichene Fassaden sollten tabu sein. Ebenso wie Natursteine, die bereits von Pflanzen bewachsen sind.
Viele Builderer raten auch dazu, Spots mit hohem Publikumsverkehr zu meiden. Die Innenstadt zu umgehen, hat verschiedene Vorteile: Die Wahrscheinlichkeit, mit Menschen in einen Konflikt zu geraten, die dem Buildern ablehnend gegenüberstehen, ist geringer und das Risiko, mit seiner Kletterei andere zu behindern oder gar in Gefahr zu bringen schwindet.
Grundsätzlich sind eher die großen Metropolen zum Buildering geeignet. Zu den zehn bestens Spots zählen:
- München
- Stuttgart
- Halle/Leipzig
- Mainz/Wiesbaden
- Frankfurt am Main
- Köln
- Berlin
- Hamburg
- Dresden
- Göttingen
München zählt etwa schon länger zu den Hochburgen; in der bayrischen Hauptstadt wurden auch schon mehrere Wettkämpfe ausgetragen. Hier bieten sich viele kleinere und größere Brücken an, zum Beispiel die Wittelsbacher Brücke. Sie bietet durch ihre Struktur nicht nur verschiedene Schwierigkeitsgrade, sondern auch ein herrliches Setting direkt an der Isar. Aber: Ohne (mindestens eine) Matte geht hier nichts.
Für Interessierte im Osten empfiehlt Jacobs die Region um Halle/Leipzig. In Leipzig gibt es eine Vielzahl an Brücken zum Buildern. Aber auch die Parkanlage im Palmengarten bietet mit seinen rund 70 Pfeilern aus Kalkstein leichte bis mittelschwere Routen in einer ruhigen und malerischen Umgebung.
Für das Rhein-Main-Gebiet hat Jacobs einen ganz besonderen Tipp parat: die Kaiserbrücke über dem Rhein zwischen Mainz und Wiesbaden. „Das ist eine Eisenbahnbrücke. Da kann man aufgrund der Konstruktion im Überhang, also mit dem Rücken zum Wasser, die Brücke entlang traversieren. Dabei kann man sich sehr gut absichern und es nicht gefährlich. Das ist dann wie ein unendlich langes Dach, durch das man klettert. Das ist etwas ganz Besonderes, so 20 Meter über dem Boden“, gerät Jacobs ins Schwärmen.
Auch der DAV betreibt eigene Buildering-Spots in verschiedenen Städten, zum Beispiel in Stuttgart. „Dort gibt es den Cannstatter Pfeiler, das ist ein alter, riesengroßer Autobahnpfeiler, an dem man klettern kann“, so Jacobs. Hochoffiziell mit dem DAV buildern kann man auch in Köln an der Hohenzollernbrücke. In Berlin betreibt der AlpinClub Berlin, einer Sektion des DAV, den Wuhletalwächter, einen künstlichen sechsseitigen Felsen im Ortsteil Marzahn.
Das sind natürlich nur einige Beispiele. Grundsätzlich schadet etwas Kletter- und Bouldererfahrung bei der Suche nach geeigneten Spots und auch beim Buildering selber nicht. „Da spielt viel Erfahrung mit rein, um zu entscheiden, wo man dann wirklich klettern kann und wo nicht“, so Jacobs. Anfänger sollten besser nicht alleine losziehen, am besten von einem erfahrenen Builderer angeleitet werden. Denn Sicherheit ist wichtig. Bouldermatten sind bei ungesicherten Routen immer Pflicht.
Die Builderer achten ja auch sehr darauf, nichts zu beschädigen und arbeiten mit Sicherungen, die vollständig wieder entfernt werden können, also zum Beispiel Schlingen, die um ein Brückengeländer gelegt werden. Wer damit nicht vertraut ist, geht lieber auf Nummer sicher und informiert sich.
Der DAV ist auch ein guter Anlaufpunkt um Gleichgesinnte zu finden. So sind zum Beispiel die Jugendgruppen des DAV in Mainz sehr aktiv und organisieren immer wieder Buildering-Treffen in der Stadt. Jacobs rät auch zu einer kurzen Recherche im Internet. „Dort findet man immer lokale Gruppen, die man anschreiben kann. Durch die sozialen Medien, sind die Chancen mittlerweile auch gigantisch, Gleichgesinnte zu finden.“ In München gibt es beispielsweise eine Buildering-Seite auf Facebook, bei der sich rund 800 Builderer austauschen können. Und auch Jacobs betreibt eine Facebook-Seite, die schon über 2.000 Likes gesammelt hat und auf der Gleichgesinnte austauschen. Denn wer Buldern einmal probiert hat, der kommt so schnell nicht mehr davon los. Wie Klettern hat Buildering nämlich ein extrem hohes Suchtpotential.
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