Eine Mehrheit der Läufer soll diese perfekten Momente, den absoluten Lauf-Rausch, schon erlebt haben. Prof. Dr. med. Johannes Fuß, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Sexualmedizin an der Universität Duisburg-Essen, verrät im AOK-Gesundheitsmagazin: „In unseren Untersuchungen berichteten etwa 70 Prozent der Ausdauersportler von mindestens einem Runner’s High in ihrem Leben. Manche erleben regelmäßig das Hochgefühl, andere kommen nie in den Genuss.“
Erzwingen lassen sich die Glücksmomente nicht – das wissen alle einigermaßen ambitionierten Laufsportler*innen, und das bestätigen auch Mediziner und Expertinnen. Der Weg in den Läufer-Himmel ist kurvenreich und vor allem steil. Aber wenn der Flow einsetzt, ist die Euphorie riesig, Schmerzen und Angst verschwinden. Dass die Hormone in solchen Momenten Karussell fahren, bestätigen auch Versuche mit Mäusen. Sie empfinden direkt nach ausführlichem „Training“ im Laufrad weniger Schmerzen und können länger über eine warme Platte laufen.
Wer Runner’s High genießt, erlebt die Kunst des Laufens – legales Doping durch die ungeahnten Fähigkeiten des eigenen Körpers. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich erfolgreiche Läufer kreativer fühlen, dass sie seltener unter Depressionen leiden, dass sie produktiver arbeiten und harmonischere Beziehungen führen. Der US-Sportmediziner Timothy Miller bringt den Booster für Körper und Geist so auf den Punkt: „Für viele Menschen kann die körperliche Fitness, die sie durch das Laufen erlangen, die berufliche Leistung und sogar das Sexualleben verbessern.“ Na, wenn das kein Grund mehr ist, die vielleicht nachhaltigste Sportart zu lieben.
Wenn die Endorphine Tango tanzen – das war viele Jahre lang die plausibelste Erklärung der Wissenschaft für den Rauschzustand beim Laufen oder bei ähnlichen körperlichen Aktivitäten. Aber: Stimmt nicht! Denn das körpereigene Glückshormon Endorphin verringert zwar Schmerzen. Es kann das Runner’s High und den Flow aber gar nicht auslösen, wie Experte Fuß schildert: „Das Problem ist, dass die Endorphine zu groß sind und nicht vom Blut ins Gehirn übergehen. Deshalb haben die Endorphine, die wir im Blut messen, überhaupt nichts mit dem Endorphin-Wert im Gehirn zu tun.“
Stattdessen sind die sogenannten Endocannabinoide der Schlüssel zum Glück. Der verdächtige Wortbestandteil „Cannabinoid“ deutet bereits an, worum es geht: Rausch ohne Rauch, Mittelstrecken-Marihuana. Das Magazin Runner’s World erklärt es so: „Endocannabinoide sind eine natürliche Version von THC – der Chemikalie, die für den Rausch verantwortlich ist, den Marihuana erzeugt.“ Praktisch jede körpereigene Zelle kann die Endocannabinoide ausschütten, die in Stressmomenten wie beim Laufen ein Gefühl der Gelassenheit erzeugen, die Angst lösen und Schmerzen verringern. Sie haben daher einen enorm großen Einfluss auf das menschliche Gehirn – und sie spielen auch beim Orgasmus eine entscheidende Rolle.
Laufsport ist das klassische Beispiel fürs Runner’s High – daher auch der Name. Das liegt aber vor allem daran, dass das Laufen weltweit stark verbreitet und für fast jeden leicht zugänglich ist. Generell lassen sich aber auch „Biker’s High“ oder „Swimmer’s High“ erleben, wie Experte Johannes Fuß verrät: „Grundsätzlich kann es überall dort auftreten, wo Personen eine sportliche Leistung über längere Zeit aufrechterhalten, sprich Ausdauersport betreiben. Menschen, die Rudern oder Fahrradfahren, berichten beispielsweise auch von diesem Hochgefühl.“ Und auch geistige Arbeit kann zu einer ganz ähnlichen Form von Flow führen – wer sich je in einen Rausch geschrieben hat, weiß Bescheid. Aber Achtung: Starker Stress, egal ob körperlich oder geistig, verringert die Produktion von Endocannabinoiden und damit die Chance auf ein „High“.
Der Endocannabinoid-Rausch ist zwar legal, kann aber ebenso wie illegale Substanzen süchtig machen. Denn wer dieses Hochgefühl einmal erlebt hat, will es immer wieder genießen – auch wenn der Körper gerade andere Signale sendet. Und genau wie beim Drogenmissbrauch sind häufig immer höhere Dosen nötig, damit Körper und Hirn noch den erhofften Kick bekommen. Das kann zu Überforderung und Verletzungen führen. Sportmediziner Miller warnt: „Eine zu schnelle Erhöhung der Laufleistung oder der Intensität sorgt oft für Überlastungsschäden.“
Zu den typischen Verletzungen zählen dann Stressfrakturen, Bandverletzungen oder Sehnenentzündungen. Deshalb ist es wichtig, dass gerade Neueinsteiger die Anforderungen langsam steigern – und dass Laufsportler niemals versuchen, das ersehnte Runner’s High zu erzwingen. Weil Schmerzen während des Flows kaum mehr zu spüren sind, laufen gerade Extremsportler und sehr ambitionierte Läufer im wahrsten Sinne des Wortes Gefahr, ihren Körper zu überfordern und sich Verletzungen zuzuziehen.
Das wichtigste Rezept ist, dass es kein Rezept fürs Runner’s High gibt. Selbst unter identischen Umständen tritt das große Glück an einem Tag ein – und lässt die Läuferin oder den Läufer am nächsten Tag gnadenlos im Stich. Deshalb erleben viele Laufsportler ein- oder zweimal im Leben einen solchen Flow, und kommen danach nie wieder in einen vergleichbaren Rausch. Es gibt aber einige Tipps, die die Chancen auf ein Runner’s High erhöhen.
- Der richtige Puls: Den Körper zu fordern, aber nicht zu überfordern – das ist einer der Schlüssel zum Flow. Experten empfehlen ein Laufen bei 70 bis maximal 85 Prozent der altersabhängigen maximalen Herzfrequenz. Darunter tut sich wenig – und darüber auch nicht. Es existieren mindestens ein Dutzend Formeln, um diese sogenannte HFmax zu berechnen. Ein weit verbreitetes Modell lautet für Männer „223 - 0,9 x Lebensalter“ und für Frauen „226 - Lebensalter“. Eine 40-jährige Frau hat also die besten Chancen auf einen Flow, wenn sie mit Puls zwischen 130 und 158 läuft.
- Die richtige Trainingsdauer: In aller Regel setzt das Runner’s High erst ab gut 30 Minuten Laufen ein. Ein bis zwei Stunden Training gelten als besonders erfolgversprechend.
- Gemeinsam laufen: Wer zu zweit oder in einer Gruppe läuft, hat bessere Chancen, ein Runner’s High zu schaffen. Dass zwei oder mehrere Läufer dann auch gemeinsam und gleichzeitig diese Glücksmomente erleben, ist aber eher unwahrscheinlich.
- Ausreichend schlafen: Zumindest acht Stunden Schlaf fördern die körpereigene Produktion von Endocannabinoiden – und damit auch die Chancen auf den Flow.
- Konkrete Ziele setzen: Wer sich beim Laufen kurz-, mittel- und langfristige Ziele setzt, hat deutlich höhere Chancen auf Euphorie-Momente. Denn wer versucht, ein bestimmtes Durchschnittstempo oder eine fixe Strecke zu erreichen und zu übertreffen, ist deutlich motivierter als jemand, der nur zum Spaß vor sich hinläuft. Wichtig: Je nach Trainingszustand müssen die Ziele immer wieder neu angepasst werden.
- Abwechslungsreich trainieren: Laufsportler, die in konstantem Tempo unterwegs sind, haben weniger gute Chancen auf ein Runner’s High als Läuferinnen und Läufer, die Zwischenspurts einlegen, die ihr Tempo immer wieder variieren – und die so erspüren, wie ihr Körper auf bestimmte Belastungen reagiert.
- Die richtige Umgebung wählen: Flow oder nicht Flow – das hängt ganz entscheidend von der Atmosphäre und der Umgebung ab. Facharzt Fuß empfiehlt: „Eine schöne Atmosphäre, zum Beispiel bei einem Berglauf im Urlaub oder die Lieblingsmusik, könnten ein Runner’s High begünstigen.“
- Gute Gedanken machen: An Glücksmomente aus der Vergangenheit zu denken, hilft ebenfalls. Sportmediziner Timothy Miller rät: „Denken Sie an Ihre schönste Lauferinnerung. Vielleicht war es ein Rennen, bei dem Sie sich einer schwierigen Herausforderung gestellt haben, bei dem Ihr Geist und Ihr Körper so sehr auf Sie eingestimmt waren, dass es sich mühelos anfühlte, Ihre Bestzeit zu laufen.“
- Erfolgskontrolle: Externe Bestätigungen helfen beim Erreichen des Euphorie-Ziels. Das können applaudierende Zuschauer am Streckenrand sein, die Konkurrenz der Laufkumpels, mit denen man mithalten kann – oder schlicht und einfach eine Pulsuhr, die erfreuliche Werte liefert.
- Musik: Seinen Gedanken und seinem Körper freien Lauf zu lassen – dabei hilft die Lieblingsmusik aus dem Kopfhörer, die einem quasi einen Flow ins Ohr setzt. Wer beim Laufen dagegen komplizierte Podcasts hört, die vor allem das Gehirn beschäftigen und anstrengen, wird es schwerer haben, ein Runner’s High zu erleben.
- Know-HowSport Motivation: Musik beim Joggen
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