Die 2005 gegründete französische Marke Veja gibt als Ziel aus, Schuhe herzustellen, die in jeder Produktionsstufe positive Effekte für die Umwelt schaffen. Veja will fair in Brasilien produzieren, anstatt deutlich günstiger in China. Die Marke verspricht großes soziales Engagement bei hoher Transparenz rund um ihre Produkte. So finden sich auch Lieferantenverträge einsehbar auf Vejas Website. Veja zeigt dabei aber genauso klar Grenzen auf.
Nun möchte sich die Marke im Laufsegment etablieren. Mitgründer Sébastien Kopp erklärt ISPO.com im Interview, wie das geht, wofür Veja steht und mit welchem Ziel die Marke erstmals zur ISPO Munich kommt.
Be responsible. Verantwortungsvoller und nachhaltiger Konsum werden stärker denn je nachgefragt. Die ISPO Munich 2020 bietet Ihnen alles rund um das Thema. Veja ist auf der ISPO Munich in Halle A5, Stand 208 zu finden.
ISPO.com: Wenn Sie Ihre Marke mit drei Worten beschreiben müssten – welche wären das – und warum? …und auf was legen Sie für die kommende Saison Ihren Fokus?
Sébastien Kopp: Transparenz, Design, Innovation. Veja bedeutet „Schau!“ auf Portugiesisch. Damit wollen wir sagen: Schau diese Sneaker an… und wie sie gemacht sind. Von wem? Unter welchen Bedingungen? Mit welchen Materialien? Das Ziel von Veja ist es, Sneaker mit ökologisch sowie gesellschaftlich positivem Effekt zu schaffen. Veja hat einen Fuß in der Fashion-Industrie und den anderen Fuß auf der Transparenz. Wir mischen Ökologie, Innovation und Design.
Sie geben an, genau null Euro für klassische Marketing-Aktivitäten zu investieren, um mehr Budget für soziale Verantwortlichkeiten und faire Umweltbedingungen zur Verfügung haben. Auf welche Art schafft Veja Aufmerksamkeit für die Marke?
Ein Sneaker ist auf wirtschaftlicher Ebene eines der interessantesten Produkte, weil er die höchsten Werbeausgaben konzentriert. Tatsächlich hat die Fiktion in dieser Hinsicht die Realität übernommen. Das bedeutet: Für gewöhnlich lassen Sneaker-Firmen mehr Geld in Marketing und Anzeigen als in die Produktionskette und die Rohmaterialien fließen. Uns ist es sehr wichtig, unsere Produzenten zu kennen, Zeit mit ihnen zu verbringen und eine Verbindung zu schaffen und Budget für die Produktion bereitzustellen. Das bedeutet: gute Arbeits- und Lebensbedingungen für die Arbeiter zu schaffen, statt Anzeigen zu buchen und Promis zu bezahlen, um unsere Sneaker zu verkaufen.
Ziel von Veja ist es, unsere Ressourcen in organische Rohmaterialien zu investieren, in die Produktion, in die Löhne der Mitarbeiter und Farmer, indem wir das Anzeigen- und Kommunikationsbudget kürzen. Wir glauben an die sozialen Netzwerke, die Power der Mundpropaganda und Schwarmintelligenz – so werden Informationen heute verbreitet. Außerdem lieben wir es, mit inspirierenden Menschen an coolen Projekten zu arbeiten und Kooperationen mit ihnen zu schließen.
Der Sport- und Fashionmarkt ist groß und unterliegt stetigem Wandel. Digitalisierung, veränderte Zielgruppenbedürfnisse und Nachhaltigkeit beschäftigen uns alle. In welchem Bereich sehen Sie für Ihre Marke aktuell die größten Veränderungen/Herausforderungen? …und wie geht Ihre Marke damit um?
Unser erster Kunde sind immer wir. Wir machen nie Benchmark-Tests oder Studien – wir kreieren, was wir gerne tragen. Unsere Kunden leben hauptsächlich in großen Städten wie Los Angeles, NYC, London, Hongkong oder Paris und sind 13 bis 30 Jahre alt. Die meisten unserer Kunden haben kein Interesse an Veja wegen unserer ökologischen oder ethischen Projekte, sondern wegen des Sneaker-Styles.
Die größte Herausforderung für Veja ist es, die Transparenzgrenzen zu erweitern und neue Innovationen für unsere Materialien zu finden. Das Projekt Veja muss noch besser werden!
Das Running-Segment ist relativ neu für Veja. Wie lief der Weg dorthin?
Im September 2019 launchten wir den „Condor“, den ersten „Post-Petroleum“ Laufschuh. Ein Schuh, der das Maximale an bio-basiertem und recyceltem Material kombiniert, ohne die Performance zu verlieren.
Ökologischere Laufschuhe herzustellen, fühlt sich bildlich an, als würden die anderen Marken auf einem Highway fahren und man selbst fährt auf einer matschigen Straße im Amazonas-Regenwald. Einfach jeder Bereich war knifflig: Das Gewicht, die Flexibilität, die Nachhaltigkeit des Schuhs, die Art von Läufer, der sie trägt. Wir mussten alles fast von Null überdenken.
Unser Projekt startete vor vier Jahren. Wir stellten auf unserer Reise fest, dass klassische Laufschuhe komplett aus Plastik bestehen. Was ist Plastik? Wir fanden heraus: zu 99% Petroleum. Die Idee hinter unserem Laufschuh war also sehr simpel: Den ersten „Post-Petroleum Laufschuh“ erschaffen, der so viel Plastik austilgt, wie wir nur können, auch für einen Weg aus der Öl-Abhängigkeit. Wir gründeten zu dem Zweck ein Team mit speziellen Ingenieuren, Projektmanagern und allem nötigen. Um die öl-basierten Materialien zu ersetzen, investierte das Team viel Zeit in die Suche nach neuen, innovativen Materialien, die bio-basiert oder recycelt waren und gleichzeitig die technischen Anforderungen erfüllen.
Dann kam der erste Prototyp, den wir auf über 10.000 Kilometern Strecke durch 80 Läufer und Leute aus der Running-Industrie testeten. Wir verbesserten ihn in einem Prozess, in dem wir Kastoröl, Zuckerrohr, Bananenöl, Wildkautschuk, Reis-Müll usw. mischten. So entstand unser Laufschuh Condor, der zu 53 Prozent aus natürlichen oder recycelten Materialien besteht. Und das ist nur der Anfang.
Wieso haben Sie sich entschieden, zur ISPO Munich zu kommen? Was sind Ihre Erwartungen?
Wir sind neu im Outdoor-Bereich und wir dachten, die ISPO Munich ist der beste Ort, um Leute aus der Industrie zu treffen und ihr Feedback zu bekommen. Wir suchen immer nach innovativen Materialien und neuen Technologien, die unsere Sneaker und Laufschuhe verbessern können. Die besten Material-Zulieferer sind vor Ort. Außerdem stellen wir unsere AW20 Sneaker-Kollektion vor. Eine Menge Händler beginnen unserem Running-Projekt zu folgen und so glauben wir, dass es Zeit wird, unsere Message weiter zu verbreiten.
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