Aller Anfang ist schwer, das wissen auch die Jurymitglieder von ISPO Brandnew 2019. Sie alle haben den Newcomer Wettbewerb selbst einmal gewonnen, weil sie vor Jahren mit ihrem Start-up die Jury überzeugten. Ihre Produkte gehören heute ganz selbstverständlich zur Sportbranche: der Flexi-Bar, die Indigo Snowboards und Skier, die Roller von Micro Scooter, die Helme von Sweet Protection usw.
Heute sind sie selbst erfolgreiche Unternehmer und kennen die Höhen und Tiefen der Aufbaujahre aus eigener Erfahrung. Worauf kommt es an und welche Fehler sollte man nicht machen?
„Nur ein bisschen besser zu sein als andere, reicht nicht aus“, ist Thorsten Schwabe, Gründer und Inhaber von Indigo überzeugt. „Man muss konsequent auf Innovation setzen und ein eigenständiges, innovatives Produkt haben.“ Er baute 1988 mit seinem Freund in einer kleinen Werkstatt die ersten Snowboards aus Eschenholz und entwickelte daraus in den Folgejahren eine internationale Luxusmarke für Ski und Skiausrüstung.
Denn das Problem mit neuen Marken ist: Der Sportmarkt ist gesättigt, weder Handel noch Konsument sind auf der Suche nach noch mehr Marken, noch mehr Sportarten und noch mehr Equipment. Es sei denn, die Idee ist wirklich gut und begeistert auch andere.
Ebenfalls wichtig: Die Wahl des richtigen Markennamens. Wer international denkt, muss früh prüfen, ob es hinsichtlich des Markennamens irgendwo Probleme geben könnte. Das ist auch für die Domain der Website wichtig. „Idealerweise nimmt man eine Wortneuschöpfung“, so Schwabe weiter. Damit sind die geringsten Probleme zu erwarten.
Tischtennis mit dem Kopf spielen? Auf diese Idee kann man fast nur im Studium kommen und dann muss man auch noch den Mut haben, daraus ein echtes Business zu entwickeln. René Wegner von Headis hatte diesen Mut. Die Begeisterung unter den Kommilitonen und Freunden für diese „neue“ Sportart war so überzeugend, dass er den Schritt in die Vermarktung wagte. Achtmal war der Sport in Stefan Raabs TV-Total-Show, „und das Medieninteresse ist bis heute hoch“, so Wegner. „Wir bieten unseren Sponsoren die Möglichkeit, viel Reichweite zu erzielen.“ Die Funsportart ist auf Social Media sehr erfolgreich und wurde online nach eigenen Angaben insgesamt über 500 Millionen Mal geklickt.
Die verrückte Idee und der Spaß am Kopfballtischtennis haben Headis weltweit zum Erfolg verholfen. Inzwischen gibt es offizielle Weltcup-Turniere und demnächst bringt Wegner eine neue Funsportart auf den Markt: HesherBall – eine Art Tischbillard, bei dem man statt mit Queues mit den Händen spielt.
Das Produkt alleine ist nicht alles. Gerade für Sportgeräte gilt das in besonderer Weise. „Für uns war es immer wichtig, den Einzelhandel zu unterstützen“, sagt Barbara Klein, Gründerin von Flexi-Sports und Erfinderin von Trainingsgeräten wie Flexi-Bar und XCO. „Wir sind deshalb immer selbst in die Läden gegangen und haben unsere Produkte dort gezeigt.“ So wurde das Produkt einerseits bekannter und andererseits konnte man die Anwendung und den Nutzen besser erklären.
Zwölf Millionen Euro setzt sie mit ihrem Unternehmen heute um und ist in 15 Ländern vertreten – nicht nur mit ihren Sportgeräten, inzwischen auch mit Nahrungsergänzungsmitteln. Anleitung ist für Barbara Klein entscheidend. „Ich halte es für einen Fehler, wenn man keine Anleitung mitentwickelt oder sie nicht kostenlos anbietet.“ Ihr nächstes großes Projekt für 2019 ist daher die Entwicklung eines eigenen Youtube-Kanals.
Wer nicht mit einem dicken Finanzpolster ausgestattet ist oder auf Investoren verzichten will, braucht Geduld zum Wachsen. „Sicherlich ist Geld eine große Sache, besonders wenn das Geschäftsmodell vorsieht, keinen Investor ins Boot zu nehmen“, sagt Wioletta Godek-Derejski. „Man muss bereit sein, zu arbeiten und das lange unterbezahlt.“
Sie hat das Unternehmen Lyofood gegründet, das optimal abgestimmte Mahlzeiten ohne Konservierungsstoffe und künstliche Zusatzstoffe für Outdoor-Abenteurer entwickelt. Der Vorteil des langsamen Wachstums aus der Sicht von Godek-Derejski: Solange das Geld fehlt, muss man alle Bereiche selbst abdecken. Das sei anstrengend, aber lehrreich.
Die Finanzierung des Business schätzen alle gleichermaßen als Herausforderung mit Fehlerpotenzial ein. „Gerade in der frühen Startphase ist die Finanzierung am schwierigsten – erst recht bei saisonalen Produkten, deren Produktion vorfinanziert werden muss“, erzählt Thorsten Schwabe von Indigo. „Selbst wenn man die Aufträge der Händler schon in der Tasche hat, geben Banken oft keinen Cent.“
Nicht immer ist die erste Idee genau das, was später mal den Erfolg oder Kern des Business ausmachen wird. Benedikt Seitz hat mit einem fünfköpfigen Team Evalu gegründet. Die Idee: Ein Sensor in einer Schuhsohle, der die Leistungsdaten von Läufern misst und diese an eine App überträgt. Diese App gibt dem Läufer dann Tipps für einen effizienten Laufstil, steigert die Performance und beugt Verletzungen vor.
„Ursprünglich war die Idee, dass der Kunde den Sensor kaufen muss“, erklärt Seitz, „inzwischen verleihen wir ihn nur noch für die Laufanalyse und verkaufen stattdessen ein individuelles Laufcoaching.“ Das Evalu-Team hat festgestellt, dass das Trainingskonzept wichtiger ist als der Sensor. Seitz: „Trotz der aufwendigen Entwicklung musste sich das Businessmodell und die User-Experience zu fast 100 Prozent ändern. Trotz des hohen Risikos und des hohen Aufwands, war die Entscheidung die richtige.“
Und für alle war rückblickend auch die Teilnahme bei ISPO Brandnew ein Gewinn: „ISPO Brandnew war für uns ein Meilenstein in der Weiterentwicklung von Headis“, sagt René Wegner von Headis. „Wir haben viel Rückmeldung aus der Industrie bekommen und das hat uns sehr weitergeholfen.“
Auch Evalu hat nach der Teilnahme und dem damit verbundenen Messestand auf der ISPO Munich die ersten großen Industriepartner und Kapitalgeber gefunden. „ISPO Brandnew war der erste Schritt in die Professionalität“, bestätigt Thorsten Schwabe von Indigo. „Man war gezwungen, sich professionell aufzustellen.“ Letztlich kann er aber noch mehr, als bloß Türen öffnen. Wioletta Godek-Derejski von Lyofood: „Es war nicht nur ein physischer Preis, sondern auch ein Zeichen dafür, dass das, was wir tun, sinnvoll ist.“
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