Nicht einmal ein Kilometer trennt die Blue-Tomato-Mitarbeiter vom Ort ihrer Sehnsucht: von der Planai-Talstation in Schladming, die auf knapp 2000 Meter Höhe und hinein ins Snowboard- und Ski-Vergnügen führt. An Wintertagen mit frischem Neuschnee lässt sich im Head Office des Boardsport-Unternehmens aus Österreich Interessantes beobachten: Einige Schreibtische bleiben vormittags verwaist, die Mitarbeiter ziehen derweil Lines durch die jungfräuliche Schneedecke.
Was in anderen Unternehmen nachhaltige Konflikte mit den Vorgesetzten auslösen würde, gehört bei Blue Tomato fest zur Firmenkultur. „Powder Sessions werden seit jeher von Gerfried gefördert, und er ist selbst auch gern mal dabei“, sagt Ulrike Howson, Head of Human Resources bei Blue Tomato, und ergänzt: „Sofern es der Workload zulässt.“
Gerfried, damit ist Gerfried Schuller gemeint, der im Februar 2017 nach fast 30 Jahren als Geschäftsführer von Blue Tomato ausscheidet. 1988 hat er Blue Tomato ursprünglich als Snowboard-Schule in Schladming, einer Gemeinde unterm Dachsteinmassiv zwischen Salzburg und Graz, gegründet.
1994 kam ein kleiner Shop hinzu, aus einem wenige Quadratmeter großen Laden mit vier Mitarbeitern wurde ein international agierendes Unternehmen mit über 400 Beschäftigten. Rund ein Viertel arbeitet in Schladming und Graz, der Rest ist in Österreich und Deutschland verteilt.
Die Branche schwächelt, Blue Tomato wächst
„Unser Ziel ist es, zum führenden Omnichannel-Retailer in Europa im Boardsport- und Freeski-Bereich zu werden“, sagt Gerfried Schuller. 1988 wurde er Snowboard-Europameister, seitdem hat sich viel verändert. „Snowboarden ist keine starke Jugendbewegung mehr“, sagt der 49-Jährige. „Die aktuelle Jugendkultur ist sehr zersplittert in verschiedenste Subkulturen und Richtungen und will nicht unbedingt auf den gleichen Brettern stehen wie ihre Eltern.“
Diversifizierung, Digitalisierung und dann auch noch die schneearmen Winter – die Wintersport-Branche ächzt, doch Blue Tomato wächst und wächst. Aus rund 100 Mitarbeitern im November 2011 wurden binnen fünf Jahren erst 170, dann 255, dann 325, dann 390 und nun 425; bald wird wohl die 500-Mitarbeiter-Marke geknackt. 2015 erwirtschaftete Blue Tomato einen Umsatz von 69 Millionen Euro, rund 36 Prozent mehr als im Vorjahr.
30 stationäre Shops: Blue Tomato auf Expansionskurs
Vor vier Jahren wurde Blue Tomato von Zumiez, einem Action-Sports-Retailer aus den USA, übernommen. Die Kaufsumme soll stattliche 82 Millionen Euro betragen haben. Schuller blieb im Unternehmen und bekam den Titel Managing Director, demnächst ist er nur noch als strategischer Berater an Bord. „Ich besitze ein kleines Paket an Zumiez-Aktien, wie auch die meisten meiner Directors“, verrät er.
Aus dem einstigen Snowboard-Lehrer ist ein millionenschwerer Unternehmer geworden, der 1999 die Zeichen der Zeit erkannte, als der erste Blue-Tomato-Onlineshop gelauncht wurde. Nun gehört das Unternehmen mit über 450.000 Produkte aus den Bereichen Snowboard, Freeski, Skateboard und Surf zu den Online-Giganten.
Doch Blue Tomato ist nicht nur ein riesiger Online-Händler. Seit der Zumiez-Übernahme kamen zahlreiche Shops – darunter 16 in Deutschland – hinzu. Ende Oktober 2016 eröffnet in Zürich der 30. Shop, es ist der erste in der Schweiz. Kurz vor Weihnachten machte Blue Tomato mit der Neueröffnung in Münster die 30 voll. Im stationären Handel arbeitet etwa die Hälfte aller Blue-Tomato-Mitarbeiter.
Auch mal mit dem Skateboard zur Arbeit
„Auf was wir trotz wachsender Größe bauen und stolz sein können, ist ein lockerer und kollegialer Umgang miteinander, ohne dass die Professionalität darunter leidet“, sagt Chef-Personalerin Ulrike Howson. „Wir sind eine sportliche Company, die Leute anzieht, die unseren Lifestyle leben und den Spirit weitergeben, auch wenn das vielleicht nicht auf jeden einzelnen unserer 425 Mitarbeiter zu hundert Prozent zutrifft.“
Mit dem Skateboard zur Arbeit zu kommen sei zwar „keine Pflicht, es ist aber kein unübliches Bild bei uns“, sagt Howson. „Blue Tomato sucht und zieht natürlich Action-Sports-affine Mitarbeiter an.“
Blue Tomato wirbt um neue Mitarbeiter
Früher hat Gerfried Schuller die Bewerbungsgespräche selbst geführt, „diese Kompetenz liegt nun bei den direkten Vorgesetzten“, sagt er. Was gleichgeblieben ist: „Nach wie vor bevorzugen wir Bewerber, die aus dem Branchenumfeld stammen und eine der Sportarten, für die wir stehen, selbst betreiben.“
Schullers Leitbild bei der Personalauswahl hat sich in fast 30 Jahren ebenfalls nicht verändert: „Beeindruckend war für mich immer Engagement. Man sollte stets authentisch bleiben und Spaß daran haben, was man macht und in dem, was man macht, sollte man versuchen, der Beste zu sein.“
Die Angestellten von Blue Tomato sind gespannt: Welchen Spirit wird Schullers Nachfolger als Geschäftsführer, Adam Ellis, ins Unternehmen bringen?
Blue Tomato ist auf Wachstumskurs – und wirbt offensiv um neue Mitarbeiter. Beste Chancen haben Bewerber, die neben der richtigen (Hochschul-)Ausbildung „die nötige Vorerfahrung mitbringen und zur Kultur von Blue Tomato passen“, sagt Ulrike Howson. „Wir fördern Empowerment unserer Mitarbeiter“, sagt die Personalerin, „im Zuge der Expansion von Blue Tomato können und sollen sie mehr Verantwortung übernehmen. Wir investieren deshalb laufend in übergreifende sowie spezifische Weiterbildungsmaßnahmen.“
Powder Sessions gehören zur Firmenkultur
„Als Incentives gibt es für alle Mitarbeiter Gratis-Testmaterial, Firmen- und Abteilungsevents, Kooperationen mit Reiseveranstaltern, natürlich Einkaufsrabatte sowie verschiedene Sportangebote abhängig vom jeweiligen Standort“, berichtet Ulrike Howson. Die Mitarbeiter im Head Office in Schladming werden zudem von einer Bioküche bekocht und erhalten vergünstigte Fitness- und Sport-Mitgliedschaften.
Und dann gibt's noch ein besonderes „Zuckerl“ für alle Blue-Tomato-Mitarbeiter: ein jährlicher Zuschuss für einen Saison-Skipass freier Wahl. Powder Sessions gehören eben zur Unternehmenskultur. Gerfried Schuller: „Manchmal geht Powdern eben vor Arbeiten.“
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