Schon heute läuft der Verkauf von Fitness-Trackern stark, die Uhrenhersteller haben in den Smartwatches den Markt der Zukunft ausgemacht. Stammel vergleicht die Chancen der Wearables mit der Wachstumskurve des Internets: Allerdings, sagt er, steckt die Technologie noch in den Kinderschuhen. Mit ISPO.com hat er über die Perspektiven der Wearables gesprochen und warum die Technologie noch aussieht wie bei Computern im Jahr 1995.
Herr Stammel, Wearables boomen, aber die Technologie ist noch ausbaufähig. Wo steht der Wearable-Markt?
Christian Stammel: Die meisten Technologien die heute bei WT-Produkten eingesetzt werden, gab es bereits vor 10 Jahren, aber erst jetzt haben sich Standards wie zum Beispiel Bluetooth und Bluetooth low energy durchgesetzt. Mit dieser Standardisierung hat man mit jedem Smartphone eine Plattform, mit der sich sehr leicht smarte Dinge verbinden lassen und man auch Wearables anbinden kann. Ich muss aber auch sagen, dass sich der gesamte Markt noch in einer frühen Phase, einer „early stage“ befindet.
1994 waren Festplatten nicht größer als rund 2 Gigabyte. 1996 hat eine Vier-Gigabyte-Festplatte rund 1800 Mark gekostet. Heute kostet eine Festplatte mit 160 GB keine 30 Euro mehr. Wie meinen Sie das also genau?
Wir vergleichen die Entwicklung immer mit der schnellen Entwicklung der ersten Internet-Jahre ab 1994. Wir befinden uns verglichen mit der damaligen Zeitrechnung ungefähr im Jahr 1995 – also noch in der Anfangsphase des Internets mit unzähligen Chancen und natürlich auch Risiken. Aber einige der wertvollsten Unternehmen unserer heutigen Zeit haben sich damals formiert. Das hoffen wir natürlich auch mit Sicht auf den Markt der Wearable Technologies.
Das heißt, erst in fünf Jahren werden Wearables wirklich in unser tägliches Leben Einzug halten?
Eine Vorhersage welches Produkt in fünf oder zehn Jahren als Wearable in unserem täglichen Leben Einzug gehalten hat, wird sehr schwer möglich sein. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass uns die Wearables in jeder Lebenssituation begleiten werden. Vor 10 Jahren hätte auch keiner gedacht, dass sich die GoPro durchsetzt – weil sich doch keiner so ein Kästchen auf den Helm schnallt. Heute hat dieses Produkt einen ganzen Markt geprägt, ist schon fast ein Gattungsbegriff und der Gründer ist einer der ersten Milliardäre im jungen Wearables-Markt. Auch mit tiefem Wissen, kann man das nicht 100-prozentig vorhersagen.
Wearables machen Uhrenherstellern Probleme
Ist Apple noch ein Vorreiter wie bei der Applewatch, oder gibt es da schon längst andere Trends?
Der große Vorteil bei Apple ist die Benutzerfreundlichkeit, auch wenn die Akku-Laufzeit sehr gering ist. Aber das ist das Grundproblem in unserer Branche. Die meisten Smartwatches laufen nicht länger als 12, 14 Stunden. Ansonsten hat Apple es geschafft, bei der Usability einen Standard zu setzen. Die Apple Watch hat nicht alleine den ganzen Uhrenmarkt stark verändert, aber in Kombination mit den zahlreichen anderen Smartwatch-Herstellern wie Samsung, Huawei, Sony und vielen anderen hat sich und wird sich der Uhrenmarkt nachhaltig verändern. Beispielsweise ist den USA der Markt für Uhren zwischen 300 und 800 Euro stark eingebrochen und dieser Einbruch von rund 40 % ist den vielen Smartwatches und zum großen Teil natürlich auch Apple geschuldet.
Jetzt müssen die Uhrenhersteller aber auch nachziehen.
Jeder Uhrenhersteller wird in Zukunft eine Smart-Komponente einbauen. Auch wenn es sicher noch die geben wird, die sagen, sie wollen nichts damit zu tun haben. Aber sogar High-End-Hersteller gehen jetzt vermehrt in den Smartwatch Markt. Firmen wie TAG Heuer oder Casio verkaufen ihre Uhren stark, nur noch nicht in Volumen wie die Applewatch. Was aber schon der Fall ist: Apple hat einen signifikanten Erfolg. Nicht im Vergleich zum Smartphone-Umsatz, aber im Vergleich zum Uhrenmarkt.
Aber es gibt doch immer noch eklatante Schwächen wie das fehlende GPS bei der Applewatch.
Auch da ist das Problem die Batterielaufzeit. Das Display braucht alleine schon sehr viel Power. Wenn hier noch ein GPS eingesetzt wird, dann wird die Batterielaufzeit nochmals deutlich reduziert. Außerdem ist die Applewatch so konstruiert, dass sie immer mit dem Handy verbunden ist und dessen GPS-Daten nutzt. Insofern ist in einer Uhr wie der Apple Smartwatch auch ein eigenständiges GPS nicht sinnvoll. In reinen Sportuhren, die auch ohne Smartphone Wegstrecken aufzeichnen sollen, ist dann wieder ein eigenes GPS gefragt. Als Hersteller muss man sich exakt überlegen, welche Anwendungsszenarien der Kunde habe möchte und daran die Bestandteile und Funktionen der Uhr definieren. Theoretisch kann man heute nahezu alle Funktionen in eine Uhr aufgrund der fortschreitenden Miniaturisierung packen – aber dann läuft diese „Super“- Smartwatch eben nur eine Stunde.
Ein großer Renner sind zurzeit Virtual-Reality-Brillen. Haben wir bald alle ein Kästchen vorm Kopf?
In der Gaming Industrie sind die immersiven 3D-Brillen bereits ein fester Bestandteil geworden. Auch erste Trainingsanwendungen im Sportbereich wurden kürzlich mit dem Projekt Icaros auf der ISPO MUNICH gezeigt. Im breiten Massenmarkt muss man erstmal sehen, wie sich das entwickelt und ob das der neue 3-D-Fernseher wird. Unternehmen wie HTC oder auch Facebook investieren bereits viel Geld in dieses Segment der Wearable Technologies. Dieser Markt ist definitiv ein heißes Thema.
Immersive Brillen werden ein Zukunftsprodukt
Da war die Google Glass tauglicher für den Alltag.
Die Google Glass war sicherlich wesentlich alltagstauglicher, jedoch war der Träger immer ein offensichtlicher Träger dieses Produkts. Speziell im Smart-Glass-Markt gehen wir davon aus, dass sich im privaten Bereich Lösungen etablieren werden, die nicht sofort für den Außenstehenden erkennbar sind. Besonders für Nicht-Brillenträger ist die Hürde groß etwas im Gesicht zu tragen. Das ist anders im professionellen Umfeld in dem Schutzbrillen oder andere Arbeitskleidung getragen wird. Aber auch in Sonderfällen wie dem Gaming-Markt, in dem Nutzer gewohnt sind, mit Controllern zu interagieren und Computerspiele für gewöhnlich in den eigenen 4 Wänden gespielt werden, gelten andere Regeln. Eine Geschichte wie die alte Google Glass wird es in dieser Form nicht mehr geben. Neue Lösungen werden von egal welchem Hersteller stark integriert sein und den Nutzer nicht für Außenstehende erkennbar unterstützen bzw. mit augmentierten Informationen versorgen.
Deshalb wächst der Markt der Smart Glasses auch nicht wirklich stark.
Da passiert schon was in dem Bereich und der Markt wird auch nochmal wachsen. Ich denke, dass wir 2018 die zweite Welle an Smart Glasses und Eye Wear sehen werden. Wenn man sieht, was gerade mit den immersiven Brillen passiert: Da rennen grade alle nach vorne. Epson hat das normale Bild auf das Glas gespielt, das wird immer weiter verbessert werden. Aber es kann auch Sensorik in die Bügel integriert werden, es muss nicht immer Head-up Display sein wenn wir von Smart Glasses sprechen.
Bislang versucht jeder Hersteller seine Geräte intelligent zu machen. Wie kann man denn den Wearable-Markt sortieren?
Weil jeder Vermarktungskanal unterschiedliche Margen oder Distributions-Kanäle hat, würde ich den Markt in sechs Kategorien einteilen: Medical, Wellness, Lifestyle & Computing, Sport & Fitness, Industry & Safety sowie Fashion. Das Thema Vermarktung ist für viele Wearables Hersteller noch nicht gelöst. Man kann ein Sportprodukt nicht so einfach im Wellness oder Fashion Markt verkaufen, weil dort einfach andere Strukturen vorherrschen und andere Margen gelten. Viele Wearables Produkte passen jedoch gut zum Sportmarkt besonders aus den Bereichen Fitness und Healthcare.
In zwei weiteren Teilen erklärt Christian Stammel von Wearable Technologies den Mehrwert von Wearables im Sport und wie Sportler mit den kleinen tragbaren Geräten ihre Gesundheit optimieren können.
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