Greta Kreuzer ist beim Gespräch so hochkonzentriert, dass sie ins Schwitzen gerät. Ihr Puls steigt auf Werte über 80, ihre Körpertemperatur um 0,3 Grad. Das kann sie auf ihrem Handy live mitverfolgen, weil die Chefin des Münchner Start-Ups Cosinuss einen ganz besonderen Knopf im Ohr trägt. Das am ehesten an ein Hörgerät erinnernde Wearable Cosinuss One misst im Gehörgang ständig und vor allem höchst zuverlässig wichtige Vitalwerte wie Puls, Sauerstoffsättigung und Körpertemperatur. Diese werden dann per Bluetooth kabellos an ein Gerät der Wahl gesendet.
„Vor allem die kontinuierliche Temperaturmessung über Sensoren ist komplett einzigartig. Bisher ging das im mobilen Bereich kabellos nur über unangenehme Rektalsonden“, sagt Kreuzer. Das neue Wearable überzeugt vor allem Ausdauersportler im Freizeit- und Spitzenbereich, die damit auf den unangenehmen Brustgurt verzichten können. Jan Frodeno, Triathlon-Olympiasieger und Triumphator beim legendären Ironman auf Hawaii, ist so begeistert, dass er sogar bei der weiteren Produktentwicklung mitwirken will.
Olympiasieger Jan Frodeno begeistert von Cosinuss
„Seit jeher musste ich zur Pulsmessung im Training immer einen Brustgurt tragen. Dies ist nun nicht mehr notwendig und durch den kleinen Sensor im Ohr viel genauer. Und zusätzlich zum Puls misst das Wearable auch noch kontinuierlich die Körpertemperatur. Diesen zusätzlichen Messwert werden wir in Zukunft auch noch als wichtigen Parameter zur Analyse verwenden und dadurch das Training bzw. den Wettkampf optimieren. Denn gerade bei extremer Hitze hat die Körpertemperatur einen direkten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit“, sagt Frodeno.
Mehr Messgerät als Lifestyle-Produkt
Die Besonderheit dieses Wearable ist, dass es nicht in erster Linie ein Lifestyle-Produkt wie die populären Armbänder ist, sondern die Funktion des Messgeräts im Mittelpunkt steht. Das macht den Cosinuss One auch für ganz andere Geschäftsfelder interessant. So könnten zum Beispiel die Vitalfunktionen älterer Leute, die daheim statt in Betreuung leben wollen, ohne größere körperliche Beeinträchtigungen kontinuierlich überwacht werden. Übrigens zuverlässiger als mit Pulsuhren oder Fingerclips. Bei einem Schock wird nämlich nur noch der Körperkern durchblutet – dazu gehören die Gliedmaßen nicht. Wohl aber der Kopf, wo der Knopf im Ohr sitzt.
Von der Schwangerschaftsverhütung bis zur Forschung
Eine weitere Einsatzmöglichkeit könnte die Schwangerschaftsverhütung sein – bekanntlich verändert sich in der fruchtbaren Phase die Körpertemperatur der Frau. „Auch die Forschung ist heiß auf unser Produkt und hat es gekauft – ob nun aus dem Bereich Schlafforschung, beim Militär oder der Gehirnforschung. Letztere haben zum Beispiel bei Probanden in jedes Ohr einen Cosinuss One gesteckt – und festgestellt, dass sich die Körpertemperatur ändert, je nachdem, welche Gehirnhälfte beansprucht wird“, berichtet Greta Kreuzer.
Sie hat das Start-Up mit inzwischen zehn Vollzeitkräften und sechs Werkstudenten gemeinsam mit ihrem Mann Johannes seit 2011 aufgebaut. Basis war eine Doktorarbeit des Gründers. Inzwischen macht die Firma einen sechsstelligen Umsatz und arbeitet daran, die bislang ausschließlich über Online-Bestellungen bestehende Nachfrage noch schneller zu befriedigen. Auch wenn der Break Even noch nicht erreicht ist, unterstützen sieben sogenannte „Business Angels“ mit ihrem Risikokapital das junge Unternehmen.
Spektakuläre Entwicklungen in der Pipeline
Dieses hat weitere spektakuläre Entwicklungen in der Pipeline. In einem weiteren Wearable sollen zum Lifestyle-Elemente wie Musik integriert werden, zudem könnte es künftig über die nackten Daten hinaus direkte Handlungsempfehlungen für die Nutzer geben. Greta Kreuzer glaubt daran, dass ihr Unternehmen eine gute Zukunft hat, wünscht sich aber bessere Rahmenbedingungen für Start-Ups in Deutschland: „Es wird sehr viel über Digitalisierung gesprochen, aber es gibt gleichzeitig eine große Angst, neue Sachen auszuprobieren. In Deutschland wird oft zuerst das Problem gesehen, die Grundstimmung muss positiver werden.“ Dann würde sicher auch Greta Kreuzer nicht mehr so oft ins Schwitzen geraten.
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