Klettern ist eine Art etablierter Trendsport, der allein in Deutschland von mindestens 500.000 Menschen betrieben wird. Für das starke Wachstum der ursprünglichen Outdoor-Sportart in den vergangenen Jahren sorgen vor allem die Indoor-Kletterhallen und -wände – allein in Deutschland gibt es inzwischen etwa 500.
Olivier Aubel, vom sportwissenschaftlichen Institut der Universität Lausanne, stellte bei der Premiere des Indoor Climbing Hubs auf der ISPO Munich 2019 weltweite Zahlen zum Trendsport und seiner internationalen Vermarktung vor. Das Wachstumspotenzial des Natursports könnte demnach in neuen Formaten in immer weiter von den Bergen entfernten Regionen liegen. ISPO.com hat seine Erkenntnisse in fünf Thesen und Trends über die Zukunft des Kletterns zusammengefasst.
Indoor Climbing ist ein Trendsport – das beweisen die von Aubel zusammengetragenen Zahlen aus den wichtigsten weltweiten Märkten zweifellos. In den USA stieg die Zahl der neu eröffneten Kletterwände zwischen 2010 und 2017 jedes Jahr zwischen 6 und 13 Prozent. In Frankreich waren es im gleichen Zeitraum zwischen 6 und 24 Prozent per annum. Und den größten Boom gibt es in Deutschland: Dort stieg die Zahl jedes Jahr zwischen 10 und 27 Prozent.
„Deutschland ist der dynamischste Markt, aber das Wachstum wird auch in den nächsten Jahren weltweit weiter gehen. Es gibt noch viele weiße Flecken in Sachen Klettern. Und der Trend ist eindeutig: Je mehr Kletterwände es gibt, umso mehr Menschen finden zum Klettern“, sagt Aubel.
Das Indoor Climbing entfernt sich immer weiter von seinem Ursprung: Das gilt sowohl räumlich als auch vom Aussehen der Kletterhallen. Wurden früher die Wände in Indoor Climbing Arenen möglichst natürlich nachgebildet, entfernen sich heute viele Anbieter immer weiter vom Original. Firmen wie Clip N’Climb haben platzsparende, künstliche Kletterwände entwickelt, die sich problemlos auch in Einkaufszentren aufstellen lassen.
„Andere abgeleitete Formate, die immer populärer werden, sind Ninja Warrior oder Parkours“, erklärt Aubel. Er ist überzeugt, dass das größte Wachstumspotenzial für Indoor Climbing in den Städten fernab der Berge liegt. „Am besten sind verrückte Destinationen wie zum Beispiel Kletterhallen in leerstehenden, alten Fabrikhallen in Industriegebieten. Das lockt viele Leute an, die bisher nicht so viel mit Klettern zu tun haben.“ Wichtig sei eine genaue Geomarketing-Analyse über das bestehende Angebot und die Nachfrage.
Weltweit gibt es unterschiedliche Geschäftsmodelle, wie man Kletterhallen wirtschaftlich gestalten kann. In den USA wird in 74 Prozent der Indoor Climbing Angebote ein Mix aus verschiedenen Angeboten offeriert. Zumeist gibt es neben der Kletterwand wie in traditionellen Studios auch Fitness-Angebote und -Kurse. In Frankreich steht dagegen zu 68 Prozent das Bouldern im Mittelpunkt.
Dort gibt es auch den interessanten Trend, dass Kletterhallen zunehmend mit Restaurants verbunden sind. „Das scheint ein tragfähiges Geschäftsmodell zu sein, dass die traditionellen Akteure künftig gefährden könnte“, sagt Aubel. Er nannte ein Beispiel aus Bordeaux, wo der Restaurantbetrieb etwa 600.000 Euro zu den 800.000 Euro Gesamtumsatz beitrug und so das Kletterangebot wirtschaftlich gestaltet werden konnte. Weitere neue Geschäftsmodelle sind die genannten Angebote von Firmen wie Clip N‘Climb, mit denen das Klettern auch Einkaufszentren, Kinos oder Restaurants erreicht.
2020 feiert Klettern bei den Sommerspielen von Tokio seine Olympia-Premiere. Dabei wird für Frauen und Männer aber jeweils nur eine Goldmedaille für die Kombination aus den Einzeldisziplinen Bouldern, Lead und Speedklettern vergeben. „Olympia wird zweifellos einen großen Einfluss auf die Zukunft des Indoor Climbing haben, weil es viele Millionen Zuschauer auf dem TV sehen werden. Es wird entscheidend sein, wie die Show präsentiert wird“, sagt Aubel.
Essenziell wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg von Kletterhallen ist die Erstbetreuung von Kunden: „Etwa 60 Prozent kommen nur einmal und dann nie wieder in die Halle. Nicht-Kletterer fühlen sich unsicher in der neuen Umgebung, vor allem, wenn sie mit Kindern kommen. Es ist ganz wichtig, sich intensiv um die neuen Kunden zu kümmern und sie zum Beispiel durch Loyality-Programme zu binden“, sagt Aubel.
Zudem brauche es eine effektivere Preisgestaltung und einen einfacheren Zugang, wie Christian Popien als einer der Mitorganisatoren des Indoor Climbing Hubs auf der ISPO Munich erklärt: „Wenn ich mit meinen Kids schwimmen gehe, kann ich mir für 15 Euro eine Zwei-Stunden-Karte kaufen. Beim Klettern gibt es meist nur Tageskarten.“ Auch die Marketing-Strategie müsse sich mit Blick auf Umfragen ändern: Demnach kommen etwa 70 Prozent durch Freunde, Partner oder Familie neu zum Klettern. Genau diese Zielgruppe muss Werbung nicht nur erreichen, sondern auch erfolgreich binden. Hier sollten dann eine gezielte Neu-Kunden-Betreuung und eine entsprechende Preisgestaltung zum Zuge kommen.
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