Zugegeben: Die Idee hört sich ziemlich stark nach Science Fiction an. In Zukunft sollen Roboter unsere Schuhe bauen? Aus der Autoproduktion kennen wir diesen hohen Technisierungsgrad schon, aber wie soll das im Bereich Bekleidung gehen, wo inzwischen binnen kürzester Frist die Materialien, die Designs und die Stückzahlen variieren? In der Bekleidungsindustrie früherer Jahrzehnte ging es immer darum, noch günstigere Produktionsstandorte zu finden, um die handarbeitsintensive Fertigung finanzieren zu können.
Äthiopien, Bangladesch und Myanmar sind heute das neue China, weil die Volksrepublik schon zu teuer geworden ist. Und demnächst soll die Fertigung mitten in Europa rentabel sein? Die Industrie ist davon überzeugt, dass die Speedfactory, wie Adidas die Produktionsstätte nennt, einschlagen wird. Denn die neuen High-Tech Fabriken der Industrie 4.0 werden dank der Digitalisierung und Vernetzung von Produktionsverfahren vollautomatisch gesteuert und deshalb fast ohne manuelle Arbeit auskommen. Zudem könnten sie sauberer und nachhaltiger produzieren.
Adidas-CEO Herbert Hainer nennt das Projekt in der „Welt“ eine „Revolution“. Jetzt sollen die Produktionskosten sinken und die Herstellung wieder nach Europa kommen. „Als ich 1987 bei Adidas angefangen habe, wurde die Produktion gerade nach Asien verlagert", sagt Hainer zur „Welt“: „Jetzt schließt sich der Kreis und die Fertigung kommt zurück.“ Und Hainer hätte sich bei einem Erfolg der Speedfactory zum Abschied im September 2016 ein Denkmal gesetzt.
Eines, das seit 2018 auch preisgekrönt ist: Im April 2018 wurde Adidas für seine Speedfactory mit dem Deutschen Innovationspreis 2018 ausgezeichnet.
Adidas Speedfactory: Produktion vor Ort
Geht es nach Adidas, müssen wir gar nicht mehr lange warten, bis diese Vision Wirklichkeit wird. Mit der Idee der Speedfactory will der Sportartikelhersteller bald in der Lage sein, überall auf der Welt kleine, vollautomatisierte Produktionshubs zu installieren, in denen Schuhe in einem Bruchteil der bisherigen Produktionszeit hergestellt und ausgeliefert werden können. Im Dezember 2015 wurde die erste dieser Produktionsanlagen als Pilotprojekt in der Nähe von Herzogenaurach gebaut. Gemeinsam mit mehreren Partnern aus unterschiedlichen Industrie-Bereichen und mit Unterstützung der Bundesregierung forscht Adidas dort an der neuen Technologie, die mithilfe der Digitalisierung ein vollautomatisches Herstellungsverfahren ermöglichen soll.
„Wir produzieren bereits die ersten Muster“, sagt Gerd Manz, Vice President Future bei Adidas, der das Projekt der Speedfactory leitet. Der erste fertige Schuh soll „im Laufe des Jahres“ der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Zeitlich festlegen will er sich nicht, schließlich startete man praktisch bei null. Manz: „Fast nichts existiert bereits, wir müssen alle Prozesse und Anlagen in der Zusammenarbeit mit unseren Partnern selbst neu entwickeln.“
Ausbau und Export wegen des großen Erfolgs
Derzeit geht es vor allem darum, verschiedene Materialien und Prozesse zu testen. Denn mit der neuartigen Herstellungsmethode werden sich die Materialien ändern müssen. „Wir brauchen in Zukunft andere Materialien als heute. Dabei setzen wir in der Wertschöpfungskette sehr weit vorne an, damit die Basismaterialien, die wir benötigen, in jedem Markt verfügbar sind“, sagt Manz. Den Anfang macht Adidas mit der Entwicklung von Performance-Schuhen, in einem weiteren Schritt soll auch Bekleidung vollautomatisch produziert werden. Das Geschäftsjahr 2016 ist für Adidas ausnehmend gut angelaufen, jetzt soll das erfolgreiche Pilotprojekt der Speedfactory in Ansbach vergrößert werden. Auf nun 4.600 Quadratmeter soll die automatische Schuh-Produktion jetzt anlaufen. Betrieben wird das Projekt mit Adidas-Partner Oechsler Motion GmbH. Bereits jetzt plant Adidas die Expansion der Idee auf den US-Markt.
Adidas: Die Speedfactory spart Produktionszeit
Die Gründe, warum Adidas in ein derartig aufwändiges Projekt investiert, sind vielfältig. Die Speedfactory soll die bestehende Beschaffungskette erweitern und ergänzen, um auch in Zukunft das geplante Wachstum bewältigen zu können. Die konventionelle Fertigung ersetzen sollen sie hingegen nicht. Vor allem geht es darum, die Transportwege zu verkürzen und damit wertvolle Zeit einzusparen. „Wir wollen die technologische Basis dafür schaffen, wie man die Produktion näher zum Kunden bringen kann“, erklärt Manz. „Die neue Generation unserer Konsumenten hat immer weniger Geduld, auf Produkte zu warten. Wir wollen deshalb schnellere Lösungen finden.“
Produktionsprozesse sollen nicht nur beschleunigt sondern gleichzeitig flexibilisiert werden. Das heißt, die Produktion soll wieder genau dort stattfinden, wo sich der Konsument befindet. Dafür soll ein Netz aus vielen kleinen, weitgehend selbstständig agierenden Speedfactories entstehen, die auch regionale Trends mit aufgreifen können.
Die Visionen von Industrie 4.0 verändern unsere Vorstellungen von Arbeit massiv. Handarbeit, so die Idee, wird nach und nach durch vollautomatisierte Herstellungsverfahren abgelöst. Die Fabriken der Zukunft 4.0 sind weitgehend menschenleer. Ganz so weit will Adidas jedoch nicht gehen. „Vollautomatisierung ist nicht unser Ziel“, erklärt Manz. „Wir werden in der Speedfactory auch Menschen in der Produktion beschäftigen, die bestimmte Arbeitsschritte händisch ausführen.“ Ähnlich wie in anderen Bereichen auch sei zwar vieles technisch machbar, kostentechnisch aber nicht immer unbedingt sinnvoll.
Industrie 4.0: Mensch gegen Maschine?
Adidas gehört mit seinem Speedfactory-Konzept zu den Pionieren im Bereich der vollautomatisierten Produktion. Aber das Thema beflügelt längst die gesamte Branche. Damit nicht nur finanzstarke Konzerne wie Adidas von den neuen produktionstechnischen Möglichkeiten der Digitalisierung profitieren können, engagiert sich auch der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie textil & mode und veranstaltet gemeinsam mit dem Forschungskuratorium Textil Workshops und Vortragsreihen zu dem Thema.
„So bald werden wir die Vollautomatisierung der Produktion noch nicht bekommen“, lenkt Dr. Hartmut Spiesecke von textil & mode ein. „Viel früher wird die Durchdigitalisierung der Wertschöpfungskette Realität werden.“ Das heißt, Bestellprozesse und Orders sollen künftig automatisiert ablaufen. Allein das sei schon eine Mammutaufgabe.
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