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Sport funktioniert nicht abgekoppelt vom Rest der Welt

Elias Elhardt und Stefan Ager gehören seit Jahren zur Weltspitze der Freerider. Der eine auf dem Snowboard, der andere auf Ski. Was sie eint: Sie wollen Wintersport anders machen, Freeriden nachhaltiger gestalten. Ein Gespräch übers Erwachsenwerden, Fußabdrücke am Berg – und Zeppeline als klimafreundliche Aufstiegshilfen 


Ihr habt zwei der meistdiskutierten Ski- und Snowboardfilme der Saison veröffentlicht. In „Contraddiction« und »Zeppelin Skiing« geht es auf sehr unterschiedliche Art um die Frage, wie ihr eure Leidenschaft mit größeren Zielen wie Nachhaltigkeit vereinen könnt. Kann das gelingen?

Elias: Die meisten Skifahrer wohnen ja in den Städten und müssen stundenlang in die Berge fahren. Dazu kommt der enorme Energieaufwand, der für den Wintersport nötig ist, allein durch Beschneiung. Wintersport ist also nicht nachhaltig. Die Frage ist aber, wie man damit umgeht. Ist es einem egal? Oder schaut man, was man selber tun kann, damit es nachhaltiger wird?

Stefan: Die perfekte klimaneutrale Lösung gibt es auf die Schnelle sicher nicht. Aber jeder kann besser werden.  Nimm unseren Clip mit dem Zeppelin. Auf die Idee sind wir vor vier Jahren gekommen. Damals wollten wir einen komplett grünen Skifilm machen und haben die Hubschrauber, die ja sonst in Freeride-Filmen üblich sind, durch Heißluftballons ersetzt. Wir haben dann allerdings festgestellt: Heißluftballons kann man leider nicht lenken. Danach sind wir auf die Idee mit dem Zeppelin gekommen. Gut: Da ist jetzt ein leichter Motor wieder im Spiel, wir können also nicht von einem komplett umweltfreundlichen Gefährt sprechen. Aber klimafreundlicher als ein Heli ist der Zeppelin allemal.

Gegenanstieg: Elias Elhardt in seinem Element – unberührtem Tiefschnee
Der 30-jährige Elias Elhardt gehört heute zu den besten Freeridern der Welt. Seit rund 10 Jahren ist er Profi – anfangs vor allem als einer der besten Slopestyler seiner Generation
Bildcredit: Carlos Blanchard / Carlos Blanchard

Wie sind die Reaktionen?

Stefan: Natürlich bekommen wir auch für ein Projekt wie Zeppelin-Skiing negative Kommentare, aber das müssen wir aushalten. Es geht uns ja nicht darum, alles sofort perfekt zu machen. Oder jemandem etwas wegnehmen oder verbieten zu wollen. Aber es besser machen – das wollen wir schon. 

In „Contraddiction“ beschreibst du, Elias, einen Prozess, der dich ganz offensichtlich länger beschäftigt hat. Es geht ums Erwachsenwerden in der Snowboard-Szene.

Elias: Erwachsenwerden trifft es ganz gut. Im Grunde geht es um die Erhaltung der Qualität des Snowboardens, die große Unbeschwertheit, mit der wir aufgewachsen sind.

Stefan: Ja, das war bei mir auch so. Mit 18 war ich in der Schule und hab nur geschaut, wie ich am schnellsten auf den Berg komme. Und wenn es Neuschnee gab, war ich erst gar nicht in der Schule…

Unsere Filme sind eine Chance, neue Narrative zu kreieren. Ich glaube, das ist der größte Beitrag, den wir leisten können

Elias: Aber irgendwann merkst du: Das reicht nicht mehr. Gesellschaftliche Themen sind für mich auch überhaupt nicht neu, damit habe ich mich schon immer auseinandergesetzt. Das lief aber in zwei parallelen Welten. Und dann kam der Punkt, an dem ich gemerkt habe, dass ich eine Verbindung schaffen muss aus den Themen, die mich beschäftigen und dem, was ich im Snowboarden darstelle und lebe. Das war der Auslöser, Contraddiction zu machen. Im Prinzip habe ich einen Traumberuf. Aber ich habe einfach mehr Substanz gebraucht. Wenn ich, wie früher, nur und ausschließlich Snowboarden würde, wäre ich nicht erfüllt.

Zeppelin statt Heli: Nachhaltig in die Berge
Der Moment der größten Anspannung: Stefan Ager und sein Team mussten sich über dem Gipfel abseilen – mit 50-Meter-Seilen, direkt aus dem Zeppelin   
Bildcredit: Mirja Geh/Red Bull Content Pool / Mirja Geh/Red Bull Content Pool
Bildcredit: Mirja Geh / Red Bull Content Pool / Mirja Geh / Red Bull Content Pool

Können Ski- oder Snowboardfilme mehr bieten als atemberaubende Bilder?

Elias: Sportfilme sollen zuallererst einmal Spaß machen. Aber wir haben eine große Plattform, die sollten wir nutzen. Unsere Filme sind eine Chance, neue Narrative zu kreieren. Ich glaube, das ist der größte Beitrag, den wir leisten können.

Ihr bewegt Euch viel in der Natur. Was hat sich geändert, seitdem ihr vor 20 Jahren angefangen habt?

Stefan: Ich sehe das natürlich an den fünf Gletschern, auf denen ich regelmäßig unterwegs bin. Die sind massiv geschrumpft, nicht erst in den vergangenen Jahren.

Elias: In den Skigebieten im Allgäu, in denen ich aufgewachsen bin oder hinterm Haus, wo ich Snowboarden gelernt habe, da ist ausreichend Schnee nicht mehr selbstverständlich. Aber es ändert sich auch das gesellschaftliche Klima. Wir sind ja damals in einer total unpolitischen Zeit aufgewachsen. Aus der heutigen Sicht finde ich das schade. Umso besser, dass jetzt gerade die junge Generation aktiv wird. Sport funktioniert ja nicht abgekoppelt vom Rest der Welt. Also müssen wir uns auch in den Filmen, die wir machen, mit diesen Themen beschäftigen.

Elias Elhardt und Stefan Ager
Stefan Ager (links) und Elias Elhardt geht es nicht darum, sofort alles perfekt zu machen. Aber sie sind davon überzeugt, dass vieles besser werden kann, wenn man sich selbst hinterfragt – gerade als Freeride-Profi
Bildcredit: Hans Herbig / Hans Herbig

Stefan, ihr seid schon lange vor Fridays for Future mit dem Heißluftballon unterwegs gewesen und habt Euch um einen nachhaltigen Ansatz bemüht. Ist das inzwischen ein Trend in der Szene?

Stefan: Zumindest ein Thema. Unseren Film »Heimschnee« haben wir komplett in Tirol gedreht, mit all den Spots und Elementen, für die wir vorher in der Welt herumgeflogen sind. Dabei haben wir Skidoos und Helis weggelassen und sind eben mit Schlittenhunden losgezogen oder mit dem Heißluftballon gelandet. Die Kern-Message für uns war, dass wir den gleichen Output auch vor der eigenen Haustüre schaffen können, allerdings mit einem dramatisch kleineren ökologischen Fußabdruck. Auch im Allgemeinen sieht man einen riesigen Trend zum Skitourengehen – und ich glaube, das ist kein Zufall. Allein bei uns in Tirol hat sich die Zahl der Skitourengeher in den letzten Jahren sicher verzehnfacht. Die Leute suchen immer mehr das Einfache, suchen wieder Ruhe beim Bergaufgehen und belohnen sich dann mit einer schönen Abfahrt.

 

»Contraddiction« ist ein Film über Snowboarden, Erwachsenwerden auf dem Brett – und die Frage, wann die eigene Begeisterung zerstörerisch wird

In Contraddiction gibt es ein paar harte Gegenschnitte. Hier die einsamen Weiten, dort der Massentourismus am Berg. Wäre in der freien Natur überhaupt Platz für all die Menschen?

Elias: Darum geht es nicht. Ich finde Ballungsgebiete nicht grundsätzlich schlecht, die sind auch ein Teil der Berge. Es ist eine lustige Erzählung, dass der Berg die reine Natur sei und jede Besiedlung der krasse Gegensatz. Das ist alles Kulturlandschaft, die seit Jahrhunderten bewirtschaftet wird. Es kommt vielleicht auch aus einer eher städtischen Perspektive, die aus der Distanz vieles verklärt. Wir müssen uns aber grundsätzlich fragen, wie wir zusammenleben und wie wir auch diese Gebiete nutzen wollen. Ich glaube nicht, dass ausufernder Massentourismus in den Alpen nachhaltig sein kann. Andererseits erleben wir eben auch, dass Gebiete, die nicht touristisch genutzt werden, aussterben – was wir ja auch nicht wollen.

Wir leben davon, Skifilme zu machen. Du musst etwas Besonderes bieten, damit Du überhaupt überleben kannst
Zurück am Boden der Tatsachen – im Brandnertal
Stefan Ager hob zusammen mit Andreas Gumpenberger und Fabian Lentsch in Friedrichshafen ab. Ziel der Zeppelin-Fahrt: Der 2233 Meter hohe Kleine Valkastiel im Brandnertal – und die unverspurten Nordhänge unterhalb des Gipfels  
Bildcredit: Mirja Geh/Red Bull Content Pool / Mirja Geh/Red Bull Content Pool

Was kann der einzelne Wintersportler tun damit wir in 20, 30 Jahren noch Skifahren können?

Stefan: Wichtig ist das Bewusstsein, dass auch durch kleine Dinge schon was verändert werden kann. Das beginnt bei kleinen Sachen, dass man wann immer es geht mit dem Fahrrad fährt, mit dem Zug in die Berge reist oder zumindest Fahrgemeinschaften bildet.

Elias: Das sind sicher nur kleine Beiträge. Sie schärfen aber dein Bewusstsein. Und dann bist du auf einmal auch bereit, größere und dann die ganz großen Veränderungen zu unterstützen.

Stefan: Und sei es, dass man sich dafür einsetzt, dass das Skigebiet X im Schutzraum eben nicht ausgebaut wird. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht immer so wirkt – der einzelne Mensch hat die Möglichkeit, seinen Teil beizutragen. Wir leben davon, Skifilme zu machen. Da musst du etwas Besonderes bieten, damit Du überhaupt überleben kannst. Früher ging es um größere Sprünge, wildere Abfahrten, dann hattest du gewonnen. Mittlerweile erzählen wir Geschichten. Man muss irgendwas interessantes Neues bieten. So wie mit dem Zeppelin schaffst Du es dann wieder. Das ist ein Bild, das um die Welt geht.

Zwei Jahre Vorbereitung bis zum Ziel: Mit einem 75 Meter langen Zeppelin startete das Team am Bodensee, von dort ging es fast 1800 Höhenmeter hinauf

Bei der European Outdoor Film Tour EOFT sehen in etwa 250.000 Menschen eure Filme. Was wollt ihr denen mitgeben?

Stefan: Dass sie Spaß haben und noch mehr Lust auf ihren Sport. Und hinterher vielleicht ein wenig bewusster an die Sache herangehen.

Elias: Die Leute, die über den Wintersport viel unterwegs sind, die haben einen großen Hebel. Gerade deshalb müssen wir darüber reden, was wir hier eigentlich machen – und wie wir es machen. Wenn wir einen Diskurs mit anschieben, das wäre gut.