„Sharing is Caring“ – Die These, dass Teilen im Prinzip eine gute Sache ist, hat sich im letzten Jahrzehnt in unserer Gesellschaft wieder nachhaltig durchgesetzt. Und tatsächlich, vieles wird mittlerweile im öffentlichen Raum geteilt: Autos, Fahrräder, Bahntickets - und sogar Regenschirme gibt es für einen bestimmten Betrag und Zeitraum von einem Unternehmen zur Verfügung gestellt.
Die Vorteile liegen auf der Hand. Die Kosten für Anschaffung und Wartung fallen für die Privatperson weg, im Falle von Fahrrädern und Autos erhöht sich die Mobilität.
In China startet nun der neuste Trend des „Sharing is Caring“-Prinzips: Mikro-Fitness-Studios.
Auf rund vier bis zehn Quadratmetern bieten Unternehmen wie Misspao, LePao oder Douba den Fitness-Begeisterten in Beijing, Shanghai und Chengdu rund um die Uhr die Möglichkeit, ihr Workout in einem klimatisierten Pod abzuhalten. Bis Ende 2017 soll es rund 1000 der Mikro-Gyms geben.
Die Ausstattung variiert zwischen Pods mit oder ohne Dusche, Laufband mit Fernseher, Rudermaschinen oder Spinning-Rädern. Zudem wird die Luft gefiltert – in Chinas versmoggten Großstädten ein unfassbares Plus. Die Scheiben der Pods können verdunkelt werden. Doch der wohl größte Clou der Mikro-Gyms ist die Bezahlung.
Die Nutzung wird Minuten genau abgerechnet, bezahlt wird – wie so oft in China – mit dem Smartphone. Im Falle von Misspao kostet eine Minute 0,2 Renminbi, umgerechnet rund drei US-Cent, hinzu kommt noch eine Kaution von 15 Dollar, die nach Gebrauch natürlich rückerstattet wird.
Die Pods können über eine App gefunden und gebucht werden. Sobald die Bezahlung via WeChat oder Alipay erfolgt ist, kann der Pod mittels eines zugesandten QR-Codes geöffnet werden.
Misspaos Investoren ist das Projekt in zwei Finanzierungsrunden 11,4 Millionen Dollar wert, und die Erfolgsaussichten für dieses neue Fitnessprodukt sehen soweit recht positiv aus. Die Fitness-Industrie in China hat sich über die vergangenen Jahre aufgrund der immer reicher – und auch dicker – werdenden Mittelschicht rasant entwickelt.
Zwischen 2011 und 2016 hat sich der Markt für Fitness- und Gesundheitsstudios jährlich um 11,8 Prozent vergrößert und 2016 rund 5,81 Milliarden Dollar umgesetzt (Studie: Ibis World Market Research).
Ein Vorteil der Mikro-Pods gegenüber herkömmlichen Fitness-Studios ist die überschaubare Preisstrategie der Mini-Fitnessstudios. Denn auch wenn die Mitgliederzahlen in Chinas 70 Großstädten seit 2011 pro Jahr um rund vier bis fünf Millionen Sportler gestiegen sind: Die jährlichen Kosten von 2000 bis 15000 RMB (300 bis 2300 Dollar) für eine Mitgliedschaft sind vielerorts nach wie vor Luxus.
Das monatliche Durchschnittseinkommen liegt in China aktuell bei circa 6500 RMB, Millennials, die im Falle der Mikro-Gyms die Hauptzielgruppe sind, dürften in den meisten Fällen wohl darunter liegen. Neben den finanziellen Aspekten dürfte der Faktor „saubere Luft“ gerade in Beijing ein wichtiges Verkaufsargument sein.
Nachfrage? Vorhanden. Angebot? Geschaffen und einsatzbereit. Was steht dem großen Geschäft also noch im Wege? In gewisser Weise das Prinzip „Sharing is Caring“. Denn so gut die Idee des Teilens auch ist, manche Menschen vergessen ihre guten Manieren, wenn der benutzte Gegenstand nicht zum Eigentum des Individuums gehört.
Kurz formuliert: Vandalismus im besten Fall, Diebstahl im schlimmsten. Dass diese Ängste nicht ganz unberechtigt sind, zeigen die Beispiele der Fahrradverleiher Mobike und Ofo. Tausende Räder wurden entweder vor Ort zerlegt, geklaut oder einfach in Gräben oder Flüsse geworfen. Der Regenschirm-Verleih E Umbrella beklagte allein in den ersten drei Monaten den Verlust von 300.000 Regenschirmen in elf chinesischen Städten.
Sollten all diese Hürden doch erfolgreich genommen werden, gibt es noch ein letztes Bedenken der Betreiber: Werden die Pods wirklich nur für Workouts genutzt?
Nochmal zur Erinnerung, die Fenster sind verdunkelbar, um maximale Privatsphäre zu garantieren...
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