Knapp 47 Millionen Fans auf Facebook. 12,8 Millionen auf Instagram. 5,6 Millionen auf Twitter. Dazu Reichweiten von 10 Millionen Zugriffen monatlich über die Webseite und 12 Millionen über die App – der FC Bayern München erreicht weltweit eine riesige Community. Im Juli 2018 toppen weltweit nur noch Real Madrid, der FC Barcelona, Manchester United und der FC Chelsea die Social-Media-Zahlen des FC Bayern.
Mit diesen Massen, die der deutsche Fußball-Rekordmeister dank der digitalen Transformation bewegt, kann gewiss nicht jede Brand in der Sportindustrie mithalten. Und der gewöhnliche Sporthandel schon mal gar nicht. Und doch können beide Seiten, Industrie und Handel, das ein oder andere lernen von der Digitalstrategie des FC Bayern – wie die Vorträge von Mediendirektor Stefan Mennerich und Digital-Stratege Benjamin Stoll auf dem ISPO Digitize Summit zeigten.
In Zeiten explodierender Fußball-Märkte mit Ablösesummen im dreistelligen Millionenbereich sind die Chancen, die sich durch die Digitalisierung ergeben, längst zum entscheidenden Wirtschaftsfaktor geworden. Und doch „steht die Monetarisierung bei uns ganz am Schluss in der Kette“, wenn es um die Beziehung zu den Nutzern geht, erklärt Mediendirektor Stefan Mennerich. „Reichweite ist die Basis von allem“, sagt der Medienchef, „und die erzielen wir mit relevantem Content.“
Relevant bedeutet aus Sicht des FC Bayern vor allem: exklusiv. Längst ist der FC Bayern zu einem eigenen Medienhaus geworden, das auf seinen Kanälen an 365 Tagen rund um die Uhr 360 Grad Content produziert. Dazu gehört nicht nur der eigene Fernsehkanal fcb.tv., 30 Social Media-Plattformen bedienen die Münchner, sie haben international Redaktionen aufgebaut (u.a. in New York und Shanghai, auch in Indien und Russland). „Wir haben weltweit Redaktionen aufgebaut, weil wir immer versuchen, authentischen Content auf allen Märkten zu liefern und die Menschen vor Ort am besten wissen, was die Fans dort wollen“, sagt Stefan Mennerich.
Aller Internationalität zum Trotz: „Wir müssen immer versuchen, unsere Wurzeln im Auge zu behalten. Wir müssen die Leute weltweit erreichen, aber wir müssen die DNA unsere Marker wahren“, sagt Mennerich. „Wir dürfen nie vergessen, wer wir sind und wo wir herkommen. Der erste Post, der unsere Wurzeln verleugnet, würde unserer Marke schaden.“
In zwölf verschiedenen Sprachen gibt es mittlerweile Facebook-Accounts des FC Bayern. „Und dann gibt es noch diese eine weltweit relevante Sprache“, sagt der Medienchef: „GIFs“. In der Präsentation auf der ISPO Digitize zeigt der Medienchef GIFs, auf denen Superstar Frank Ribéry ein Herz mit den Händen formt, Thomas Müller in Krachledernen Schuhplattler tanzt und die Spieler den Meistertrainer Jupp Heynckes auf Händen trägen.
„Bei uns dreht sich alles um Emotionen. GIFs sind die neue globale Weltsprache“, sagt Bayern-Digitalstratege Benjamin Stoll. Stefan Mennerich drückt es so aus: „Die Emotionen rennen bei uns auf 22 Beinen rum.“
Beispiel für diese spielerische Mischung aus Exklusiv-Content und GIF-Sprache: Als Mats Hummels beim Einstieg in den Mannschaftsbus seinen Pappbecher voll mit Kaffee beim Einstieg fallen ließ und den Kaffee verschüttete, gab es zig Content-Ideen dazu, von Videos über GIFs – an deren Ende eine Conversion in den FC Bayern Shop mit einer Kaffee-Thermoskanne.
Auf der GIF-Suchmaschine Giphy hat der FC Bayern inzwischen 1400 Inhalte hochgeladen und damit über 737 Millionen Views erzielt. „Damit sind wir in Deutschland der erfolgreichste Markenkanal und international der Fußballverein mit den meisten Views“, sagte Bayerns Social Media Chef Felix Loesner dem Magazin „Business Punk“. Und: „Grundsätzlich gilt für uns: In der Kürze liegt die Würze und Bewegtbild vor Bild vor Text."
Mit diesen GIFs schafft es der FC Bayern 4.0 vor allem auch, seine Fans zu Reaktionen zu bewegen. Sie werden millionenfach mit Likes versehen, kommentiert und vor allem geteilt. „Die Reichweite alleine ist nichts wert“, sagt Mediendirektor Mennerich, wirklich wertschöpfend für die Nutzerbeziehung sei das Engagement. „Die User müssen zu uns eine Beziehung aufbauen, wir müssen sie interagieren lassen“, ergänzt Benjamin Stoll.
Wie aber lässt sich die Beziehung zu den Usern ausbauen? Ein Beispiel: Der FC Bayern hat im vergangenen Winter seinen ersten Hackathon ausgerichtet. Benjamin Stoll präsentierte auf dem ISPO Digitize Summit die Fakten zum FCBayernHackdays.
- 226 Teilnehmer aus 43 Nationen ausgewählt aus über 1300 Bewerbern
- Innovativer Ansatz für Kollaboration, Co-Creation, Ideation und Generierung neuer Fanerlebnisse
- Kollaboration und Ideen-Austausch mit führenden Experten von Google, Facebook, Copa90 etc
- 46 Ideen und Prototypen, dafür 5-6 „mit einem Riesen-Potential“ (Stoll)
- Innovatives Sprungbrett für Fan-Engagement
„Jeder darf Vorschläge machen, jeder wird gehört, Fehler werden toleriert“, so beschreibt Stefan Mennerich das Klima in der digitalen Unit des FC Bayern. Digitalstratege Benjamin Stoll ergänzt: „Digital zu denken, bedeutet bereit zu sein, Fehler zu machen und davon zu lernen. Und mutig zu sein, also Experimente zu machen.“
Zu den Experimenten, die durchaus erfolgreich waren, zählt Stoll die „Augmented Reality“-Funktion, die der FC Bayern auf seiner App integriert hat. Ein Experiment, bei dem sich die Fans Arjen Robben oder Manuel Neuer mit Hilfe von AR ins eigene Schlafzimmer holen oder mit ihnen an jedem noch so entlegenen Ort der Welt posieren können – virtuell.
Ab der Saison 2018/19 können sich Fans zudem über die Vereins-App große Szenen der Vereinsgeschichte aufs Handy holen, wenn sie mit der Handy-Kamera die von den Bayern-Fans selbst gestalteten Porträts von Bayern-Legenden ins Visier nehmen.
So wie der Content und die Reichweite beim FC Bayern steht, das Engagement und der Ausbau der Beziehung zu den Usern folgen, steht die Monetarisierung am Ende dieser Kette, wie Stefan Mennerich erläutert: „Erst wenn sich die User bei uns registriert haben, wenn sie zu regelmäßigen Besuchern werden und sich engagieren, können wir ans Monetarisieren denken.“
Mit dem FC Bayern München Digital & Media Lab wurde nun eine eigene Tochtergesellschaft gegründet, der Mediendirektor Stefan Mennerich als Geschäftsführer vorsteht. „Wir bauen anderen Klubs die IT, geben ihnen digitale Beratung, entwickeln die Plattformen technisch weiter, auch für Kunden außerhalb des Sports.“
Warum der FC Bayern 4.0 die klassischen Felder verlässt, erklärt Stefan Mennerich so: „Die Marke FC Bayern ist so groß, dass wir sie über Digitalisierung diversifizieren müssen. Wir werden auch als Agentur auftreten. Das ist der Weg, wie wir weiter wachsen können. Die klassischen Einnahmen von Sponsoring und TV-Einnahmen sind irgendwann ausgeschöpft, wir gehen weitere Geschäftsfelder an.“
Nach allen Social Media Plattformen nimmt der FC Bayern nun das Thema AR und VR, Blockchain und Drohnen in Angriff. „Was da sonst noch alles kommt, weiß ich heute nicht“, sagt Mennerich, „aber wir werden uns jeden Tag ins Zeug legen, immer etwas Neues zu machen."
Für Bayern-Mediendirektor Stefan Mennerich charakterisiert sich ein digitales Mindset so: „Die digitale Transformation ist eine ewige Beta-Phase.“
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