Die Journalistin und Bergsportlerin Petra Thaller wurde im Januar 2015 mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert. Aus dieser Krise heraus entwickelte die Powerfrau das Projekt Outdoor Against Cancer. Heute betreibt die Organisation nicht nur Aufklärung, sondern gibt regelmäßig Sportstunden und organisiert „Outdoor-Events“ für Krebspatienten. Der promovierte Sportwissenschaftler Thorsten Schulz entwickelte eine spezielle Trainerausbildung für Outdoor Against Cancer-Trainer.
Im Interview mit ISPO.com im Rahmen der OutDoor by ISPO sprechen Thaller und Schulz darüber, wie Sport und Bewegung bei Krankheiten helfen können.
ISPO.com: Frau Thaller, wie kamen Sie auf die Idee Outdoor Against Cancer?
Petra Thaller: Ich war damals während meiner eigenen Chemotherapie auf Skitour mit einem Freund. Der hat damals zu mir gesagt: „Wir könnten ja mit anderen Patienten auch auf Skitour gehen.“ Erst war ich etwas unentschlossen, konnte aber nicht aufhören darüber nachzudenken. Natürlich habe ich gezögert, weil ich selber in einer Chemotherapie war. Ich hatte kurz vorher eine GmbH gegründet und viel Geld investiert.
Da überlegt man zwei Mal, ob man sich noch etwas ans Bein schrauben will. Aber es hat sich schnell gezeigt, dass dieses Ding einfach so wichtig ist für Europa und letztendlich auch für die Welt. Nach dem zweiten Chemo-Zyklus wusste ich dann, dass ich das unbedingt machen will. 2017 habe ich beschlossen meine GmbH zu schließen und nur noch Outdoor Against Cancer zu machen.
Für Patienten oder Angehörige ist es einfach wichtig, dass sie sich treffen, ohne diesen Selbsthilfe-Charakter. Die treffen sich draußen und machen einfach gemeinsam Sport.
Inwiefern hat Ihre Krebserkrankung Sie dabei beeinträchtigt?
Thaller: Meine persönliche Situation war keine Hürde. Das war halt einfach so und da muss man durch. Ich habe immer gesagt: ‚So eine Krebserkrankung ist für mich wie eine Schwangerschaft.‘ Ich habe ganz am Anfang gefragt: ‚Wie lange dauert denn der Scheiß?‘ Darauf war die Antwort: ‚Zehn Monate müssen sie schon rechnen, evtl. ein Jahr.‘ Ich dachte mir: ‚Ich habe zwei Kinder, das waren 18 Monate Schwanger-sein, also bekomme ich das auch hin.‘
Meine Familie ist immer sehr besorgt, dass ich zu viel arbeite und mich zu sehr übernehme (lacht). Aber meine Tochter ist mittlerweile auch eingestiegen. Meine Familie brennt für das Thema und unterstützt mich auch.
Herr Dr. Schulz, in ihrem Vortrag ging es um das Thema „Bewegung gegen Krankheiten“. Wo besteht hier der Zusammenhang?
Thorsten Schulz: Um das zu erklären, muss ich etwas ausholen. Gesundheit ist etwas, das uns von der Evolution in die Wiege gelegt wurde. Wir haben genetische Abwehrmechanismen, die gegen Krankheiten vorgehen. Außerdem sind wir darauf gepolt, dass Bewegung zum Leben dazugehört. Das fängt schon damit an, dass ein Spermium mit einer Eizelle interagieren muss.
Die Entwicklung eines Organismus entsteht also nur durch Bewegung. Zudem gibt es unzählige wissenschaftliche Studien, die belegen, dass Bewegung dem Körper gut tut.
Welche konkreten, gesundheitlichen Vorteile bringt Bewegung?
- Der Herzkreislauf wird durch jegliche Art der Aktivität gestärkt. Sowohl durch Kraft-, als auch durch Ausdauertraining. Die Physis insgesamt wird besser, der ganze Körper wird gestärkt.
- Das Immun-Abwehrverhalten wird besser. Durch jede körperliche Aktivität wird unser Abwehrsystem nochmal aktiviert. Zwar nur für eine kurze Zeit, aber während dieser Phase ist es eben noch ein wenig aktiver.
- Der dritte ganz wesentliche Aspekt ist die emotionale Verbesserung, ein verbessertes Lebensgefühl. Das hat etwas mit Hormonen zu tun und mit dem Gefühl, dass man was geleistet hat. Wer emotional besser drauf ist, fühlt sich auch körperlich besser und andersherum.
Ab wann kann man von „zu viel Sport“ sprechen?
Das ist immer davon abhängig, wie gut jemand schon trainiert ist. Auch davon, wie die körperliche und geistige Grundkonstitution ist. Wenn der Geist noch anderen Belastungen ausgesetzt ist, ist es für den Organismus häufig schneller „zu viel“. Normalerweise hat der Körper Alarmsignale, die er aussendet um zu verdeutlichen ‚Ich regeneriere‘.
Diese Signale können eine Form der Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, ein Anstieg der Pulsfrequenz oder der Herzfrequenz sein. Es gibt eine ganze Menge an objektiven und subjektiven Parametern, die man da wirklich messen kann.
Die Antwort auf die Frage nach dem „zu viel“ ist schwierig. Die Frage ist eher, kann der Körper noch die Signale erkennen?
Wie meinen Sie das?
Gesellschaftlich werden wir leider häufig so erzogen, dass wir auf die körperlichen Signale gar nicht mehr hören, weil wir sie gar nicht mehr voll spüren. Eigentlich lernt man diese Signale von Kind auf kennen, man geht raus, bewegt sich, spürt das Schwitzen und lernt seinen Körper kennen.
Viele werden aber von Eltern überall protektiert, damit man auf jeden Fall immer gesund bleibt. Und das bewirkt dann genau das Gegenteil. Immer mehr Eigenverantwortung wird weggenommen und dieses körpereigene Gefühl ist dann das, was einem Erwachsenen am Ende fehlt.
Sodass man nicht mehr selbstbestimmt sagen kann: „Hier ist auch mal Schluss.“ Wenn das richtig gemacht werden würde, dann würde dieses „zu viel“ gar nicht eintreffen, es sei denn, der Organismus ist schon geschädigt.
Frau Thaller, welche Projekte stehen als nächstes mit Outdoor Against Cancer an?
Thaller: Wir haben hier in München den ersten „Nighthike“ gemacht. Der war super erfolgreich. Das ist etwas, was wir Anfang November in ganz Deutschland und Österreich starten wollen und ab 2020 in allen anderen EU-Partnerländern von Outdoor Against Cancer.
Auch unser Trainernetzwerk an der TU München wollen wir ausbauen. Thorsten hat ein Trainerprogramm entwickelt. Bereits zertifizierte Trainer können sich weiterbilden, damit sie mit Krebspatienten draußen Sport machen können. Wir versuchen ein großes Netz an Trainern auszubauen. Wir wollen auch einen weiteren Förderantrag bei der EU stellen.
Wir sind jetzt am Anfang und das wollen wir untermauern, damit es auch weitergeht. Denn wir wollen nachhaltig und langfristig arbeiten. Das ist unsere Mission.
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