Franz Föttinger brachte die Stimmung in der Wintersport-Branche auf den Punkt. „Wir haben gelernt, dass wir alle in einem Boot sitzen. Wir können diese Krise nur gemeinsam bewältigen“, erklärte der CEO von Fischer Sports. In dieser Einschätzung der aktuellen Situation herrschte bei den hochkarätig besetzten Online-Diskussionen am Auftakttag der ISPO Munich Online absolute Einigkeit.
Nicht nur die Sport-Marken und -Händler müssten beim geplanten Restart des Wintersports an einem Strang ziehen, auch die Tourismus-Wirtschaft, Hoteliers, Liftbetreiber oder Skilehrer seien in einer gemeinsamen Anstrengung gefordert.
Derlei Appelle gibt es in der (Winter)Sport-Branche schon seit vielen Jahren, doch die Chance auf die Kooperation aller Player war noch nie so groß. Der Leidensdruck macht es möglich: Etwa 30 Prozent des Umsatzes – das sind etwa drei Milliarden Euro – sind im europäischen Wintersport-Business durch die Corona-Pandemie weggebrochen.
Diese Zahl verkündete Stefan Herzog, Präsident des Verbandes Deutscher Sportfachhandel (VDS) und dessen europäischen Pendants FEDAS. Um die Zusammenarbeit aller Beteiligten zu koordinieren, setzt Herzog auf die ISPO: „Wir brauchen eine Plattform und die ISPO hat bewiesen, dass sie dafür perfekt geeignet ist.“
Mit Blick auf die Lockdown-Maßnahmen in fast ganz Europa ist ein echter Restart des Wintersports wohl erst im nächsten Winter zu erwarten. Einen möglichen Zeitplan für den Neubeginn stellte Ralf Roth, Professor an Deutschen Sporthochschule Köln in seinem Impulsvortrag vor.
Es werde „ein bis zwei Jahre dauern, bis die Ausgangssituation vor Corona wieder erreicht wird“, aber insgesamt gebe es große Chancen: „Es wird erhebliche Nachholeffekte geben. Vor allem im Ski-Alpin-Bereich, aber auch beim Tagestourismus oder den Skischulen.“ Die Vielgestaltigkeit im Wintersport werde sich weiter erhöhen.
Laut Roth seien in der Corona-Pandemie auch urbane Räume wie die stadtnahen Rodelberge zu Spielflächen geworden. Die Bewegung im Schnee werde als dringend benötigter Alltags-Reset und Stress-Abfederung genutzt.
Auch die Zahl der Skilanglauf-Nutzer in den Wintersportgebieten stieg im zweiten Corona-Winter um etwa 30 Prozent: „Wir haben die mit Abstand nutzungsstärksten Wochen der letzten Jahre erlebt.
Auf die veränderte Nachfrage müsse sich die Sport-Branche einstellen. Genau wie auf die jetzt nötigen Transformationsprozesse. „Das Thema Emotionalisierung ist besonders wichtig. Nicht die Anzahl der Anlagen, sondern die Bilder, die im Kopf der Menschen entstehen“, so Roth.
Auch in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Qualität, Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder innovative Produkte müssten die Player ihre Hausaufgaben machen.
In Sachen neuer Produkte sei es laut Intersport-Vorstand Frank Geisler jedoch wichtig, „nur echte und keine Fake-Innovationen“ zu präsentieren. Zudem müsse sich die Branche zu ihren Wurzeln zurückkehren: „Wir müssen uns darauf besinnen, dass Wintersport in erster Linie realer Sport in der Natur und keine Party ist.“
Wenn alle Beteiligten kooperieren würden ist Geisler überzeugt, „dass wir zu den erfolgreichsten Industrien nach der Pandemie gehören werden.“ Vor allem wenn es gelingt, die Wichtigkeit des Wintersports für die „physische und mentale Gesundheit“ (Föttinger) noch stärker in den Mittelpunkt zu rücken.
Es müsse gelingen, so Stefan Herzog, die Menschen und speziell die Kinder aus der virtuellen Welt wieder nach draußen zu holen. Dafür brauche es eine konzertierte Aktion. Bei der ISPO rennt er damit offene Türen ein.
Tobias Gröber, Head of Consumer Goods bei der Messe München: „Netzwerke und die Verbindung der Stakeholder sind wichtiger denn je. Nur so können wir auch gemeinsam die Politik davon überzeugen, wie wichtig das Thema Sport auch in Verbindung zur Gesundheit ist. Wir laden jeden ein, an diesem Prozess teilzunehmen.“
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