Matthias Schulte, Geschäftsführer bei der Tradebyte Software GmbH, ist Experte für alles, was mit digitalem Handel und digitalen Marktplätzen zu tun hat.
Im Interview mit ISPO.com gibt er einen Überblick, was Händler über E-Commerce wissen müssen und welche Trends für den Verkauf im Internet am wichtigsten sind. Auch auf dem ISPO Digitize Summit ist er als Experte vertreten.
ISPO.com: Herr Schulte, was sind derzeit die wichtigsten Trends für Händler und Marken im Bereich E-Commerce und digitaler Handel?
Matthias Schulte: Da gibt es natürlich eine Menge, das sich derzeit auftut – von AI über Voice Shopping bis hin zu Machine Learning. Wirklich prägende Trends für den Handel aus meiner Sicht sind jedoch: Omnichannel oder die nächste Stufe davon, der „No-Line-Commerce“, der das Erlebnis der Konsumenten unabhängig von Einkaufsorten oder Kanälen sieht.
Und natürlich der Plattform-Trend. Hier geht es vor allem um die nahtlose Vernetzung von Sortimenten, Verfügbarkeiten über die gesamte Lieferkette - vom Hersteller bis hin zum Händler – und um die kundenzentrierte Ausgestaltung von Angebotsportfolios.
Multi-Channel, Cross-Channel-Verkauf, Omni-Channel und No-Line-Commerce. Können Sie diese Vertriebs-Definitionen kurz abgrenzen und erklären, wie ein zeitgemäßer Vertrieb heutzutage aussieht?
Ich denke, eine detaillierte Abgrenzung würde den Rahmen sprengen. Man kann die Begriffe aber fast chronologisch so in Reihe setzen und daran vor allem zwei Markt-Entwicklungen festmachen: Erstens nimmt der Irrglaube der Kannibalisierung (also etwa, dass Online-Kunden den Offline-Kunden Umsätze wegnehmen) von links nach rechts ab.
Bei No-Line-Commerce gibt es das also gar nicht mehr, es steht der Konsument im Vordergrund, der unabhängig von Kanälen oder sonstigen unternehmerischen Sichtweisen erreicht werden will. Zweitens nimmt die IT-Komplexität und die Vernetzung der System- und Prozesswelten zu. Die ersten Ansätze im E-Commerce waren ja „wir haben auch einen Webshop“ und zu diesem Zeitpunkt wurden separate Inseln für Online-IT und deren Prozesse geschaffen.
Der No-Line-Commerce setzt vernetzte Systemwelten voraus, um beispielsweise die Rücknahme eines online gekauften Artikels auch offline zu ermöglichen, was natürlich beides – die Attraktivität aber leider auch die Komplexität – erhöht.
Viele kleine Hersteller und Mittelständler haben längst nicht die Ressourcen, um sich in kurzer Zeit digital aufzustellen. Was glauben Sie, sollten Sport-Unternehmen beim Aufbau ihrer E-Commerce-Kanäle und beim digitalen Handel beachten?
Zunächst eine gute Nachricht: Die ersten Schritte einer solchen digitalen Transformation bedeuten nicht gleichzeitig abartige Investitionen. Solange man auf bewährte Standard-Technologien setzt und diese klug vernetzt, kann man schnell eine wirkungsvolle Grundlage, beispielsweise mit Blick auf die erforderliche IT-Infrastruktur, schaffen. Schwieriger ist es sicherlich, die digitale Strategie in den Köpfen zu verankern und die teilweise vorhandene Silo-Denke zu überwinden. Und noch schwieriger wird es sein, für solche Initiativen gute Mitarbeiter mit Know-how und Erfahrung zu bekommen.
Auf die Seite der Sporthändler geschaut: Für sie gibt es zwei zentrale Probleme: Zum einen verkaufen Hersteller direkt via eigenem Webshop an Endkunden; zum anderen bieten Internetportale hohe Rabatte. Wie können stationäre, kleinere Sporthändler ihrerseits von den digitalen Möglichkeiten profitieren?
Online „spielen“ und zwar in jeder Hinsicht! Heute kann sich jeder Händler mit seinem Sortiment auf großen Kanälen, wie beispielsweise Zalando oder Amazon, präsentieren und so Zusatz-Nachfrage erreichen. Parallel bestehen online viel mehr Möglichkeiten, eine eigene Identität zu vermitteln und mit kleinem Budget effektiv Marketing zu betreiben, also etwa kostengünstig und effektiv ein Loyalty-Programm aufzubauen.
Hinzu kommt die Chance, dank der online bestehenden „endlosen Regale“ dem Kunden endlich eine Möglichkeit zu geben, im Falle eines ausverkauften Produktes trotzdem Umsätze zu generieren oder zumindest daran zu partizipieren. All das sind nur Beispiele und so richtig gelebt werden sie in ihrer ganzen Bandbreite trotz vorhandener Möglichkeiten eher selten.
Und wie sieht hier die optimale zeitgemäße digitale Verbindung zwischen Händler und Hersteller aus?
In einer „Perfect World“ managt der Händler den Kundenzugang und sammelt wertvolle Informationen, die er wiederum dem Hersteller zugänglich macht. Damit kann der Hersteller besser auf Trends oder Nachfrageperioden reagieren und den Händler – ob physikalisch oder digital – mit Zusatzangeboten oder größeren Verfügbarkeiten ausstatten. Schon zum Order-Prozess erhält der Händler vom Hersteller relevanten B2C-Content, um ohne Zeitverlust den digitalen Verkauf starten zu können, sobald die Ware da ist.
Natürlich ist es auch zeitgemäß, dass sämtliche Interaktion vollständig elektronisch – also nicht mehr auf Papier – erfolgt. Aus unserer Sicht befeuert die Digitalisierung auch den Trend, dass sich das traditionelle Order-Verhalten langsam ändert. Eine engere und schnellere Verbindung zwischen Industrie und Handel ermöglichen geringere Erstorder-Volumen und kürzere Order-Zyklen. Beides dient primär dem Abbau von klassischen Risiken und der nachfrageorientierten Ausgestaltung von Sortimenten – ist also eine Win-Win-Situation entlang der ganzen Wertschöpfungskette bis hin zum Konsumenten.
Was erwartet der Kunde heute von Sportartiklern und Händlern? Und wie sehen digitale Services aus, die dem Kunden einen tatsächlichen Mehrwert bieten?
Gerade die neue Generation wächst auf in einer Welt, in der alles automatisiert, plattform-gesteuert und nahtlos funktioniert – meist unterstützt durch Mobile Devices oder andere Formen, wie Voice Shopping oder sogar Dash-Buttons. Wenn man das konsequent übersetzt, wird einem schnell klar, was die Erwartung ist.
Es darf keine Grenzen mehr geben zwischen unterschiedlichen Einkaufswelten und Vertriebskanälen oder abweichende Interessen von Industrie und Handel. Ob online oder offline, mit welchem Endgerät oder in welchem Vertriebskanal: das Shoppingerlebnis der Kunden muss im Mittelpunkt stehen!
Wie finden Marken und Händler heraus, was die wichtigsten B2C-Kanäle für Sie sind? Gibt es hier allgemeine Empfehlungen?
Das kommt am Ende sehr auf die eigene Struktur, die logistischen Möglichkeiten, das Sortiment, die Unterstützung seitens der Industrie und auf die eigenen Ressourcen an. Wir haben erfolgreiche Sport-Händler, die auf zwei bis drei Kanälen aktiv sind und solche, die es auf über 20 sind.
Wichtig ist in jedem Fall, dass man sich mit dem Business-Model des Kanals genau auseinandersetzt und auch bereit ist, diese neue Nachfrage-Option entsprechend individuell zu managen. Die Zeiten, zu denen man Daten aufgeschaltet hat und dann automatisch Umsätze laufen, sind lange vorbei.
Als Kooperationspartner ist Tradebyte auch auf dem ISPO Digitize Summit. Warum ist diese Veranstaltung für die Branche so wertvoll?
Erst einmal: wir sind sehr glücklich darüber, Teil der Premiere dieses Summits zu sein. Wir haben mit unserer eigenen Veranstaltung, dem ECD, die Erfahrung gemacht: Bring die Leute zusammen, dann verändert sich was. Weil man sich austauscht, weil man miteinander spricht. Und weil man darüber auch zu Wegen und Lösungen in Geschäftsbeziehungen findet.
ISPO an sich ist als zentraler Hub für alle Fragen und Trends rund um die Sportartikelbranche geradezu prädestiniert, sich auch mit dem Thema Digitalisierung zu beschäftigen. Die „Vorhut“ auf der ISPO Munich dieses Jahr war ja schon einmal sehr vielversprechend.
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