Ende November hat der Verband der europäischen Sportartikelindustrie (FESI) Frank Dassler zu seinem neuen Präsidenten gewählt. In den nächsten zwei Jahren leitet der Enkel von Puma-Gründer Rudolf Dassler die Geschicke der größten europäischen Interessensvertretung der Sportartikelbranche.
Die FESI vertritt 1800 Unternehmen mit 640.000 Mitarbeitern, einem MKU-Anteil von 75 Prozent und einem Umsatz von 66 Milliarden Euro allein in Europa.
Im Interview mit ISPO.com erklärt Dassler, wie er in seiner zweiten Amtszeit als FESI-Präsident der Sportartikelindustrie noch mehr Gehör verschaffen will und wie am Ende davon Handel und Endkunde profitieren.
ISPO.com: Glückwunsch, Herr Dassler, zur Wahl als neuer Präsident des Verbandes der europäischen Sportartikelindustrie, FESI. Was waren die Motive für Sie, Ihren ohnehin schon prall gefüllten Terminkalender auch noch mit diesem für die Sportartikelindustrie wichtigen Amt zu bereichern?
Frank Dassler: Man hat mich gefragt, ob ich bereit bin, meine Erfahrung als früherer FESI-Präsident in diesen Restrukturierungsprozess einzubringen, was ich für unsere Branche gerne tue. Die Arbeit der FESI ist zu wichtig für die europäische Sportartikelindustrie – da müssen wir handeln. Wir können das keinem Verband überlassen, der die Besonderheiten unserer Branche nicht versteht.
Auf der Generalversammlung der FESI wurden Weichen gestellt. Erzählen Sie uns: Wie ist die Stimmung in der Branche?
Wir haben die Generalversammlung im Vorstand gemeinsam intensiv vorbereitet und dort die neue Strategie vorgestellt. Gleichzeitig war es mir wichtig, dass nicht nur der Vorstand meine Präsidentschaft bestätigt, was satzungsgemäß ausreichen würde, sondern dass alle Mitglieder bei diesem Entscheidungsprozess teilhaben. Die Stimmung war entsprechend positiv – wir haben in allen Punkten einstimmige Ergebnisse erzielt. Die Mitglieder stehen hinter dem Plan und unserer Strategie.
Jeder neue Chef kommt mit eigenen Vorstellungen und Ideen ins Amt. Was wollen Sie ändern bei der FESI im Vergleich zu Ihren Vorgängern – was sind die wichtigsten Meilensteine, die Sie ins Visier nehmen?
Für uns als Vorstand war es das Wichtigste, den Verband mit einem jungen Management-Team auszustatten, das wir mit Jérôme Pero und Youri Mercier auch gefunden haben. Für mich persönlich steht Transparenz in der Kommunikation an erster Stelle – wir wollen jedes Mitglied repräsentieren, ob große Marke oder kleiner Mittelständler, und deren Interessen optimal vertreten.
Bei der Generalversammlung war auch Michael Nendwich, geschäftsführender Präsident der Fedas, Dachverband der Sportartikelhandelsverbände, zu Gast. Sie haben eine engere Zusammenarbeit vereinbart – wie soll diese aussehen?
Wir arbeiten schon seit Jahren freundschaftlich mit der Fedas zusammen und stellen ihr dafür auch eine Präsenz in unserem Brüsseler „House of Sports“ zur Verfügung. Zudem ist Michael Nendwich als Vertreter des Österreichischen Sportartikelverbands auch Vorstandsmitglied der FESI. Seine Ideen zur Optimierung der Berufsausbildung in unserer Branche finde ich sehr spannend – das wollen wir gemeinsam anpacken.
Gesprochen wurde auch über eine europäische Plattform für die Sportartikelindustrie – wie kann sich das einzelne Unternehmen das vorstellen? Was wird dies für den Handel bedeuten? Und wie profitiert der Endverbraucher am Ende davon?
Unsere primäre Aufgabe in Brüssel ist die proaktive Vertretung unserer spezifischen Interessen. Beim EU-Freihandelsabkommen mit Vietnam ist es uns zum Beispiel gelungen, die positiven Nachhaltigkeitsaspekte für dieses aufstrebende Schwellenland herauszustellen, die gerade unserer Industrie eigen sind. Das bedeutet im Ergebnis erhebliche Einsparungen bei der Beschaffung.
Ähnliches gilt für EU-Forschungsvorhaben, an denen wir unsere Mitglieder teilhaben lassen wollen, aber auch für den Abbau von Bürokratie oder übertriebenen Kennzeichnungsregeln. Wir wollen unsere besondere Agenda in der EU-Gesetzgebung berücksichtigt sehen, die Freihandel und Nachhaltigkeit nicht ausschließt, sondern vielmehr zum Wohle unserer Endverbraucher verbindet.
Die Fesi hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Sport in der Bevölkerung noch stärker zu verankern. Wie wollen Sie als neuer Präsident dies konkret angehen?
Das habe ich schon in meiner früheren Amtszeit von 2010 bis 2013 begonnen, als wir mit der EU-Kommission die Woche des Sports eingeführt haben, die regelmäßig im September Aktionen zur Förderung der Attraktivität von Sport und körperlicher Aktivität organisiert. Daran beteiligen sich Sportvereine, Städte, Gesundheitskassen und unsere Mitgliedsmarken in unterschiedlicher Form sehr erfolgreich. Dies gilt es nun auszubauen, um die Vorzüge körperlicher Aktivität für die Gesundheit noch stärker herauszustellen.
Denn jeder in Sport investierte Euro ist ein gesunder Euro – das sagte mein Vater Armin Dassler schon vor 30 Jahren, damals noch für die D-Mark.
Als Chef eines Interessenverbandes sind Sie ein wichtiger Lobbyist in Richtung aller gesellschaftlichen Kräfte. In welche Richtung muss die Lobbyarbeit aus Ihrer Sicht noch ausgebaut werden?
Die FESI ist bereits heute mit allen wesentlichen Stakeholdern im Dialog. Ein Schwerpunktthema in diesem Dialog wird zukünftig die Digitalisierung sein. Sie wird noch mehr als heute die Geschäftsmodelle der Mitgliedsunternehmen und damit auch die Lobbythemen bestimmen. Gleichzeitig prägt die Digitalisierung schon heute die politische Meinungsbildung und verlangt daher auch von Verbänden, den Dialog mit unseren Stakeholdern auch digital zu führen.
Fühlt sich die Sportartikelindustrie von den politischen Entscheidungsträgern aus Ihrer Sicht gut verstanden? Auf welchen Feldern müssen Sie noch Überzeugungsarbeit leisten?
Für uns ist ein wesentliches Ziel, dass Entscheidungsträger in Brüssel alle relevanten Informationen über unsere Branche, unsere Herausforderungen und unsere Errungenschaften kennen. Hier leistet das FESI-Team durch seine breite Vernetzung sehr gute Arbeit.
Sie waren bis Februar 2017 auch Präsident der WFSGI und sind dort immer noch als Repräsentant für Europa und Afrika tätig. Stehen Sie als neuer Präsident der FESI auch dafür, die unterschiedlichen Verbände stärker zusammenzubringen – oder muss man diese Ämter trennen?
Die Ämter und die Identitäten der Verbände sind schon allein aufgrund der geographischen Fokus‘ unterschiedlich, umso mehr wollen wir die Zusammenarbeit intensivieren. Wir haben dazu Arbeitsgruppen gebildet, die das konkret in Angriff nehmen werden. Beispielsweise haben wir vor zwei Jahren eine gemeinsame Expertenrunde eingerichtet, die sich erfolgreich mit den EU-Gesetzesvorhaben zur Nutzung von Internetplattformen und unseren selektiven Vertriebssystemen befasst.
Im „Hauptberuf“ sind Sie Chefjustitiar von adidas. In wieweit helfen Ihnen, dem Verband und dem Unternehmen, da Doppelpässe in beide Richtungen – oder wie sehr ist das voneinander zu trennen?
Ob als adidas-Vertreter oder als FESI-Präsident weiß ich, dass wir dann am ehesten gehört werden, wenn die Branche mit einer Stimme spricht. Natürlich haben wir in unserer Branche ein gutes Verständnis darüber, was uns verbindet und was uns trennt. Das Verbindende bringen wir als gemeinsames Interesse in die FESI ein, das Trennende regeln wir jeweils individuell.
Die digitale Transformation verändert auch das Sportbusiness immer mehr. Was bedeutet das für Ihren Verband – und für die Mitglieder, die Unternehmen?
Es gab früher mal den Spruch „Wer nicht wirbt, der stirbt“. Gleiches gilt für die Digitalisierung. Sie bedienen sich ja zuhause auch nicht mehr eines Wählscheibentelefons, sondern verfügen in der Regel über ein Smartphone. Das gilt nicht nur für reiche, westliche Staaten, sondern für die gesamte Weltbevölkerung. Wenn Sie die erreichen wollen, müssen Sie sich digitalisieren, am besten schon von der Produktentwicklung an. Das wird die Geschäftsmodelle maßgeblich bestimmen – und damit auch unsere Lobbythemen.
Digitalisierung werden wir bei der FESI auch intern noch stärker vorantreiben. Unsere Website ist zwar technisch auf dem neuesten Stand, aber die Inhalte und die konkrete Ansprache der Mitglieder und Stakeholder müssen wir unbedingt verbessern.
Wie sind die Sportartikel-Industrie und der Handel aus Ihrer Sicht für das digitale Geschäft aufgestellt? Wie sieht aus Ihrer Sicht der Fachhandel der Zukunft aus?
Da gibt es wie überall gute und weniger gute Beispiele. Allgemein haben wir alle viel zu lang gebraucht, uns digital gut aufzustellen, wenn man bedenkt, dass wir schon vor 15 Jahren bei Branchenevents anlässlich der ISPO Munich über die Chancen und Risiken des Internets diskutiert haben. Der Fachhandel hat wie kein anderer die Möglichkeit, die analoge, haptische Erlebniswelt mit der digitalen zu verbinden.
So wie Amazon inzwischen mit realen Stores in die Malls einzieht, so muss unser Fachhandel auch die digitale Welt für sich erobern, um den Konsumenten ein nahtloses Einkaufserlebnis zu verschaffen. Am Ende des Tages müssen wir – Hersteller, Marken oder Händler – uns am Verbraucher und seinem Kaufverhalten orientieren.
Ganz generell gefragt: Wie muss sich die Sport-Industrie in Zukunft aufstellen, um den Kunden noch besser zu verstehen und zu erreichen?
In Zukunft müssen Sportartikel noch mehr das halten, was sie versprechen. Das heißt für uns als Industrie, dass wir so nah wie möglich am Konsumenten sein müssen, um seine Bedürfnisse zu verstehen und zu adressieren. Die Digitalisierung hilft uns dabei.
Aus gesellschaftlicher Sicht werden die Erwartungen an eine verantwortungsvolle Unternehmensführung stetig steigen. Auch wenn die Sportartikelindustrie hier weiter ist als andere Branchen, so können wir mit der FESI noch mehr erreichen.
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