Louise Leuchtenberger ist gewissermaßen digitale Sourcing-Expertin. Als Gründungsmitglied von Foursource, arbeitet sie bei der digitalen Matching-Plattform, die Textilproduzenten und Einkäufer von Sportmarken & Fashionlabels auf einem digitalen Markplatz zusammenbringt.
Hat die Digitalisierung das Potential, das Thema Sourcing komplett zu verändern?
Momentan sehe ich, dass Sourcing sowohl bei Textilhändlern als auch bei Herstellern überhaupt noch kein digitales Thema ist. Sourcing funktioniert meist über den direkten Kontakt. Viele Textil-Cluster in der Herstellung haben sich das Thema Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben und wollen vorankommen. Die digitale Zukunft ist der einzige Weg, um weiterhin profitabel sein zu können, das ist fast allen bewusst. Die meisten Sourcing-Prozesse, die ich bis jetzt kennengelernt habe, sind aber noch nicht so weit digitalisiert. Im Gegensatz dazu ist der Teil der Wertschöpfungskette, der von den Brands zum Endverbraucher führt, schon sehr digitalisiert.
Warum ist es so wichtig, den Sourcing-Prozess zu digitalisieren?
Viele Wettbewerber haben ihre Produktionszyklen enorm verknappt. Der Markt kann sich einen Kollektionszyklus von 180-250 Tage nicht mehr leisten. Denn bspw. die Inditexgruppe (u.a. Zara) und Fast Retailing (u.a. Uniqlo) schaffen eine Leadtime von ein bis zwei Wochen. Und das ist ausschlaggebend, denn auch die Sportmodebranche steht mit Zara, H&M und Co. im Wettbewerb
Neben der Schnelligkeit – was sind weitere klassische Probleme, die es auf Seiten der Markenhersteller gibt?
Das ist in erster Linie der Preis. Mittlerweile gibt es kein Land mehr, in das die Industrie ihre Herstellung verlegen kann, um die Produktion noch billiger zu machen. Deshalb wird jetzt versucht die Prozesse kosteneffizienter zu gestalten. Durch die Digitalisierung des Sourcing kann ich beispielsweise bestimmte Sourcing-Reisen sparen.
Zudem ist es wichtig, dass das Wissen nicht nur bei einem Mitarbeiter liegt. Wenn ich das firmeninterne Sourcing-Wissen über Textilhersteller digital gebündelt habe, können alle Mitarbeiter, die an den Prozesse beteiligt sind darauf zugreifen. Und ich muss Wissen nicht erst wieder aufbauen, wenn der zuständige Mitarbeiter die Firma verlässt. Die Prozesse werden so effizienter und bringen finanzielle Vorteile.
Gerade in der Sport- und Outdoorindustrie wollen viele Endkunden wissen, woher die Textilien wirklich kommen und wie die Fertigungsbedingungen sind. Durch die Komplexität der Fertigungsprozesse und die vielen Zulieferer ist es für viele Marken gar nicht so einfach, diese Transparenz herzustellen. Können auch hier digitalisierte Sourcing-Prozesse helfen?
Ich würde sagen, dass Transparenz ein Problem für beide Seiten ist. Denn auch für Zulieferer / Textilhersteller dauert es normalerweise seine Zeit, bis sie alle Informationen über den Buyer, also den Markenhersteller, zusammen haben. Durch Informationen auf einer Plattform wie Foursource weiß ich sofort, was kann ich wem anbieten, bzw. was kann ich von einem potentiellen Partner erwarten. Die angebotene Qualität wird transparent, genauso wie die vorhandenen Leistungsbereiche. Gegebenenfalls kann ich so auch eine größere Order platzieren, weil ich beispielsweise sehe, dass der Hersteller beispielsweise auch Bestickungen macht oder den Designpart abdecken kann.
Ein anderer Punkt zur Transparenz, der zum Thema Vertrauen überleitet: Wir validieren Referenzkunden. Textilhersteller können auf der Foursource-Plattform angeben, für welche Marken sie gearbeitet haben. Wir schreiben dann wiederum diese Marken an und bitten um Validierung. Zusätzlich können Zertifikate hochgeladen, online geprüft und verifiziert werden.
Wenn Sie die Vorteile für Einkäufer, die eine Sourcing-Plattform wie Foursource bietet, kurz zusammenfassen!
- Die zielgerichtete Suche nach neuen Herstellern fällt durch die Matchingfunktion und die Filteroptionen viel leichter. Beispielsweise ist es möglich, für ein bestimmtes Land zu sourcen.
- Die (Sport-)Fashionbrands können auf dem Marketplace sehen, wo es freie Kapazitäten, beispielsweise an Stock Material, gibt.
- Die Buyer können ihre Supplier besser managen: Einkäufer sehen auf einen Blick auf der Plattform, wer arbeitet schon für mich und mit wem will ich gegebenenfalls zukünftig zusammenarbeiten. Dementsprechend können sie ganz gezielt auch RFQs (Preisanfragen) an neue Hersteller oder bereits bestehende Hersteller schicken.
- Die Einkäufer bei den Marken bekommen eine viel bessere Übersicht über die weiteren Leistungen, die ihre bestehenden Hersteller anbieten, das geht bis zur Maschinenliste. Dadurch entsteht unter Umständen eine weiterführende Zusammenarbeit und für Einkäufer Spielraum für Preisverhandlungen und bessere Optionen bei Logistik und Transport.
Blicken wir auf die andere Seite: Was sind die Vorteile für die Produzenten / Textillieferanten?
Es gibt die Möglichkeit, sich mit Buyern zu matchen. Textilproduzenten können ihr Sales und Marketing personalisiert (auf den Kunden) und zielgerichtet gestalten. Sie bekommen ein Verständnis für die Markenhersteller: Sie können sich darüber informieren, was die Anforderungen der Buyer sind, beispielsweise im Bereich Zertifikate.
Bei Foursource bieten wir zudem über ein direktes Messaging Tool die Möglichkeit, Buyer direkt anzuschreiben
Das gilt natürlich für beide Seiten, oder?
Genau. Allgemein bekommen durch die gemeinsame Plattform beide Seiten mehr vom Sourcing-Markt mit. Alle Seiten können durch das gebündelte Wissen und die hohe Transparenz bessere Entscheidungen treffen. Beispielsweise hat sich das klassische Hin- und Herschicken von Samples aus unserer Sicht überholt. Durch einen ‚digital Showroom‘ sparen gerade die Hersteller viel Zeit und Kosten.
Designer können beispielsweise auch Moodboards bereitstellen. Darauf können dann mehrere Hersteller gleichzeitig zugreifen. Auch das Wissen vom Endverbrauchermarkt kann so zeiteffizient an die Hersteller weitergegeben werden.
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