Outdoor/06.11.2018

Der Kunde ist der Chef: Digitalisierung verändert die Sportbranche

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Die Sportbranche will sich stärker als bisher an den Wünschen des Konsumenten ausrichten: Der Kunde ist der Fokus der digitalen Transformation. Derzeit entstehen immer mehr Ideen, wie man den Kunden wieder ins Zentrum aller Aktivitäten rücken kann.

Auf die Kunden richtet sich der Blick im Sporthandel.
Auf die Kunden richtet sich der Blick im Sporthandel.

„Die wichtigste Erkenntnis für einen erfolgreichen Händler ist heute die, dass der Verbraucher mehr Macht hat als je zuvor“, erklärt Adam Ellis, CEO von Multi-Channel Händler Blue Tomato. „Und die zentrale Herausforderung ist die, dass sich der Handel an den Bedürfnissen der Kunden ausrichten muss.“ Händler und Marken haben heute keine Wahl mehr: Erfolgreich wird in Zukunft vor allem derjenige sein, der sich mit seinen Produkten, der Präsentation, der Vernetzung der Kanäle, den Services etc. am besten an den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden ausrichten kann.

Alles, was dem Kunden Vorteile bringt, hat Aussicht auf Erfolg. Der Konsument rückt wieder ins Zentrum allen Geschehens, und möglich wird diese Rückbesinnung ausgerechnet durch die zunehmende Digitalisierung aller Prozesse.

Die Standards steigen für die Händler

„Für eine gelungene Kundenzentrierung gibt es viele Ansätze“, erklärt Tim Böker, CEO der Essener Digitalagentur Kommerz, die für ihre Arbeit schon zahlreiche Preise gewonnen hat. „Vom Kundenservice über die z.B. zielgruppenspezifische Produktinszenierung, über Beratungstools bis hin zum Thema  Customizing.“ Nicht alles macht für jeden Sinn, aber die Standards, die der Kunde ganz selbstverständlich erwartet, steigen.

Zu diesen Standards gehört schon bald die nahtlose Verbindung aller Touchpoints, vom Onlineshop über den stationären Laden bis hin zu Social Media, ebenso schnelle Lieferung, schnelle Check-out Prozesse etc. Daran arbeiten derzeit viele Unternehmen. Böker: „Um sich aber von der Konkurrenz abzusetzen, braucht es definitiv noch ein Schippchen oben drauf – und da sind Kreativität und eine intensive Auseinandersetzung mit der Zielgruppe erforderlich!“

Datengetrieben und individualisiert: Nike Live

Mit dem Store „Nike by Melrose“ hat Nike Mitte Juli einen neuen Store in Los Angeles eröffnet, der im wörtlichen Sinne einzigartig ist. Das Besondere: Sein Konzept fußt auf Daten, die Nike über die lokale Zielgruppe in L.A. gesammelt hat. Über die NikePlus Sport-App wusste Nike, dass die User in L.A. besonders viel Wert auf Style legen, dass sie Running und Basketball lieben und gerne Wettbewerbe austragen. Also baute Nike dort einen Store, der genau diese Wünsche berücksichtigte.

Das neue Ladenkonzept, das unter dem Namen Nike Live gelauncht wurde, wirkt wie ein Pop-up Store und versteht sich als ein „experimentelles Pilotprojekt, wo digitale und physische Welten zusammenkommen“, sagt Nike. Neben dem regulären Sortiment werden stadtspezifische Produkte angeboten, die allesamt ermittelt werden durch Digital Commerce Daten, also Dinge wie Kaufverhalten, App-Nutzung und Engagement, um den lokalen NikePlus Mitgliedern genau das zu bieten, was sie wollen, wenn sie es wollen. Es wird keine simple Vervielfältigung des Konzepts geben, der Laden bleibt einzigartig, weil er nur für diese Zielgruppe gemacht wurde. Weitere Nike Live Stores werden ebenso individuell sein. Im kommenden Frühjahr soll der nächste in Tokio eröffnen.

Ganz nach dem Wunsch der Kunden ist der Nike-Store in Los Angeles gestaltet.
Ganz nach dem Wunsch der Kunden ist der Nike-Store in Los Angeles gestaltet.
Bildcredit:
Nike

Einfach fragen: Kunden-Wünsche einbeziehen

Wie Nike nutzen immer mehr Unternehmen ihre Daten um daraus relevante Services für ihre Zielgruppe abzuleiten. So nutzt beispielsweise Décathlon Kundenfeedback für die Standortwahl für neue Filialen. Kunden können auf der Homepage des Unternehmens sowie auf dessen Facebook-Seite darüber abstimmen, wo die nächste Filiale eröffnen soll. Für die neue Filiale in Dresden sollen laut Décathlon 931 von insgesamt 5.773 Umfrageteilnehmer gestimmt haben.

Damit gewinnt das Unternehmen eine wichtige Einschätzung über den neuen Standort und signalisiert den dortigen Kunden: Wir hören auf euch, ihr seid uns wichtig! Auch KellerSports hat durch eine Umfrage unter den Kunden herausgefunden, welche weiteren Sportarten interessant wären und im Webshop integriert werden sollten. Der Onlinehändler ist mit Running und Tennis gestartet, inzwischen gehören auch Outdoor und Bike zum Sortiment.

Das Erlebnis zählt, nicht das Produkt

Wenn der Kunde nach einer neuen Skihose sucht, geht es ihm in der Regel weniger um das Produkt als um die damit verbundene Aktivität. Es ergibt daher Sinn, die Skihose noch mit weiteren Services anzureichern, die den Kunden seinem eigentlichen Ziel näher bringen.

Bei SportScheck kann man zum Beispiel Ski im gewünschten Skigebiet mieten. Das steigert die Relevanz des Händlers für den Kunden. „Unsere Vision bei SportScheck ist es“, erklärt Jan Kegelberg von SportScheck, „zum Treffpunkt für das Erlebnis Sport zu werden - und zwar konsequent aus Kundensicht gedacht. Wir müssen Erlebnisse schaffen.“

Mammut stellt Rucksackkäufern Hiking Trips vor

Auch Marken können ihre Produkte anreichern durch neuartige Services. So hat z.B. Mammut im letzten Jahr ein Pilotprojekt in Zürich und Beijing gestartet, bei dem ein auf jeweils 150 Stück limitierter Rucksack mit einem NFC-Chip ausgestattet wurde. Über die Mammut App bekamen die Käufer des Rucksacks ganz exklusiv Hiking Trips für die jeweiligen Regionen vorgestellt – jede Woche eine neue, drei Monate lang.

„Die Conversion Rate lag bei 90 Prozent“, so Dr. Oliver Pabst, CEO von Mammut. „Die Trips wurden über Facebook geteilt und haben eine beachtliche Reichweite erzielt.“ Im nächsten Jahr soll das Pilotprojekt unter dem Namen Mammut Connect offiziell starten.

Kleinigkeiten machen den Unterschied

„Aber auch gut durchdachte Kleinigkeiten können den entscheidenden Kaufimpuls geben“, erklärt Tim Böker. Bei Sport Thieme kann der Kunde beispielsweise schon im Bestellprozess einen Liefertermin auswählen. Bei sperrigen Produkten wie z.B. Tischtennisplatten oder Fitnessgeräten ist das unter Umständen kaufentscheidend.

SportScheck hat eine In-Store App eingeführt, mit der Verkäufer jederzeit Bestandsinformationen abrufen können, ohne den Kunden auf der Fläche allein lassen zu müssen. Bei Bergfreunde nimmt man die Produkt-Bewertungen der Kunden sehr Ernst und stellt unter dem Motto „Lob vs. Tadel“ eine Zusammenfassung von positiven und negativen Produktbewertungen nebeneinander. Gut informiert kann der Kunde besser abwägen, ob das Produkt zu ihm passt. Bei Globetrotter können Kunden online einen Termin in einer Filiale buchen. Die Terminkoordination wird so erleichtert und Kunden vermeiden lange Wartezeiten im Geschäft.