„B2B ist für uns ein großes Thema“, sagt Mischa Krewer, Inhaber des Sneaker-Stores 43einhalb. Zwei stationäre Geschäfte in Fulda und Frankfurt sowie ein Onlineshop gehören zum Unternehmen, der Onlineshop ist mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt gewann er den angesehenen Internet World Business Shop Award 2018 in der Kategorie Online Pure Player – direkt hinter Zalando und About You.
Digitale Prozesse sind für Krewer selbstverständlich, für seine Zulieferer noch nicht unbedingt: „Einige Hersteller sind dort besser und einige noch mit mehr Luft nach oben aufgestellt. Diejenigen, die noch gar keine B2B-Präsenzen haben, fallen teilweise schon durchs Raster, da der alte ‚Bestellzettel und dann faxen‘-Wahnsinn für unseren Workflow einfach keinen Sinn macht.“
Wie Krewer denken immer mehr Händler. Das gilt vor allem für die jungen, die mit Onlineshopping aufgewachsen sind und nicht einsehen, wozu sie noch Faxe oder ähnliches benutzen sollen. Sie wollen schlanke, effiziente und schnelle Geschäftsprozesse und fordern das auch von ihren Zulieferern.
Die Vorteile von digitalisierten Prozessen zwischen Händlern und Herstellern liegen auf der Hand – es sind dieselben, die auch den B2C-Onlinehandel so erfolgreich gemacht haben: Sie sparen Zeit und können rund um die Uhr ablaufen. Über mobile Webseiten sogar per Smartphone, denn auch Händler sitzen nicht den ganzen Tag am Rechner.
Mischa Krewer: „Gerade kleine Händler sind darauf angewiesen, dass man auch nach Ladenschluss noch bei seinen Marken nachbestellen kann oder an bestimmte Informationen kommt.“ Während man früher oft in Warteschleifen hing oder nach 18 Uhr gar niemanden mehr erreichte, ermöglichen digitale B2B-Anbindungen schnelle Ergebnisse. Für Krewer ist Digitalisierung eine Form der Kundenbindung.
Auch Tim Böker von der Essener Digitalagentur Kommerz sollte für den B2B-Shop von Borussia Dortmund die Prozesse vereinfachen und effizienter aufstellen. Zu den angeschlossenen Händlern gehören Supermärkte ebenso wie Tankstellen und Sporthändler. Böker: „Hier ging es um recht komplexe Bestellvorgänge z.B. auch um Visual Merchandising und um kuratierte Produktzusammenstellungen von Fanartikeln.“
Gerade für Hersteller, die einen internationalen Markt bedienen, bringt ein digitalisiertes Prozess- und Datenmanagement weitere Vorteile. Beim österreichischen Sportartikel-Hersteller Boards & More, Spezialist für Windsurfing, Kitesurfing und Standup-Paddling, hilft seit Beginn des Jahres eine digitale B2B-Lösung bei der Bestellabwicklung und der Bereitstellung von Produktinformationen im internationalen Business.
Gregor König von Boards & More: „Typischerweise machen Pre-Order für die aktuelle Kollektion etwa 30 Prozent der Bestellungen aus, 70 Prozent gehen während des Jahres ein. Das heißt, wir brauchten eine internationale E-Commerce-Lösung, die Händlern die Produktauswahl und Nachbestellung mit umfassenden Informationen vereinfacht sowie Echtzeit-Angaben zu Verfügbarkeit und Lieferzeit bereitstellt.“
Etwa 15.000 Artikel umfasst der in fünf Sprachen übersetzte B2B-Shop einschließlich aller Produktvarianten und Ersatzteile. Gleichzeitig stellt die Lösung automatisch Warenwirtschaftsdaten wie Produktnummern, Preisempfehlungen oder Verfügbarkeiten in Echtzeit den Händlern zur Verfügung.
Langfristig ist Automatisierung ein wichtiger Punkt: Erst eine B2B-Infrastruktur stellt die Basis für die Integration von Künstlicher Intelligenz und schließlich für automatisierte oder vorausschauende Bestellungen.
Hersteller und Händler können über B2B-Anbindungen ebenfalls Produktinformationen effizient und fehlerfrei austauschen. Viking Footwear und Deuter haben diese Aufgabe an den IT-Dienstleister Loadbee aus Stuttgart übertragen, der alle Informationen, Videos und Pflegehinweise zu den Produkten auf einer Plattform zusammenführt und von dort aus den Händlern zur Verfügung stellt.
Viking hat so als Pilotprojekt in Deutschland erstmals ganz auf den gedruckten Katalog verzichten können. Der Vorteil: „Der digitale Katalog ist immer aktuell – alle Änderungen können jederzeit problemlos eingefügt werden und stehen in Echtzeit allen zur Verfügung“, erklärt Helma Tobies von Viking Footwear.
Auch Videos können über die Plattform jederzeit im Onlineshop, am stationären POS der Händler oder über Social Media ausgespielt werden. Besondere technische Voraussetzungen braucht der Händler dafür nicht. „Ein Händler kann außerdem mittels der Loadbee-App via Tablet oder Smartphone Produkte einscannen und bekommt alle verfügbaren Informationen dazu angezeigt“, erklärt Tobies weiter. Händler können diesen Service im Geschäft nutzen, um Details nachzulesen, aber auch der eigene Außendienst kann so jederzeit relevante Informationen abrufen.
Zwar gibt es schon länger digitale Bestellmöglichkeiten für Händler, aber im Vergleich zum Aufwand, den Hersteller auf die Pflege und Weiterentwicklung ihrer B2C-Onlineshops verwenden, „steckt der B2B-E-Commerce noch in der Steinzeit“, sagt Tim Böker von Kommerz. „Der Trend kommt erst langsam im Mittelstand an und wird die nächsten Jahre durch die Decke gehen.“ B2B-E-Commerce funktioniert zwar nach ähnlichen Gesetzen wie der B2C-Online-Shop, aber eben nicht ganz.
Böker: „Natürlich erwartet man die gleiche Usability, aber es gibt wichtige Unterschiede.“ Wieder spielt Zeit eine wesentliche Rolle: die Nutzer wollen etwas erledigen und suchen keine Unterhaltung, sie kaufen gezielt und nicht impulsiv. „Emotionen sind zwar erlaubt, gerade im Sport“, so Böker, „aber sie dürfen nicht die Oberhand gewinnen.“ Geregelt werden muss auch, ob alle Händler die gleichen Produkte sehen, ob die Preise gleich sind, welche Limits bestehen.
Wichtig ist die Fokussierung auf den Nutzer, gerade die Kundenorientierung fehlt im B2B-E-Commerce noch vielen Herstellern. Die Prozesse sind als reine Verkaufsmaschinen ganz auf Quantität ausgelegt und orientieren sich an den Strukturen der eigenen Organisation – egal ob diese für die Kunden Sinn machen.
„Man muss viel intensiver darüber nachdenken, was der Kunde braucht und erwartet, B2B erfordert einen aktiven Austauschprozess zwischen den Partnern“, sagt Manfred Bayer-Lemerz von Sana Commerce. Er hat als IT-Dienstleister mit Boards & More die B2B-Lösung entwickelt. Um zu besseren Lösungen zu kommen, macht der Store 43einhalb seinen Zulieferern schon mal Verbesserungsvorschläge für Online-Tools. Das Gute ist: „Die Marken hören hin – sie wollen Dinge verbessern“, sagt Inhaber Mischa Krewer.
Schwierigkeiten bei der Umsetzung digitaler B2B-Lösungen gibt es noch viele. Das fängt damit an, dass die Datenqualität oft nicht gut ist, oder in zu vielen voneinander getrennten Systemen lagert. Widerstände entstehen auch im eigenen Unternehmen.
Für viele ist Digitalisierung gleichbedeutend mit dem Verlust von Jobs - gerade im Außendienst, wo digitale Bestellprozesse klassische Aufgaben des Außendienstes wegrationalisieren. „Routinearbeiten fallen weg“, gibt Manfred Bayer-Lemerz von Sana Commerce offen zu. „Aber man gewinnt Zeit für die eigentliche Aufgabe: das Verkaufen und die Betreuung der Kunden.“
Auch im B2B-Bereich können die Customer Journeys der Händler im B2B-Shop Anknüpfungspunkte für Verkaufsgespräche liefern, können Händlerprofile zusammengestellt und ausgewertet werden. Widerstände aus den eigenen Reihen werden die fortschreitende digitale Transformation nicht aufhalten. „Oft handeln die Unternehmen erst dann, wenn der Umsatz sinkt“, so Bayer-Lemerz. „Aber dann sind Marktanteile schon an die Konkurrenz verloren gegangen.“
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