Der FC Bayern München hat gerade den Einstieg in den Esports verkündet, zunächst mit seinem Basketball-Team. Und bei Schalke 04 will man mit dem Engagement im digitalen Sport irgendwann einmal Weltstars für die Fußball-Abteilung finanzieren. „Neymar für Schalke verpflichten – das ist das Ziel“, sagt Tim Reichert, Schalkes Chief Gaming Officer, bei der hochkarätig besetzten Esports-Diskussionsrunde der ISPO Academy Connect mit einem Augenzwinkern. Klingt erst mal völlig verrückt, schließlich hat Paris St. Germain 222 Millionen Euro plus X für Neymar bezahlt.
„Esports auf dem Weg an die Spitze“ – der Titel der von Fußball-Business-Studenten des Münchner Campus M21 glänzend organisierte Runde kann nur dick unterstrichen werden. Auch für die Sportindustrie bietet Esports im Zuge der Digitalisierung riesige Chancen. Christoph Rapp, International Sales & Retail Manager der Messe München, ist davon überzeugt: „In der ISPO Academy wollen wir auch neue Themen spielen. Und Esports gehört definitiv dazu.“ Nächstes großes Highlight auf diesem Weg wird der ISPO Digitize Summit am 28./29. Juni in München sein.
Tatsächlich könnten derlei Zukunftsvisionen, also dass der Esports einen Neymar-Transfer ermöglicht, aber eines Tages wahr werden, wenn man auf die Zahlen der rund um den Globus am schnellsten wachsenden Sportart blickt. Im vergangenen Jahr betrug der weltweite Umsatz mit Esports laut Statista schon etwa 550 Millionen Euro, spätestens bis 2020 dürfte die Milliarden-Schallmauer durchbrochen ein. Allein in Deutschland sollen dann 130 Millionen Euro umgesetzt werden, wie Deloitte prognostiziert – ein rasantes Wachstum von den 50 Millionen Euro aus dem Jahr 2016. Schon jetzt sind traditionelle, große Firmen wie die AOK, Wüstenrot, SAP oder Mercedes-Benz als Sponsoren im Boot.
Der Vertrag der Automarke mit dem Stern mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) endet in diesem Jahr – im Esports wird weltweit investiert. Das unterstreicht einen Trend. Die weltweit auf etwa 1,7 Milliarden Menschen geschätzte Gaming-Community mit überwiegend jungen Millenials ist hochinteressant für die Wirtschaft.
Caroline Pilz, Leiterin Product Placement und Fashion-Sponsoring bei Mercedes-Benz, begründet beim Esports-Gipfel in München, warum: „Esports ist ein spannendes aufsteigendes Wachstumsfeld. Wir zum Beispiel wandeln uns vom Automobilhersteller zum Mobilitätsanbieter und finden genau hier weltweit unsere Zielgruppe der Zukunft.“ Kein anderer Sport vereint Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Internationalisierung ohne Grenzen besser und bietet dabei noch Entertainment.
Auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat mitten in der Krise der olympischen Bewegung die Wachstumschancen erkannt und Esports im vergangenen November als Sport anerkannt. 2022 wird es bei den Asian Games erstmals in Videospiel-Wettbewerbe um Medaillen gehen. Bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris könnte Esports zumindest Demonstrationssportart sein – entsprechende Verhandlungen hat die Internationale Esports Föderation gerade bestätigt. IOC-Präsident Thomas Bach hat jedoch vorab klargestellt, dass es für sogenannte „Ballerspiele“ keinen Platz im Olympia-Programm geben wird – das IOC will also die Bedingungen diktieren.
Genau das sorgt aber für heftige Diskussionen in der selbstbewussten Branche. „Braucht der Esports Olympia oder ist es nicht eher umgekehrt?“, fragt Michael Berchtold, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens eSportsReputation, povokativ. Niklas Timmermann, Vize-Präsident des deutschen Esports-Interessenverbandes ESBD, wird noch deutlicher: „Beim Biathlon wird doch auch geschossen. Warum sollen wir für Olympia, das auf dem absteigenden Ast ist, unsere Identität aufgeben? Wir wollen Esports nach unseren Bedingungen bei Olympia und nicht nach dem Gusto von Herrn Bach.“
Die soziale Verantwortung in der Branche – so unterstreichen alle Diskussionsteilnehmer – werde großgeschrieben. Gamer seien eine der am meisten unterschätzten Zielgruppen. Tim Reichert von Schalke 04 glaubt sogar, dass sich das „Führungspersonal der Zukunft“ aus den Computerspielern von heute rekrutieren werde.
Bleibt der Streitpunkt um das Thema Gewalt im Esports: Weltweit am populärsten ist zum Beispiel das Kampf- und Strategiespiel „League of Legends“ mit einem Marktumsatz von 2,1 Milliarden Dollar im Jahr 2017. Beim Finale der Serie schauten 75 Millionen Menschen zu, das Preisgeld betrug insgesamt 24 Millionen Dollar.
Auch die Esports-Abteilung von Schalke 04 ist hier unterwegs – genauso aber auch beim Fußball-Videospiel Fifa 18. Der gerade 19-Jährige Tim Latka ist ein echter Star in der Szene. „Er hat 163.000 Follower auf Youtube – das sind mehr als unsere Fußballer haben“, verrät Tim Reichert. Bayern München will erstmal im Basketball-Bereich im Esports mitmischen. Der Name des vor ein paar Tagen gegründeten Teams: Bayern Ballers Gaming.
Der Einstieg der Fußball-Branchenriesen zeigt, dass Esports im Mainstream angekommen ist. Im Koalitionsvertrag ist das Ziel formuliert, Esports mit „Vereins- und Verbandsrecht anzuerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen". Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) arbeitet derzeit mit 20 Expertinnen und Experten aus Sportverbänden, Gamesbranche, Pädagogik, Recht, Wissenschaft und Jugendorganisationen an Empfehlungen zum Umgang mit Esports für den organisierten Sport in Deutschland.
Bei den Medien stehen die Zeichen schon längst auf Grün. Vorreiter ist die ProSiebenSat.1 Sports GmbH, die schon seit zwei Jahren ein Esports-Magazin wöchentlich einer wachsenden Zuseherschar von bis zu 0,5 Millionen präsentiert und auch schon Esports-Live-Events überträgt. „Das ist ein spannendes Thema, was auf der Straße liegt. Es wäre idiotisch, es nicht zu machen“, erklärt Chefmanager Stefan Zant bei der Diskussion in München.
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