Sie gilt als eine der besten Alpinisten der Welt und feierte 2011 am K2 ihren größten Triumph: Die Ösetrreicherin bezwang den 8611 Meter hohen Berg, der sie zuvor sechsmal zum Umkehren gezwungen hatte. Der alpine Wettkampf hat die gelernte Krankenschwester allerdings nie groß interessiert.
Frau Kaltenbrunner, Wie bereiten Sie sich auf Ihre Touren vor?
Ich trainiere sehr viel, hauptsächlich Kraft und Ausdauer, im Schnitt 30 Stunden in der Woche. Das mache ich im Sommer beim Mountainbiken und im Winter beim Eisklettern oder Skitourgehen. Mir fällt das nicht schwer, weil ich das mache, was ich am liebsten mache: Ich bin draußen und bewege mich.
Sie gelten als eine der besten Höhenbergsteigerinnen der Welt. Wollen Sie noch weitere Rekorde brechen?
Es ist nicht so, dass ich immer noch mehr will. Aber die Berge sind mein Leben. Das weiß ich einfach und das hat sich im Laufe der Zeit so herauskristallisiert, Klettern bereichert mich, gibt meinem Leben Sinn, weil ich total ich selbst sein kann.
Dazu kommt natürlich auch meine Faszination für die großartige Natur. Für die Bergwelt braucht man viel Kraft, aber man bekommt auch viel zurück. Mir ist es tatsächlich nie um irgendwelche Rekorde gegangen, sondern tatsächlich immer nur um die Bewegung und die unvergleichlichen Erlebnisse am Berg. Die Berge sind mein Kraftelixier.
Das klingt euphorisch. Aber Sie haben auch sehr tragische Momente am Berg erlebt. Wie gehen Sie mit der Spannung um?
Das ist ein Grenzgang. Mir ist bewusst, dass selbst ein kleiner Fehler tödliche Folgen haben kann. Man muss seine eigenen Kräfte im Blick haben und darf nicht übertreiben. Eine gewisse Gefahr ist immer dabei. Ich beurteile das Risiko aber nicht so wie meine Familie, die glaubt, dass ich mich bei jeder Tour in absolute Lebensgefahr begebe.
Ich bereite mich sorgfältig vor, ich mache etwas, was ich schon lange mache und wo ich viele Erfahrungen habe. Selbstverständlich versuchen wir am Berg, die Risiken abzuschwächen, aber trotzdem gibt es immer wieder Momente, wo man spürt, jetzt wird es brenzlig, jetzt musst du verdammt gut aufpassen. Und sicher gehört auch ein bisschen Glück dazu.
„Eine Lawine riss mich mit“
Gab es eine Situation, in der Sie richtig Angst gehabt haben?
Ja, bei der Dhaulagiri-Expedition 2007. Damals sind in unserem Lager zwei Lawinen abgegangen. Ich saß allein in meinem Zelt, als die Lawine es wegriss und den Berg hinunterschwemmte.
Ich wusste nicht, wo oben und unten ist. Irgendwann merkte ich nur, jetzt komme ich zum Stillstand, so nach 30, 40 Metern. Kurz vorm Abgrund, wie sich später herausstellte. Ich konnte mich nicht rühren, war wie einbetoniert. Trotzdem schaffte ich es irgendwie, mit einer Hand an mein kleines Messer zu kommen, was mein Mann Ralf Dulmovits mir vor Jahren geschenkt hatte und was seitdem immer an meinem Sitzgurt hängt. Damit schlitzte ich das Zelt auf, schob dann Zentimeter um Zentimeter den Schnee weg.
Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Als ich draußen war, bin ich sofort zu der Stelle, wo ich meine beiden spanischen Bergsteigerkollegen vermutete, aber ich war zu spät. Die beiden konnten nicht mehr gerettet werden. Und da muss ich zugeben, das sind Momente, die vergisst man sein Leben lang nicht.
Aufhören war danach nie ein Thema für Sie?
Keine Sekunde. Obschon mich andere damit konfrontiert haben: Jetzt hörst du auf, was soll noch passieren? Aber das hat mich nicht interessiert. Bergsteigen ist mein Leben. Das Erlebnis kann ich nicht rückgängig machen, es wird immer wieder etwas passieren.
„Mein Mann teilt meine Leidenschaft für die Berge“
Sie machen viele Touren gemeinsam mit Ihrem Mann. Welche Rolle spielt er?
Eine riesengroße. Ich wäre nicht mit meinem Mann zusammen, wenn er nicht meine Leidenschaft für die Berge teilen würde. Das ist für mich das Allerschönste diese Erlebnisse, diese Gefühle, all das, was dort aufkommt, mit ihm teilen zu können. Auch wenn ich bei manchen Touren allein weiter aufgestiegen bin, hat er immer verstanden, warum ich das tue.
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