27.01.2018

Intersport und die Digitalisierung: Die KHP vereint E-Commerce und stationären Handel

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Dass die Digitalisierung keine Bedrohung für den Einzelhandel ist, sondern eine große Chance, haben inzwischen die meisten Händler erkannt. Wie aber kann es gelingen, über E-Commerce auch Kunden für den stationären Handel zu generieren? Bei der Verbundgruppe Intersport hat der neue Chief Digital Officer Carsten Schmitz die kooperative Händler-Plattform (KHP) ausgerollt. Im Interview erklärt der CDO die digitale Transformation bei Intersport und den Weg zum Omni-Channel-Händler.

Cool werden, die Marke digitalisieren und die Mitglieder mitnehmen: Carsten Schmitz (l.). Chief Digital Officer bei Intersport, hat die Kooperative Händler-Plattform (KHP) bei der Verbundgruppe ausgerollt.
Cool werden, die Marke digitalisieren und die Mitglieder mitnehmen: Carsten Schmitz (l.). Chief Digital Officer bei Intersport, hat die Kooperative Händler-Plattform (KHP) bei der Verbundgruppe ausgerollt.

Carsten Schmitz ist seit November 2016 Chief Digital Officer bei Intersport, den Zusammenschluss von über 900 Händlern. Zuvor war er Director Omnichannel bei
Rewe Digital und Geschäftsführer E-Commerce bei Lidl.

In der Welt des digitalen Sportbusiness hat er sich schnell eingelebt – und erfolgreich. Der CDO hat im Herbst 2017  die kooperative Händler-Plattform (KHP) bei Intersport ausgerollt. 150 Händler stehen auf der Warteliste. Im Interview erklärt Carsten Schmitz den Weg zum Omni-Channel-Händler. Und sagt: „E-Commerce funktioniert nicht mit der Baseball-Keule.“

Intersport Chief Digital Officer Carsten Schmitz im Interview

ISPO.com: Herr Schmitz, Sie sind jetzt seit gut einem Jahr Chief Digital Officer bei Intersport. Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Wie fällt sie aus Ihrer Sicht aus?
Carsten Schmitz: Der markanteste Meilenstein war die Umsetzung unserer neuen Händler-Plattform. Der zweite Punkt war sicherlich, das neue Store-Konzept bei Intersport, unsere neue rot-blaue Welt, digital umzusetzen. Und drittens war und ist uns Kommunikation wichtig, also Akzeptanz zu schaffen in der Händlerschaft. Wir haben zum Beispiel eine Roadshow gemacht, um die Unsicherheit bei den Händlern aufzulösen und zu erklären: Das ist der Weg, den wir jetzt gehen. Und das kam sehr sehr gut an. Wir spüren den Rückenwind von den Mitgliedern.

Erklären Sie doch mal das Prinzip – und die Vorteile der neuen, gemeinsamen Plattform aller angeschlossenen Händler.
Der Vorteil ist der ganzheitliche Ansatz. Wir bieten an vielen Stellen Kontaktpunkte. Wir haben einen Onlineshop, den wir nicht mehr als Silo betrachten. Dazu gibt es eine Rent-Plattform, auf der jedes Jahr eine halbe Million deutsche Skifahrer ihre Ausrüstung leihen und die ebenfalls kein Silo ist. Außerdem bringen wir ganz viele Händler mit ihren einzelnen Datentöpfen zusammen. Und wir glauben, dass diese Kombination genau richtig ist.  Das ist der Schritt, den wir mit dem neuen CRM gehen – um im Sinne unserer Händler immer den Kunden miteinzubeziehen.

Bei E-Commerce geht es nicht nur um den Warenkorb

Wie ist die Erwartungshaltung der Händler?
Sehr unterschiedlich. Es gibt aber viele, die einen konkreten, realistischen Bedarf formulieren, wie zum Beispiel: Ich möchte irgendwann zehn Prozent meines Umsatzes über E-Commerce schaffen. Und die eine zweite Frage haben: Wie kommen die Leute in mein stationäres Geschäft? Das eine Thema ist, wie viele Pakete packe ich für das E-Commerce-Business? Das Andere ist, wie viele Kunden inspiriere ich online  durch eine Kampagne. Und die dann sagen: Ich möchte aber im Store einkaufen, weil ich den Schuh für 189 Euro gerne einmal anprobieren möchte, bevor ich ihn kaufe.

Das heißt, es geht nicht nur um schnellen Abverkauf im E-Commerce?
Nein, es ist ein wichtiger Schritt unserer Strategie zu sagen: Du kannst dir als Kunde auf unserer Webseite nicht nur einen Artikel in den Warenkorb legen, sondern den Artikel gibt's jetzt auch 4 Mal in deiner Nähe. Und wenn der Kunde dann da drauf klickt, bekommt er die nächstgelegenen Händler angezeigt, und kann direkt dort hinfahren. Das ist ein wesentlicher Mehrwert der Digitalisierung: dass wir genau dorthin gehen, wo der Kunde die Kaufentscheidung trifft, wo das Interesse des Kunden geweckt wird. Über den Verkaufskanal danach entscheidet der Kunde.

On- und offline neu verbinden: Mit der Digitalisierung über die Kooperative Händler-Plattform versucht Intersport, auch neue Kunden dauerhaft an die Verbundgruppe zu binden.
On- und offline neu verbinden: Mit der Digitalisierung über die Kooperative Händler-Plattform versucht Intersport, auch neue Kunden dauerhaft an die Verbundgruppe zu binden.
Bildcredit:
Intersport

„Online-Preis-Empfehlung“ für die Intersport-Händler

ISPO.com: Sie reden vom Zusammenspiel aus Online und Digital – auf dass die Händler die Online-Welt mit ihren Chancen erkennen und nicht als Bedrohung ansehen.
Das einzige, was dem bislang in der Vergangenheit im Weg stand, ist die Preisgestaltung online. Da haben manche Händler Bauchschmerzen. Denen sagen wir heute: Der Preis im Netz ist schon da. Es wartet niemand darauf, dass ein Intersport-Händler sagt, was ein bestimmter Adidas-Schuh kosten soll. Und wenn es den Preis im Internet bereits gibt, dann kann ich mir überlegen, ob ich da mitspiele oder nicht. Genau dafür bieten wir eine Lösungshilfe an: Wir nennen die Mechanik dahinter „Online-Preis-Empfehlung“: Wir ermitteln jeden Tag Online-Preise für unsere Sortimente und stellen den Händlern diese Preise zur Verfügung. Dann kann der Händler entscheiden, ob er bei diesem Preis mitmacht oder nicht.

Das kommt total gut an. Viele Händler sagen: Ich weiß doch gar nicht, was die 4.000 Artikel, die ich hier im Laden habe, online kosten. Ich bin heilfroh, dass mir jemand den angemessenen Online-Preis vorschlägt. Und trotzdem haben sie immer die Wahlmöglichkeit zu sagen: Nein, dieses Produkt ist so knapp bei mir, das verkaufe ich nur stationär oder zu einem ganz anderen Preis.

Auch die Sportartikel-Industrie will auf die Intersport-Plattform

Sie rollen die kooperative Händler-Plattform ja sukzessive aus: Angefangen haben Sie mit 5 Händlern, am Jahresende 2017 standen Sie bei 64 angeschlossenen Händler – das Ziel für 2018 ist?
Wir haben eine Warteliste von 150 Händler-Anfragen. Das Ziel ist, dass wir am Jahresende bei 200 angeschlossenen Geschäften herauskommen. Wir glauben, dass im Folgejahr nochmal eine ähnliche Größenordnung drin ist, wenn die ersten Erfolgs-Storys da sind. Schon jetzt hat sich darüber hinaus herauskristallisiert, dass auch die Industrie großes Interesse hat, bei uns mitzuspielen. Wir werden im ersten Quartal mit zwei Partnern aus der Industrie in einen Piloten starten und ihnen die Möglichkeit geben, auf unserer Plattform ihre Waren anzubieten. Das sind zunächst die Big Player, aber weitere 30 relevante Marken wollen derzeit ebenfalls auf unserer Plattform ihre Waren anbieten.

Und das gefällt Ihren Händlern?
Wir verfolgen da ein sehr faires Modell. Wenn der Händler den Bestand hat, verkauft zu aller erst der Händler. Wenn es sich beispielsweise um Kampagnen-Ware handelt und diese bei unseren Mitgliedern nicht mehr verfügbar ist, dann verkaufen wir aus dem eigenen E-Commerce-Lager. Erst wenn wir ebenfalls nicht mehr lieferfähig sind, dann liefern Adidas oder Puma. Heißt: Wir stellen immer den Händler in den Vordergrund.

Die Händler sollen die Möglichkeit haben, mit dem Umsatz zu wachsen, genauso wie  mit der Expertise, die sie selbst entwickeln für den E-Commerce.

CDO Carsten Schmitz: „Bei Amazon habe ich keine Kundenbeziehung“

Wie gelingt es Ihnen, auch jene Händler von Ihrer Plattform zu überzeugen, die immer noch glauben, bei Amazon das schnelle Geld machen zu können?
Ich denke, ganz viele Händler haben verstanden, dass sie bei Amazon keine Online-Händler sind – aber das können sie bei uns tatsächlich werden. Bei uns geht es um Kunden und darum, Kundenbeziehungen aufzubauen. Amazon benutzt im Augenblick die Händler als Päckchen-Packer auf dem Weg dazu, das Geschäft selbst zu machen. Das erkennen inzwischen viele Händler. Bei uns gibt's einen wesentlichen Vorteil: Wir verknüpfen die Kundenbeziehungen mit unserem Mitglied. Bei Amazon habe ich keine Kundenbeziehung. Und ich bekomme auch keine E-Commerce-Expertise.

Amazon und die großen Online-Warenhäuser profitieren von ihrer enormen Reichweite. Wie sind Ihre Reichweiten-Ziele?
Wir wissen, wie viele sportaffine Kunden wir jeden Tag auf unserer Plattform haben. Das ist sechsstellig. Wenn wir dazu eine gesunde Konvertierungsrate von 3 bis 4 Prozent erreichen, können wir damit sehr erfolgreich sein. Wir haben ordentliche Warenkörbe, wir haben ordentliche Durchschnittspreise. Wir haben schöne Eigenmarken - und darauf wenig Wettbewerb. Deswegen stört es uns besonders, wenn die auf einmal bei Amazon auftauchen.

Die KHP bei Intersport: Spielregeln für die Plattform-Teilnehmer

Welche digitale Expertise erwarten Sie bei Ihren Händlern?
Gar nicht so viel, denn kaufmännische Kompetenz ist viel entscheidender. Als Händler muss ich mir überlegen, wie viel Marge ich erzielen möchte – und was ich bereit bin zu leisten. Gleichzeitig muss ein gewisser Service-Level eingehalten werden: Das Paket muss in einer bestimmten Zeit raus, eine Retoure muss bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verbucht sein. Wir fordern Kunden-Feedback ein und es gibt gewisse Spielregeln für die Plattform-Teilnehmer: Wir haben beispielsweise Storno-Quoten, die eingehalten werden müssen. Wer auf unsere Plattform will, muss das garantieren können. Und nachweisen.

Was erwarten Sie noch vom Händler im Umgang mit dem Online-Kunden?
Wir würden uns an ganz vielen Stellen wünschen, dass mehr Interaktion mit dem Kunden da ist. Hier kommt jetzt unser CRM ins Spiel: Wir generieren Kundendaten und Kundenwissen. Diesen Kunden müssen wir bei Laune halten – das ist unsere Erwartungshaltung.  Das Mitglied muss bereit sein, mit dem Kunden zu interagieren. Ganz viele sind dafür heute noch nicht richtig aufgestellt. Die haben oft niemanden im Marketing, der einmal die Woche einen Newsletter schreiben kann, am besten sogar personalisiert. Das hinzubekommen, ist jetzt die Anforderung an uns in der Genossenschaft. Wir müssen unseren Mitgliedern zu erkennen helfen, welchen Bedarf ihre Kunden haben. Wollen Sie ein Beispiel?

Digitalisierung ist ein Prozess

„E-Commerce funktioniert nicht mit der Baseball-Keule.“
Carsten Schmitz, Chief Digital Officer Intersport

Gerne.
Wenn ein Kunde letztes Jahr bei uns Kinderschuhe in Größe 32 zum Geburtstag seines Sohnes gekauft hat, dann muss er dieses Jahr um die gleiche Zeit einen personalisierten Newsletter bekommen, in dem ihm ein neuer Schuh für seinen Sohn in Größe 34 angeboten wird. Das Angebot muss personalisierter werden, weg von der totalen Reizüberflutung, hin zu echtem Mehrwert. Wir haben Wettbewerber, die verschicken sechs Newsletter die Woche. Warum sollen wir den siebten schicken? Wir müssen relevanter werden.

Relevanz – für die Marke, den Umsatz, die Positionierung

Welche Anforderungen stellen sich für Sie angesichts der Transformation im Sportbusiness?
Wir sollten das Omni-Channel-Prinzip weiter ausbauen. Wir müssen den Kunden konsequent in den Mittelpunkt stellen. Wir müssen modern sein. Es darf nicht immer nur um Abverkauf gehen, wir sollten auch mal Entertainer sein, die Marke emotionaler aufladen. Und das Dritte ist sicherlich, Service-Profil und Service-Kompetenz auszubauen, etwa die Rücknahme im Retourenfall oder Reservierungsprozesse. Wir müssen verzahnte Services bieten.

 

Was sind Ihre Ziele für 2018 – an denen Sie sich selber messen wollen?
Noch mehr Relevanz für die Marke zu erarbeiten, ist ein wesentliches Ziel. Und das in mehrerlei Hinsicht: Relevanz, was den Umsatz angeht. Relevanz, was die Positionierung am Markt angeht.  Relevanz unserer Eigenmarken –  Relevanz, die fest im Mindset des Kunden verankert ist.

Und wie viel Zeit haben Sie, Ihre ambitionierten Ziele umzusetzen?
E-Commerce funktioniert nicht mit der Baseball-Keule. Wenn wir nur darüber reden, dass wir digitaler werden wollen, wird das noch nicht stattfinden. Uns muss es gelingen, das Mindset des Kunden nachhaltig zu unseren Gunsten zu ändern. Intersport muss als Omni-Channel-Händler wahrgenommen werden. Das ist ein Prozess, das muss jedem klar sein.

Der Weg, den wir gehen, ist einfach ein längerer. Ich sage gerne scherzhaft: Wir müssen drei Jahre in 18 Monaten bewältigen.