Die üblicherweise anonymen Original-Produzenten von Sporttextilien in China gehen nach vorne und schlagen Alarm: Ihnen laufen die Preise davon – vor allem wegen der Lohnkosten. Qualifiziertes Personal bereitet inzwischen Kopfzerbrechen.
Das gleiche gilt für andere Herstellerländer, die inzwischen billiger können als das Reich der Mitte. Qualitäts-produzierende Fabrikanten treten inzwischen die Flucht nach vorne an und wollen sich selbst zur Qualitätsmarke machen.
Ein Beispiel dafür ist KTC. Gerhard Flatz, Geschäftsführer des hochwertigen Anbieters funktioneller Bekleidung, sieht die gesamte Supply Chain in Gefahr, wenn nicht bald das geschieht, was passieren muss: Eine Rückkehr zu preiswürdiger Arbeit.
Verbraucher, Händler und Marken im Umbruch
KTC ist eine österreichische Gründung, ein First Mover als Original-Produzent für die Sportartikel-Branche in China. Das Unternehmen ist groß geworden als Exklusiv-Fabrikant von zunächst Mäser und später Adidas. Das geschah bereits in den achtziger Jahren. Daher dürften sich die Gründungs-Familien um ihre Existenz keine großen Sorgen machen müssen.
Der langjährige Geschäftsführer Gerhard Flatz tut das dennoch. Das Verhalten der Verbraucher, der Händler und der Marken habe sich in den letzten Jahren gewaltig verändert, so der Fabrikant. „Die originären Hersteller haben einfach Angst vor ihren Kunden. Und das sind eben zunächst einmal die Marken.“
Und die schwächeln momentan, was die Vorstellung von Preis und Leistung anbelangt. Nach Flatz’ Angaben gilt das nicht für seine derzeitigen Bestandskunden, die durchaus prominent sind. Dazu gehören Mammut, der Radbekleider Rapha, der Segelausstatter Musto, Helly Hansen, der Edel-Textilit Mountain Force sowie Härkila, Gore Bike & Running und viele mehr.
Der wichtigste Kunde ist Arbeitsbekleider Engelbert Strauss, dessen Teile allerdings nicht in China, sondern in Laos gefertigt werden. Engelbert Strauss steht für etwa die Hälfte des KTC-Umsatzes.
Großes Lob für Black Yak
Daneben lässt auch der koreanische Marktführer Black Yak bei KTC fertigen.Flatz ist begeistert von den Koreanern: „Ich habe noch nie erlebt, dass eine Marke so qualitäts-orientiert und gleichzeitig ‚funky‘ sein kann“, schwärmt der Vorarlberger.
Wichtiger noch: Diese Marke und ihre Macher sind aufnahmebereit für Ideen aus der Fabrik. Das kann Flatz leider nicht für alle seiner Zielkunden bescheinigen.
Das Ende des Preisgefühls
Inzwischen seien die Entscheider aus der Marken-Industrie immer mehr zu Zahlenmenschen geworden. Die Verbundenheit mit dem Produkt sei in abnehmenden Maß anzutreffen.
Das wirke sich auf die Qualität ebenso negativ aus wie auf das Selbstverständnis der Zulieferer, die ihren Kunden, den Marken, nun mit Angstgefühlen gegenüberstünden. Damit ist für Flatz das normale Zusammenspiel aus der Bahn geworfen.
Das gilt auch für die Händler, die teilweise „Ware verkaufen, ohne Geld verdienen zu wollen“. Der Alarmruf geht an alle Glieder der Kette, die nicht mehr verstünden, wie viel Geld für welches Produkt angemessen ist.
Na gut, dann bin ich jetzt selbst Marke
„Dem Verbraucher sind Marken nicht mehr so wichtig, wie das einmal war“, sagt Flatz. „Deutlich wichtiger sind Qualitätsmerkmale wie Gore-Tex oder Primaloft geworden. Wenn die Vorlieferanten vom Endkunden inzwischen als bedeutender wahrgenommen werden als die Marken, dann müssen auch wir uns neu einrichten.“
Das heißt kurz und gut: KTC will nun selbst eine Ingridient Brand werden. Damit ist ein Vorlieferant gemeint, dessen Bekanntheit ebenso hoch ist wie beispielsweise Vibram, Smpatex, YKK oder andere klingende Namen aus der Sportartikel-Branche.
„So weit sind wir wirklich noch nicht, aber wir arbeiten daran“, verspricht Flatz. Das primäre Ziel ist dabei gar nicht, bei jedem Artikel mit dem Logo zu werben.
Schwesterfirma UVU geht voran
Stattdessen geht es darum, den Namen zu streuen und dafür zu sorgen, dass damit beim Händler und beim Endkunden eine Qualitäts-Aussage ankommt.
Als minimales Ziel soll gelten: Fabriken in Fernost sollen nicht mehr als reine Werkstätten, sondern als Quelle der Qualität wahrgenommen werden. Das ist der bescheidene Plan, dessen Umsetzung jedoch einige Mühen kostet.
In einem Schwesterunternehmen übt sich KTC bereits als Brand: UVU steht für das obere Ende an Funktionsbekleidung. Die Firma ist von KTC organisatorisch völlig getrennt, gehört aber denselben Inhaber-Familien.
Gleichzeitig wagt sich das Unternehmen in den für eine Produktionsfirma mutigen Bereich des Sponsorings. KTC unterstützt diverse Ausdauer-Wettkämpfe in arktischen Gefilden, aber auch das Segelprojekt Ant-Arctic-Lab.
Soziale Verantwortung rückt in den Blickpunkt
Wichtiger ist für das Unternehmen aber, dass es als maßgeblich mitwirkendes Organ bei der Vermarktung der Produkte wahrgenommen wird. Selbstverständlich mag nicht jede Marke diesen Weg mitgehen.
Einige tun das aber. Ein Beispiel ist Yang Li, der chinesische Highend-Fashion-Designer, der seine neue Linie mit einer Zwei-Marken-Strategie fährt, bei der KTC als Produzent prominent genannt wird.
Und da ist noch die Sache mit der sozialen Verantwortlichkeit. Die wird bei KTC sehr ernst genommen – und das nicht allein vor lauter Edelmut. „Wer Qualität anbieten will, von dem wird auch gefordert“, erläutert Flatz, dessen Personalabteilung sich im ständigen Wettbewerb mit anderen Betrieben in der prosperierenden Umgebung befindet.
Tatsächlich verfügt das Unternehmen zu 90 % über Wanderarbeiter und zu 10 % über örtliche Mitarbeiter in Heshan, wo circa 2000 Menschen beschäftigt werden (in Laos handelt es sich etwa um dieselbe Größenordnung).
Die Fabriken machen Schluss mit lustig
Im Wesentlichen lässt sich Flatz’ Theorie auf einen kurzen Nenner bringen: Die Marken sparen, wo sie können, wollen aber ihre Qualitäts-Garantie weiter aufrechterhalten. Die Fabriken in China wollen das aber nicht mehr wie gewohnt, da sie Geld verdienen müssen und der Verbraucher nicht endlos dafür zahlen möchte.
Der Weg nach draußen besteht aus KTC-Sicht darin, dass die Fabriken nach vorne gehen müssen und ihre Qualitäts-Aussagen selbst in die Welt tragen müssen. Das wird einiger Anstrengungen bedürfen, die Zeit brauchen. Das wiederum nehmen Chinesen gelassen – die Mauer wurde dort auch nicht an einem Tag erbaut.
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