Matthias Schulte von Tradebyte Software bringt es gleich zu Beginn der Diskussionsrunde zum digitalen Wandel auf den Punkt. Seine kurze Analyse: „Das digitale Zeitalter kommt – und viele wissen noch immer nicht, wie sie dem gerecht werden sollen“.
Schnell wurde auf dem Podium der ISPO Academy vor allem eines klar: Hersteller und Händler sehen dringenden Handlungsbedarf. Die eigene Position wird dabei durchaus kritisch beleuchtet. Mammut CEO Dr. Oliver Pabst zum Beispiel räumte ein, dass er noch nicht abschätzen könne, wohin die Digitalisierung führe. „Wir müssen noch viel lernen“, sagte er im Rahmen eines Panels auf der ISPO Munich. Auf einer Skala von ein bis zehn sehe er sein Unternehmen in Sachen Digitalisierung derzeit bei einer „guten drei“.
Ähnlich deutlich wurde Martin Kempkes von Intersport International. Der Einzelhandel müsse sich vollkommen ändern. Dazu gehöre auch eine intensive Zusammenarbeit mit den Herstellern, aber auch eine enge Verzahnung zwischen Online- und stationärem Offline-Angebot. „In Zukunft erreichen wir den Kunden nur gemeinsam“, so Kempkes weiter.
Als der große Gegenspieler des stationären Einzelhandels gilt in vielen Bereichen Amazon. Hernando Moncaleano von Amazon Spain sieht das naturgemäß anders. Amazon sei ein Technik-Unternehmen, das auch Einzelhandel betreibe, so Moncaleano.
Gleichwohl komme man natürlich aus einer ganz anderen Richtung. „Wir glauben an die Technik, denn sie kann das Leben der Kunden einfacher machen“. Betrachte man die Sportbranche insgesamt, sei Amazon aber nur ein Marktteilnehmer von vielen – ihm gehe es darum, voneinander zu lernen und voneinander zu profitieren.
Das Handel und Hersteller digital Nachholbedarf haben, sieht auch Karsten Hollasch von der Beratungsgesellschaft Deloitte. Vor allem der richtige Umgang mit Big Data müsse weiter vertieft werden Der Einzelhandel habe speziell im Sportbereich noch eine wichtige Position mit vielen stationären Kunden, erklärte Hollasch.
Das Phänomen, das der Branche aber zu denken geben müsse: „Wenn online gekauft wird, dann nicht bei den starken Partnern vor Ort, sondern vor allem bei Amazaon“ – das sei eine Herausforderung für die Händler. Auch der stationäre Handel brauche zusätzlich einen Online-Store, der eng mit dem Angebot im Laden vernetzt ist.
Wie das aussehen kann zeigen etwa erste Versuche bei Intersport. In einer Testphase in zwölf Ländern habe man ein ganz neues Store-Konzept im Realbetrieb getestet. „Dabei ging es uns nicht nur um eine angenehme Umgebung für den Kunden“, erklärt Intersport-Mann Martin Kempkes. Der Laden müsse nicht nur schön, stylish und sauber sein, so Kempkes, „es geht hier um ein komplett neues Geschäftsmodell“.
Kern des Modellversuchs ist der sogenannte erweiterte Verkaufstisch, der Oflline- und Online-Welt miteinander verbindet. „Mit dem erweiterten Verkaufstisch können wir im Store digital rund 5.000 Artikel anbieten – in einzelnen Läden haben wir über diesen Weg bereits in der Testphase rund 20 Prozent des Umsatzes generiert“.
Dass dabei auch die Tugenden aus der Vergangenheit noch immer wichtig sind, betonte Karsten Hollasch von Deloitte. Das Wichtigste für den Handel seien gut geschulte Verkäufer, die sich mit dem Kunden und dem Produkt intensiv auseinandersetzen.
Dann werde auch das Phänomen des Beratungsklaus an Bedeutung verlieren, ist sich der Berater sicher. Schon heute würden laut einer Deloitte-Studie nur rund acht Prozent der Kunden nicht im Einzelhandel kaufen, wenn sie dort vorher Beratung gesucht haben. „Guter Service und gute Beratung verkaufen“, fasst Karsten Hollasch zusammen – im Zweifel eben im hauseigenen Online-Shop.
Eine Beobachtung, die Hernando Moncaleano bestätigt. „Auch unsere Daten zeigen, dass der größte Teil des Einzelhandels noch offline läuft. Wir sehen aber auch, dass viele Kunden bei uns recherchieren und dann im Laden kaufen. Wir als Amazon müssen einfach sicherstellen, dass wir Partner von Kunde und Hersteller gleichermaßen sind.“ Die Herausforderung für alle Beteiligten sei es nun, sich gut zu vernetzen.
Für Martin Kempkes von Intersport führt die Diskussion um den Gegensatz zwischen stationärem Handel und e-Commerce ohnehin in die falsche Richtung. In Zukunft habe der Einzelhandel nur eine Chance: „Wir müssen auf allen Kanälen gut sein. Unser Leben als Einzelhändler wird sicher nicht einfacher, aber dem stellen wir uns“, so Kempkes weiter.
Auch Mammut-CEO Oliver Pabst argumentiert in diese Richtung: Digitale Transformation bedeute für ihn, den Kunden noch mehr als ohnehin schon bei allen Überlegungen in den Mittelpunkt zu stellen. „Wir können nicht mehr darauf warten, bis der Kunde zu uns kommt. Als Hersteller müssen wir möglichst viele Touchpoints schaffen und den Kunden auf den unterschiedlichsten Kanälen gut erreichen“. Das bedeute auch, den stationären Handel stark zu machen, auch im eCommerce. Eine große Herausforderung, schließlich brauche man dafür die richtigen Mitarbeiter, die richtigen Technologien und die richtigen Daten.
Die neue digitale Welt ist für viele Player noch mit großen Unsicherheiten verbunden. Dennoch war der Ausblick des Panels durchaus positiv. Die Digitalisierung könne helfen, um schneller, effizienter und transparenter zu arbeiten. Dieser Bereich, so war man sich am Ende einig, sei keine Bedrohung, sondern vor allem eine große Chance.
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