Klettern/08.08.2019

Kletterhallen brauchen Lifestyle: „Klettern kann das neue Surfen werden“

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Klettern ist in aller Munde, doch gerade im Zusammenspiel zwischen Kletterhallen und Marken ist oft noch Sand im Getriebe. Auf der OutDoor by ISPO 2019 haben Branchenexperten über Verbesserungspotenziale diskutiert.

Indoor-Klettern boomt, ziehen bald auch mehr Kletter-Marken nach?
Indoor-Klettern boomt, ziehen bald auch mehr Kletter-Marken nach?

Klettern ist zum urbanen Sport geworden. Doch gerade im Zusammenspiel von Klettermarken mit den immer beliebter werdenden Kletterhallen haben beide Seiten noch Nachholbedarf.

Denn der Boom des Indoor-Kletterns ist eine Chance für die gesamte Branche, findet Grégoire De Belmont: „Wir können in der Stadt klettern, das ist einzigartig“, erklärt der Verantwortliche von Arkose. Hinter Arkose steht mehr als nur ein Kletterhallenkonzept, wie De Belmont auf der OutDoor by ISPO 2019 erklärt. Das 2013 gegründete Label habe verstanden, um was es der neuen Generation Kletterer geht: Freundliche Hallen, ein sicherer Sport, Geselligkeit beim Bier danach und dazu die passende Bekleidung und Rucksäcke, die dem urbanen Lifestyle entsprechen.

De Belmont – der mit Arkose & Co. innerhalb von sechs Jahren 14 Kletter- und Boulderhallen samt Bistrobetrieb, Bier und Bekleidung etabliert hat – versteht nicht, warum sich andere Hallenbetreiber beziehungsweise Kletter-Brands so schwer tun, den Anschluss an die neue Community zu finden. Für ihn steht fest: „Klettern kann das neue Surfen werden.“ Sprich: Viel mehr als nur Sport, sondern ein Lebensgefühl, eine Philosophie, die nicht zuletzt mit der Bekleidung zum Ausdruck gebracht wird.

Black Diamond sieht Kooperationsbedarf mit Hallen

Rückendeckung bekommt der Franzose von Christian Lehmann von Black Diamond. Für ihn steht fest, dass Kletterhallen viel enger mit Brands kooperieren sollten. Denn: „Wir können in der Kletterhalle unseren Kunden ins Gesicht sehen.“ Wo sonst bieten sich derlei Gelegenheiten so hautnah am Endverbraucher zu sein?

Und dennoch will es nicht so ganz klappen, wie Lehmann am Beispiel der neugebauten Kletterhalle Innsbruck erläutert. „Das Kletterzentrum Innsbruck zählt zu den größten Hallen, und hatte anfangs keinen Shop vorgesehen – warum?“ Eine Antwort auf diese Frage konnte ad hoc keiner geben. Vielleicht weil das Bewusstsein einiger Hallenbauer noch nicht gegeben ist. Und: Weil es schwierig ist, zu ordern, um dann möglicherweise auf der Ware sitzen zu bleiben. Ein Problem, für das Lösungen gefunden werden müssen.

Ged McDomnhail: „Es muss sich etwas ändern“

Eine Möglichkeit seine Ware – Order hin, Order her – leichter an den Kunden zu bekommen, wäre eine liebevolle Shopgestaltung, findet Ged McDomnhail. Der Brite, CEO von The Climbing Hangar, wirft dazu eindrückliche Bilder an die Wand: Zunächst von einem durchgestylten und sehr einladend aufgebauten Adidas Urban Lifestyle-Shop. Anschließend im nächsten Slide von einem Sportgeschäft in einer Kletterhalle: Lieblos. Emotionslos.

„Es muss sich etwas ändern, wenn wir die neue Generation Kletterer für die Klettermarken begeistern wollen. Mit ideenlosen Shops geht es sicherlich nicht.“ Da hilft dann auch kein geändertes Ordersystem.

Aus Sicht von McDomnhail interessieren sich gerade mal zwei bis drei Brands für die Generation Hallenkletterer. Er bringt es so auf den Punkt: „Die neue Kletter-Community weiß nichts über Kletter-Brands – und die Brands wissen nichts über die Community.“

Die Diskussionsrunde auf der OutDoor by ISPO von links nach rechts: Ged McDomnhail, Nathan Hoette, Björn Pohl, Liam Londsdale, Christian Lehmann, Grégoire De Belmont
Die Diskussionsrunde auf der OutDoor by ISPO von links nach rechts: Ged McDomnhail, Nathan Hoette, Björn Pohl, Liam Londsdale, Christian Lehmann, Grégoire De Belmont
Bildcredit:
ISPO.com

Influencer lösen Kletter-Stars als Trendsetter ab

Anders als früher, wo Kletteridole wie Glowacz, Moffat, Hörhager und Co. die emotionalen Treiber waren und Klettermarken quasi nebenbei promoteten, verfolgt die neue Generation ganz andere Ziele und folgt anderen Leitbildern. Das urbane Umfeld steht im Vordergrund und die Leitpersonen sind heute Influencer, meist aus dem Sport-, Yoga- oder Wellnessbereich. Was sie tragen ist interessant. Was Chris Sharma trägt – who cares …

Vielfach ist die Kletterhalle zum coolen Fitnesscenter avanciert. Hingegen ist das Training für den Fels zuweilen ein Relikt der Vergangenheit.

Björn Pohl vom Klättercentret Stockholm bezieht dazu klar Stellung: „Wir müssen keine neuen Outdoor-Kletterer kreieren, sondern die neuen (Hallen-)Kletterer zu den Brands bringen. Wir sind die Storyteller. Wir müssen die neue Kletterszene wahrnehmen, und erforschen welche Bedürfnisse sie haben und was zu ihnen passt.“  Kletterhallen nehmen eine entscheidende Position ein, indem die Halle zum Influencer wird, inklusive Merchandising.

Ged McDomnhail stimmt dieser Meinung zu und plädiert darauf, dass die Kletteroutfits zudem noch schlichter gestaltet werden sollten. So dass man vom Büro direkt in die Boulderhalle gehen kann. Klettern gehört für viele moderne Stadtbewohner zum Lifestyle – wer hier als Marke wahrgenommen werden möchte, muss von der Tradition abrücken und das urbane Umfeld etwas mehr in den Vordergrund schieben, denn so Björn Pohl: „Indoorklettern ist unsere Zukunft!“

Frauenanteil in Kletterhallen geringer als draußen

Über einen Punkt sind sich alle einig: Wir brauchen mehr Frauen im Klettersport. Die Ansprache beim Bouldern wirkt momentan auf Frauen häufig noch zu maskulin und die Kollektionen sind für Kletterinnen oftmals noch sehr begrenzt. Grégoire De Belmont gibt an, dass in Frankreich der Frauenanteil beim Bouldern gerade mal bei 25 bis 30 Prozent liegt. Anders verhält es sich beim Seilklettern, hier sind 45 bis 50 Prozent weiblich.

Adidas habe als Marke verstanden, wie es Frauen ansprechen muss. Das Unternehmen wirbt im Segment Klettern ausschließlich mit Kletterinnen. Auch Christian Lehmann von Black Diamond und Nathan Hoette von Scarpa bestätigen, dass ihre Unternehmen bereits verstärkt auf weibliche Botschafterinnen setzen.

Aber neben den Botschafterinnen gilt es darüber hinaus, das Sortiment zu erweitern – auch im Hinblick auf eine nicht zu unterschätzende Kaufkraft.

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