„Wir brauchen im Laden mehr Customer Engagement und mehr praktische Unterstützung für das Verkaufspersonal. Deshalb brauchen wir die Digitalsierung am POS.“ Was Jan Kegelberg in seinem Vortrag auf dem ISPO Digitize Summit damit meint, ist nicht etwa die Ausstaffierung des POS mit digitalen Gimmicks, sondern im Gegenteil: Bei SportScheck helfen die digitalen Tools im Verkaufsgespräch zwischen Kunden und Verkaufspersonal.
Die Idee ist einleuchtend: Mit einem Tablet in der Hand bekommt das Verkaufspersonal in den Geschäften Echtzeit-Zugriff auf die Warenbestände im Haus, im Lager und in anderen Filialen, auf detaillierte Produktinformationen, auf Kundendaten und viele weitere Services. Der Verkäufer muss nicht mehr im Lager verschwinden, um nach Produkten zu suchen und den Kunden allein lassen. Er muss ihn zu keinem fest installierten Terminal schicken. Er muss ihn nicht unbefriedigt ziehen lassen, weil die gewünschte Größe nicht im Haus ist.
Er kann seine Aufmerksamkeit ganz dem Kunden und seinen Wünschen widmen.
Mehr-Umsätze im Wert von zehn Millionen Euro hat diese Maßnahme den SportScheck Filialen im letzten Jahr gebracht. „Der Kunde kauft mehr, weil er sich erstens gut beraten fühlt und weil wir zweitens Produkte, die nicht im Haus vorrätig sind, dennoch an ihn verkaufen können“, so Kegelbergs Fazit.
Sogar mehr Kundendaten konnte der Händler durch die Tablets generieren: das Anlegen von neuen Loyalty Cards sei mit den Tablets und im persönlichen Gespräch viel schneller erledigt. Seit den Change Management Maßnahmen wurden etwa 130.000 Kundenkarten neu erstellt und 90.000 Kundendatensätze aktualisiert.
Doch so einleuchtend es klingt, so schwierig war die Umsetzung. Bei SportScheck ist die Einführung von iPads auf der Fläche nur der sichtbare Teil einer umfassenden Digitalisierungs-Strategie der gesamten Infrastruktur, an der das Unternehmen schon seit mehreren Jahren arbeitet. Und wie so oft funktioniert nicht auf Anhieb alles.
Die ersten Investitionen in die digitale Ausstattung der stationären Geschäfte mit Kiosk Terminals und Webshop-Tablets für Kunden und Verkaufspersonal erfolgten bereits 2011. Doch statt Begeisterung erntete SportScheck damals vor allem Desinteresse.
Kegelberg: „Es war schnell klar, dass sich die Webshop-Lösung weder für das Verkaufspersonal noch für die Kunden eignete. Dem Verkäufer fehlten wichtige Funktionen und es war umständlich. Dem Kunden signalisierte es: 'Schön, dass du gekommen bist – aber jetzt sieh zu wie du zurechtkommst. Und: Eigentlich hättest du auch zu Hause auf dem Sofa bleiben und bestellen können.' Das war psychologisch natürlich die völlig falsche Botschaft!“
SportScheck investierte deshalb in die Entwicklung einer eigenen In-Store App, die von CaperWhite umgesetzt wurde. Seit 2015 wird sie in den Stores eingesetzt.
Allein eine gute App zu programmieren reicht aber nicht aus. Man muss auch Wege finden, ihre Vorteile dem Verkaufspersonal schmackhaft zu machen. Kegelberg: „Wir haben die Tablets auf die Flächen gebracht und gewartet was passiert: Es ist nichts passiert.“
Auch klassische Schulungen haben nicht den erwarteten Erfolg gebracht. Um eine Änderung der Arbeitsweise zu erreichen und neue Fähigkeiten aufzubauen, musste gezielt in Change Management Prozesse investiert und Anreize für das Personal geschaffen werden.
Umsätze über die In-Store App müssen z.B. auch auf das Konto des Verkäufers gehen, nicht auf den Webshop. „Sonst hat der Verkäufer wenig Interesse daran, über die App zu verkaufen“, so Kegelberg. Auch spielerische Ideen hätten sich bewährt, wie z.B. ein Umsatz-Battle zwischen den Filialen.
Etwa 150 Mal am Tag scannen die Verkäufer heute die Barcodes von Produkten ein, um Inhalte abzufragen. Etwa 300 Bestellungen werden pro Tag über die In-Store App generiert, „mit nur halb so hohen Retourenquoten wie im Onlineshop“, sagt der Digitalchef.
In den Händen des Verkaufspersonals sei die In-Store App ein starkes Tool geworden. Deshalb sei man nun auch bereit, die nächsten Schritte zu gehen. So werden immer mehr Services in die App aufgenommen: vom Skiverleih in der Urlaubsregion über die Buchung von Yoga-Kursen bei angeschlossenen Studios bis hin zur Bezahlfunktion. Die will SportScheck noch in diesem Jahr einführen und baut hierfür bereits Servicestationen in die Läden, wo Einkaufstüten und Kassenzettel abgeholt werden können.
Die Einführung der In-Store App sei langwierig und auch „schmerzhaft“ gewesen, sagt Jan Kegelberg, strategisch aber notwendig. „Auch wenn wir noch kein vollständiges Bild davon entwickelt haben, was wir alles mit der App noch tun können, und welche Services wir noch integrieren können, haben wir damit die Voraussetzung für die Zukunft geschaffen.“ Langfristig ermöglicht dieser Service, mehr Produkte und neuartige Sortiment mit zu verkaufen, ohne dass dafür die reale Ladenfläche wachsen muss.
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