Die Sportindustrie braucht eine Neuausrichtung der Prozesskette mit wesentlich mehr Tempo und einem stärkeren Fokus als bisher auf die tatsächlichen Trends und Bedürfnisse im Markt. Immer nur weiter an der Kostenschraube zu drehen wird langfristig nicht weiter helfen. Diese Erkenntnis setzt sich allmählich unter vielen Sportunternehmen und Händlern durch.
Während heute die Produktion in Fernost oftmals schwer zu kontrollieren und zu steuern ist, wird die Digitalisierung auch für das Sourcing zum Game Changer werden. Warum wir eine Neuausrichtung brauchen und wie sie realisiert werden kann, darüber sprachen Mammut und das Berliner Start-up Foursource, eine digitale B2B-Beschaffungsplattform, die Hersteller mit Einkäufern weltweit verbindet, auf dem Ispo Digitize Summit.
Der Markt verlangt immer schnellere Anpassungszeiten und der Kunde ist so informiert wie nie zuvor. „Die Kundenwünsche vorauszusagen wird immer mehr zum Ratespiel“, erklärt Oliver Pabst, CEO von Mammut. Heute, wo Trends dank Internet und Social Media innerhalb von Tagen entstehen und weltweite Bedeutung erlangen können, wirkt die Produktentwicklung der Sportindustrie, die allein schon 80 bis 150 Tage verschlingt, hoffnungslos überholt. Bis das Produkt endlich produziert und ausgeliefert ist, vergehen leicht zwölf Monate. Die Folge: Wenn der Konsument das Produkt kaufen soll, ist es eigentlich schon ein alter Hut.
Dass viele Kollektionen immer ähnlicher aussehen, ist da kein Wunder. Alle gehen auf Nummer sicher, weil keiner weiß, was in einem Jahr angesagt ist. Zudem kann nicht schnell genug nachproduziert werden, sollten sich überraschende Bestseller herauskristallisieren. Dass diese monatelange Prozesskette nicht gut funktioniert, wissen alle: Die Marktsättigung nimmt zu, die Margen sinken. Sie funktioniert sowieso nur deshalb, weil es bisher keine alternativen Sourcing-Modelle gab. Gleichzeitig wollen die Konsumenten mehr individualisierte Produkte. Die Forderung liegt daher auf der Hand: Wir brauchen neue Lösungen, um endlich schneller und flexibler auf neue Tendenzen im Markt reagieren zu können.
„Wenn Sie wie viele große Brands heute gerade mal 50 Prozent ihrer Supply Chain kennen“, erklärt Jonas Wand, CSO von Foursource, „dann können Sie nicht schnell reagieren auf Trends. Sie haben keine Kontrolle über Ihre Prozesskette.“ Um das zu ändern haben Jonas Wand und Godecke Wessel Foursource als „eine Art Parship für die Textilindustrie“ 2016 gegründet. Beide kommen aus dem Bekleidungsbusiness, Wessel war lange bei Falke, Wand bei Bogner. Mit der digitalen B2B-Beschaffungsplattform verbinden sie Hersteller mit Einkäufern weltweit.
Sie wollen damit mehr Transparenz in den globalen, hochfragmentierten Beschaffungsmärkten schaffen und bessere Standards etablieren. „Über die Plattform können sich Zulieferer und Brands connecten, Brands können Aufträge ausschreiben und Produzenten freie Kapazitäten anbieten“, so Wand weiter. Ein Algorithmus bringt passende Partner zusammen, Foursource sorgt mit der Validierung der jeweiligen Partnerprofile für die Korrektheit der Angaben. So könne die gesamte Prozesskette einfacher und effizienter werden, ist Wand überzeugt. 1.500 Produzenten und mehr als 350 Marken aus der gesamten Textilindustrie sind bereits auf der Plattform aktiv.
Es geht nicht nur darum, mehr Transparenz zu ermöglichen. „Wir müssen den Einkauf komplett umstellen“, erklärt der Mammut-CEO weiter. Statt den Einkauf wie bisher am Planungsprozess auszurichten, will er ihn bedarfsorientiert aufstellen. Während heute oft noch teure Trendprognosen die Basis für den langwierigen Produktentwicklungsprozess darstellen, soll in Zukunft erst dann mit der Entwicklung begonnen werden, wenn der Bedarf tatsächlich erkennbar wird.
Seine Vision: „Vom Trend zum Retail in 30 bis 40 Tagen.“ Für die Sportindustrie ist das enorm, für die Modeindustrie aber keine große Sache mehr. Inditex als Fast-Fashion Vorreiter schafft Produktentwicklung und Produktion schon innerhalb einer Woche.
Auf lange Sicht wird die Digitalisierung der Supply Chain auch bedeuten, dass der Wettbewerb unter den Produktionsbetrieben wachsen und mehr Fluktuation innerhalb der Sourcing-Partner herrschen wird. Überlebensfähig werden zudem nur die Betriebe sein, die sich der Digitalisierung anschließen oder anschließen können.
Mehr Transparenz und Wettbewerb können auch im Bereich der Nachhaltigkeit Fortschritte auf Produktionsseite beschleunigen. Bisher waren schnelle Wechsel kaum möglich, weil jeder neue Produktionspartner einen großen Aufwand für das Unternehmen bedeutete . Pabst: „Bisher waren wir im Sourcing relativ limitiert auf unsere bestehenden Partner, in Zukunft wird uns die ganze Welt offen stehen.“
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