Die Zahlen sind alarmierend: 2017 beschlagnahmte der deutsche Zoll Waren im Wert von über 196 Millionen Euro aufgrund von Produkt- und Markenpiraterie. Etwa 148 Millionen Euro davon entfielen allein auf die Kategorie Bekleidung inklusive Schuhe und Accessoires wie Taschen, Uhren und Brillen.
Im Vergleich zu 2015, als Waren im Gesamtwert von 132 Millionen aus dem Verkehr gezogen wurden, entspricht das einer Steigerung um mehr als 30 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Herkunftsland Nummer 1 der Fake-Ware: China, gefolgt von Hongkong. Aus diesen Ländern stammten 75 Prozent aller Waren. Auch die Türkei ist führend im Bereich gefälschter Bekleidung.
Die Dunkelziffer der Fakes wird weitaus höher eingeschätzt. Was an den Grenzen vom Zoll tatsächlich herausgefiltert und vernichtet wird, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Vor allem das Internet hat den Betrügern Tür und Tor geöffnet“, erklärt Stefan Hoffmeister, Head of Online Brand Protection bei Ebrand Services in München. Er wird von Firmen beauftragt, um im Netz nach Fälschungen oder Plagiaten zu suchen – auf Onlinemarktplätzen, in den Sozialen Medien und in App-Stores.
Ebrand Services betreut europaweit Markenunternehmen aus verschiedenen Branchen, darunter auch mehrere Sportmarken. Der Grund für den Anstieg ist schnell erklärt. Hoffmeister: „Das Internet macht den Einstieg sehr leicht. Über Marktplätze wie Amazon, Alibaba und Ebay kann ein Fälscher innerhalb weniger Tage einen internationalen Vertrieb aufbauen und direkt an die Kunden verkaufen.“ Fälschen sei inzwischen lukrativer als der Drogenhandel und vor allem weniger riskant.
Der Schaden, den die Produkt- und Markenpiraterie verursacht, ist enorm. Eine Studie des EU-Amtes für geistiges Eigentum (EUIPO), die 2018 veröffentlicht wurde, beziffert die Einnahmeverluste EU-weit auf 60 Milliarden Euro. Deutschen Herstellern von Bekleidung, Schuhen und Accessoires entgingen so jährlich 4,2 Milliarden Euro, schreibt das Handelsblatt. 66.500 Arbeitsplätze gingen dadurch verloren.
Die Einnahmen der Fälscher wiederum finanzieren Terrorismus und andere Straftaten. Darüber hinaus ähneln gefälschte Produkte zwar dem Original, meist zeigen sich jedoch in der Funktion gravierende Unterschiede. So können z.B. gefälschte Sportgeräte und Sportlernahrung schnell gesundheitsgefährdend sein. Zudem ist es ärgerlich für den Kunden und imageschädigend für die Marke, wenn ein teures Produkt einfach nicht hält, was sich der Kunde davon versprochen hat.
Es gibt unterschiedliche Arten der Piraterie: Die klassische Fälschung, die versucht, eine Kopie des Originalprodukts zu sein, das nahezu identische Plagiat und das Produkt, das sich einfach nur des Markennamens bedient, ohne ein konkretes Produkt zu imitieren.
Hoffmeister sammelt die Beweise und übergibt sie den Anwälten. Bei Erfolg werden die Produkte vernichtet, Konten gesperrt und Shops geschlossen. Seit langem stehen Amazon und Alibaba in der Kritik, sie würden zu wenig gegen die Fälscher tun. Inzwischen helfen KI-Programme und Big Data den Handelsriesen dabei, die Flut der Plagiate einzudämmen.
Alibaba veröffentlichte 2017 eine Blacklist von 100 Unternehmen, die Fälschungen online vertreiben. In Verbindung mit einer durch Big Data unterstützten Initiative zur Bekämpfung von Produktpiraterie führte dies zur Schließung von 240.000 Online-Shops auf dem Marktplatz Taobao, meldete Alibaba ein Jahr später. Auch Amazon hat gerade das Project Zero angekündigt, dass Produktfälschungen auf Null reduzieren soll. Damit will Amazon durch Bildverarbeitung und Mustererkennung automatisch Fälschungen erkennen und dagegen vorgehen.
Das deutsche Start-up authorized.by widmet sich dem Thema illegaler Handel von einer anderen Seite: Statt den „Bösen“ das Handwerk zu legen kennzeichnet es die „Guten“ und sorgt für mehr Transparenz und Vertrauen im Onlinehandel. „Wir spielen die reale Geschäftsbeziehung zwischen Marke und Handel über ein Autorisierungs-Siegel in Echtzeit aus“, erklärt Felix Nottensteiner, Gründer und CEO von authorized.by.
Das heißt: Mittels eines Siegels signalisiert authorized.by dem Kunden, dass der Onlinehändler von der Marke autorisiert ist, dieses Produkt zu verkaufen. Das Siegel wird bei jedem Seiten-Aufruf in Echtzeit initialisiert und ist somit fälschungssicher. Brands wie z.B. Ortlieb, Tatonka, Deuter oder Patagonia nutzen das Tool bereits und stärken so das Vertrauen in den Onlinehandel. „Ziel ist es“, so Nottensteiner, „das Siegel kanalübergreifend, also auch auf Marktplätzen einzusetzen.“
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