„Digitalisierung bedeutet immer Disruption für bisherige Geschäftsmodelle“, sagt Professor Heinz Eisenbeiss, Head of Marketing Factory Automation (Automatisierungstechnik) bei Siemens: „Denken Sie an Bücher und E-Books, oder an CDs und die Digitalisierung der Musik – oder an Taxis und Car-Sharing-Plattformen.“
Eisenbeiss arbeitet in der Division Digital Factory bei Siemens. Für Siemens wie auch für andere Unternehmen werden dort komplette Produktkreisläufe digitalisiert, vom Produktdesign über die Produktentwicklung bis zur Produktproduktion. Er sagt, auch viele Bereiche der Sportartikelindustrie werden diesen Schritt in den nächsten fünf bis zehn Jahren gehen. Ein bekanntes Beispiel hierfür könnte die Speedfactory von Adidas sein.
Vier Eigenschaften der Digitalisierung verschaffen Unternehmen mit digitalisiertem Geschäftsmodell entscheidende Wettbewerbsvorteile:
- Geschwindigkeit: Produkte können schneller designt, gefertigt und geliefert werden.
- Flexibilität: Der Markt fordert immer schneller neue Lösungen, gibt neue Trends vor, das heißt, Produkte müssen sich schneller weiterentwickeln können.
- Qualität: Durch die Konkurrenzsituation ist eine hohe Qualität unabdingbar. Bei Fehlern ist die digitale Rückverfolgbarkeit nötig, um die Ursachen eines Fehlers zu entdecken und zu verbessern.
- Effizienz: Es wird nötig sein, auch bei kleineren Stückzahlen, die Preise der Massenfertigung anzubieten; individualisierte Produkte verlangen ein Höchstmaß an Effizienz, um rentabel zu bleiben.
Größte Gefahrenquelle auf dem Weg in die Digitalisierung ist das Thema Datensicherheit. „In der Industrie habe ich hier zwei Treiber“, sagt Eisenbeiss, „eine Cyber-Attacke kann erstens zum Fertigungsstillstand führen.“ Zweitens sei das Thema geistiges Eigentum wesentlich brisanter als in nicht digitalen Zeiten. Daten können direkt aus Designlabors entwendet und kopiert werden. Also zu einem wesentlich früheren Planungszeitpunkt, als dies früher der Fall war.
Die größte Herausforderung für eine gelungene Digitalisierung aus Sicht von Eisenbeiss: die digitale Zusammenarbeit aller Prozesse innerhalb der Value Chain. Dies könne nur als Top-down-Prozess geschehen. Die Führungsebene sei gefordert, beispielsweise mit dem Einsatz eines Chief Digital Officers, die Implementierung zu koordinieren und zu leiten.
Bei Siemens gelingt das Ineinandergreifen und die Simulation aller Prozesse durch die Schaffung eines „digitale Twin“.
Ein „digitale Twin“ ist ein digitales Abbild des gesamten Produktprozesses, dabei greifen alle Phasen ineinander und alle Prozessbeteiligten haben Zugriff auf alle prozessrelevanten Daten. Der „digitale Twin“ lässt sich in drei Bereiche gliedern:
- Design am Computer: Das Produkt, also beispielsweise ein Turnschuh, wird digital gezeichnet, entwickelt, perfektioniert. Außeneinflüsse, Abnutzungserscheinungen etc. werden simuliert.
Das Ergebnis: der „digitale Twin“ des Produktes. - Produktplanung, -entwicklung am Computer: Der gesamte Produktionsprozess wird simuliert. Welche Ressourcen werden benötigt? Welche Arbeitsbedingungen herrschen vor? Wie lange dauern bestimmte Fertigungsprozesse? Was passiert, wenn Material fehlt? Wo können Fehler auftreten? Beispielsweise könnte für die Fertigung von Turnschuhen eine herstellerspezifische Datenbank der vorhandenen und genutzten Textilmaterialien angelegt werden.
Das Ergebnis: der „digitale Twin“ der Produktion. - Produktproduktion: Alle Daten zur Produktion, Qualitätskotrolle etc. werden getrackt.
Das Ergebnis: der „digitale Twin“ der tatsächlichen Fertigung.
Eine weitere wichtige Frage, die durch den Einsatz des „digitale Twins“ beantwortet werden kann: Können in der Produktionsanlage mehrere Produktlinien umgesetzt werden?
„Als Beispiel kann sich die Sportindustrie hier die Autoindustrie nehmen“, sagt Eisenbeiss, „früher sind bei den Herstellern nach ein paar Jahren ganze Fertigungshallen leergeräumt worden und mit neuen Maschinen bestückt worden, wenn es eine neue Modellreihe gab.“ Dies könnten sich die meisten Hersteller heute nicht mehr leisten. Fertigungsmaschinen müssten auch an andere Fertigungsvoraussetzungen, also zum Beispiel neue Modelle, anpassbar sein.
In der Sportartikelindustrie geht es da noch viel mehr um Individualisierung, vermutet Eisenbeiss. Seine Einschätzung: Sportunternehmen werden in ein paar Jahren Produkte produzieren müssen, die folgende Eigenschaften besitzen:
- schnell produziert und geliefert
- flexibel anpassbar
- auf sehr kleine, spezifische Zielgruppen oder auf Einzelpersonen abgestimmt
Das Fazit von Heinz Eisenbeiss auf dem World Manufacturers Forum der WFSGI: „Digitalisierung bedeutet somit auch, dass für Sport-Unternehmen zwangsläufig die Interessen und Vorlieben der Kunden im Mittelpunkt stehen.“
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