Klettern/21.12.2020

Alexander Megos: Der mit der Schwerkraft spielt

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Wer Alexander Megos beim Klettern zusieht, könnte schon auf die Idee kommen, dass die Erdanziehungskraft "fake news" ist. Nun bereitet sich der Profi-Kletterer aus Erlangen als einer der Weltbesten am Fels auf den eher ungeliebten Kombi-Wettkampf bei Olympia vor.

Am Fels ist Alex Megos Weltklasse - 2021 startet er auch bei den Olympischen Spielen
Am Fels ist Alex Megos Weltklasse - 2021 startet er auch bei den Olympischen Spielen

Im Frühjahr 2020 hatte Alexander Megos noch eine klare Vorstellung von seinem Wettkampfjahr: volle Konzentration auf Olympia im August – und danach kein einziger Wettkampf mehr. Nur noch Felsklettern, sonst gar nichts, herrlich. Nun, es kam anders – und gar nicht mal so schlecht für den bekennenden Frischluftfan Megos.

Nach der Absage der Olympischen Sommerspiele von Tokio konnte der 27-Jährige das Plastik Plastik sein lassen und in seinem geliebten Frankenjura endlich wieder am echten Fels klettern. Und weil das gerade so viel Spaß machte, stellte er sich in Céüse, einem Klettergebiet in den französischen Alpen, der bislang größten Herausforderung seiner längst schon großartigen Karriere.

„Bibliographie" heißt die Route, die er vor drei Jahren erstmals versucht hatte – und nun meisterte, als die erst zweite Tour im Schwierigkeitsgrad zwölf bzw. 9c. Das war am 5. August 2020 – ohne Corona wäre er da auf der anderen Seite der Erde geklettert, in Tokio, als sogenannte deutsche Medaillenhoffnung.

2020 am Fels statt in Tokio

„Corona hat ihm gut reingespielt“, sagt Urs Stöcker, der Schweizer Bundestrainer der deutschen Kletterer, „als klar war, dass Olympia verschoben wird, hat er seinen Fokus umgeschwenkt und sich wieder vollkommen aufs Felsklettern fokussiert. „Bibliographie" war sein großer Traum. Aber jetzt ist er zurück in der Halle. Als Profis dürfen wir ja – da hat uns der Fußball ein bisschen den Weg geebnet, dass man als Profi seinem Beruf nachgehen kann.“

Kletterprofi ist Alex Megos schon eine ganze Weile. Wobei ihm das auch eher „passiert“ ist, wie er mal im Interview mit ISPO.com erzählt hat: „Mir war diese Profikletterei total suspekt, ich wollte das gar nicht machen. Ich bin da wirklich schrittweise reingerutscht, und irgendwann dachte ich: 'Moment mal, jetzt bin ich schon Profikletterer und hab's nicht mal gemerkt!'“

2013 war er in Spanien eine Route geonsightet, Schwierigkeitsgrad 9A, was zuvor noch kein Mensch onsight geklettert war. Megos sagt: „Dadurch bin ich letztendlich über Nacht von relativ unbekannt zu weltbekannt in der Kletterszene geworden.“

Plötzliche Berühmtheit nach 9A-Route in Spanien

Bis vor drei Jahren war der junge Mann aus Erlangen sehr zufrieden mit seinem Leben als einer der weltbesten Felskletterer. Mit sechs hatte ihn Papa Jorgos in der Fränkischen Schweiz zu ersten Klettersteigtouren mitgenommen, und es dauerte nicht lange, da kamen die ersten Wettkämpfe daher.

Mit 13 trainierte er am Landesstützpunkt Franken des Kletterfachverbands Bayern und später am Bundesstützpunkt. Gecoacht wurde er schon damals von Patrick Matros und Ludwig Korb, die ihn auch heute noch betreuen. Zwei Mal wird er Jugend-Europameister und -Vize-Weltmeister. Doch dann zog es ihn raus an die frische Luft, in den Fels.

Nach der 9A in Spanien standen die Sponsoren Schlange: „Ehe ich mich versehen habe, habe ich so viel von den Sponsoren bekommen, dass ich davon leben konnte“, erinnert sich Megos, „es gibt ja nicht viele Leute auf der Welt, die vom Klettern leben können. Ich nehme das nicht einfach so hin. Mir ist schon bewusst, dass das was Besonderes ist. Ich werde nicht ewig Profi-Kletterer sein, weil es physisch gar nicht geht, und ich das auch gar nicht ewig machen möchte.“ 

Keine halben Sachen bei Alex Megos

Denn was er machen möchte, das weiß der Franke schon sehr genau. Was er nicht so gern macht: Interviews geben. „Ich geh‘ lieber klettern“, heißt es dann. Fair enough. Fragen wir halt den Bundestrainer.

„Alex ist im Training sehr spaßorientiert, genießt die Gruppe. Das Gemeinsame, das Soziale ist ihm extrem wichtig“, sagt Urs Stöcker, „aber trotzdem ist er ehrgeizig und zielorientiert. Wenn er sich für etwas entschieden hat, dann will er das auch gut machen und gibt sich nicht mit halben Sachen zufrieden.“ Und schon sind wir beim Thema Olympia.

Vor drei Jahren trat der Deutsche Alpenverein (DAV), in dessen Sektion in Erlangen Megos Mitglied ist, mit der Idee vom Olympiastart an ihn heran, bot ihm an, ihn über Weltcups an diese neue und doch sehr andere Form des Kletterns heranzuführen. Megos zögerte.

Das völlig zurecht seit Jahren umstrittene olympische Wettkampfformat, ein Kombi-Dreikampf aus Speed, Lead und Bouldern, behagt auch ihm nicht, wie eigentlich allen Felskletterern, die vor allem mit der Disziplin Speed spür- und sichtbar fremdeln. 

Umstellung auf Olympia-Klettern

Stöcker nahm im April 2017 seine Arbeit auf. Über Megos‘ Entscheidung pro Olympia sagt er: „Alex hat sich mit dem Format abgefunden, findet es immer noch nicht toll, kann sich nicht mit dem Speedklettern identifizieren, sieht es aber als coole Herausforderung, als cooles Projekt, bei Olympia zu starten. Die physischen Fähigkeiten bringt er alle mit. Jetzt gilt es, auf die Spezifik des Plastikkletterns hin zu trainieren, bei den Griffformen und den speziellen Bewegungen Erfahrung gewinnen. Sein Können vom Fels an die Wand kriegen: Das ist die Crux. Wie kriegt er die Kraft effizient auf die Plastikgriffe, so dass die Bewegung und die Taktik nachher stimmen? Viel Arbeit im technisch-taktischen Bereich.“ 

Alexander Megos: Am Fels daheim, aber auch bei Olympia mit Ambitionen
Alexander Megos: Am Fels daheim, aber auch bei Olympia mit Ambitionen
Bildcredit:
Ken Etzel

Alex Megos: „Olympia ist eine Chance für unseren Sport“

Megos tastete sich heran, wurde 2017 Vize-Europameister im Bouldern, gewann 2018 seinen ersten Lead-Weltcup und später WM-Bronze und im Vorjahr WM-Silber im Lead – Letzteres bedeutete die Qualifikation für Olympia. Heute sagt er: „Olympia ist eine Chance für unseren Sport. Auch wenn es nicht mein Format ist, probiere ich es.“

Das strittige Format, das „danach hoffentlich verschwinden wird“, habe die Wettkampfszene „in den letzten Jahren massiv verändert“. Seine Hoffnung: „Vielleicht gibt es bald zwei oder drei Medaillen im Klettern.“

Anders als am Fels habe man in der Halle im Wettkampf halt nur einen Versuch, da müsse man mit dem Scheitern mental umgehen können, sagt Megos: „Je öfter man scheitert, desto besser wird‘s.“ In seinen Youtube-Videos hört man, wie er mit missglückten Versuchen umgeht: Er schreit wie am Spieß. Und wenn er die Route geschafft hat, schreit er ebenfalls wie am Spieß – irgendwo muss die ganze Anspannung ja hin.

Stöcker sicher: Megos nach Olympia wieder am Fels

Bis Sommer 2021 wird die Anspannung wohl anhalten – falls die verschobenen Spiele von Tokio denn tatsächlich ausgetragen werden können.

Wie auch immer, was für Alex Megos nach Olympia kommen wird, steht für den Bundestrainer eigentlich schon fest: „Es kommt drauf an, wie sehr ihn dieses Olympia-Fieber infiziert, aber ich gehe schwer davon aus, dass Alex danach wieder an den Fels geht. Er wird immer diese Balance suchen zwischen Fels und Wettkampf.“

Und natürlich sein Limit, denn im Prinzip will Alexander Megos nur eins: „Wissen, wie schwer ich klettern kann.“ 

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