Ob Jack Wolfskin, Vaude oder Patagonia – ein Großteil der Outdoor-Marken hat sich dem Nachhaltigkeits-Trend verschrieben. Die Herausforderung dabei: Kaum ein Produkt wird heute von A bis Z in einer einzigen Fabrik hergestellt. Jedes einzelne Outdoor-Kleidungsstück besteht vielmehr aus Dutzenden weltweit zugelieferten Einzelteilen, die am Ende zusammengenäht werden.
Job als Einkäufer im Wandel
Und wer ist am Ende dafür verantwortlich, dass alle 66 Lieferanten „sauber“ arbeiten? Der Einkäufer, der diesen Partnerfirmen die Aufträge erteilt!
Hier erklären unsere Praxis-Experten Andy Gugenheimer (Chef von sportyjob.com sowie Kooperationspartner des ISPO JOB MARKET) und Gunther Schnatmann (Personalberater mit Spezialisierung Sport, Marketing und Nachhaltigkeit), dass auf Bewerber für Einkäufer-Positionen bei den großen Outdoor-Firmen in der Regel vier ganz unterschiedliche Jobs in Sachen Nachhaltigkeit warten. Und sie zeigen, welche Qualifikationen dabei helfen, in dieses zukunftsträchtige Arbeitsgebiet einzusteigen.
1. Job: Experte im Label-Dschungel
Am Nachhaltigkeits-Trend wollen weltweit viele mitverdienen: Zum Beispiel mit der kostenpflichtigen Vergabe von Gütesiegeln oder mit Labor-Untersuchungen und den daraus folgenden Test-Reports. Das geschieht in der Regel vor Ort in den Ländern, in denen die einzelnen Zuliefer-Teile produziert werden, also meist zwischen Indien, China und Vietnam.
Klar haben die Einkäufer der Outdoor-Hersteller Listen vertrauenswürdiger Institutionen und Anforderungs-Aufstellungen für deren Expertisen. Doch täglich kommen neue Zuliefer-Produkte hinzu, immer wieder auch neue Zulieferer und entsprechend werden von diesen Firmen Zertifikate geliefert, die nicht immer von bereits bekannten Labors oder Organisationen stammen.
„Hier den Durchblick zu behalten und die lokalen Gegebenheiten zum Beispiel in Vietnam zu kennen, um gleich zu wissen, ob die Quelle vertrauenswürdig ist oder nicht, ist die Kunst“, sagt Andy Gugenheimer. Viele Hersteller sind zudem Mitglied in Organisationen, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben.
So sind viele Outdoor-Firmen, aber auch Nike, Adidas, Puma oder Händler Decathlon, Mitglied in der Better Cotton Initiative und bezieht einen Großteil ihrer Rohstoffe aus biologischer Baumwolle. Dann muss der Einkäufer bei seinem Job umgekehrt darauf achten, dass der Zulieferer die Standards der eigenen Verpflichtungen aus Initiativen-Mitgliedschaften erfüllt.
Einkäufer in der Outdoor-Branche müssen also akkurat Checklisten abarbeiten, aber auch immer auf dem neuesten Stand sein, wo welche Anforderungen gerade neu entstehen oder geändert werden – also „den Durchblick“ behalten.
2. Job: Prüfer für Arbeitsbedingungen
Viele Outdoor-Marken engagieren sich als Mitglied der Fair Wear Foundation (FWF) aktiv zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben – gerade in Fernost. Was aber, wenn die Situation vor Ort sehr unübersichtlich ist oder der ausgewählte Zulieferer zum Beispiel in Myanmar sitzt, einem Land, das die FWF als „Risikoland“ eingestuft hat?
Bei Vaude zum Beispiel ist die Leiterin Zentraler Einkauf/Produktion mit Mitarbeitern zum Hersteller gefahren, hat mögliche Abweichungen intensiv geprüft und gemeinsam mit dem Partner-Unternehmen Maßnahmen zur Abhilfe ausgearbeitet. Das fehlende Know-how vor Ort wurde durch Qualifizierungsmaßnahmen, also Schulungen, auf den neuesten Stand gebracht.
Das geht bei Feuerschutz-Schulungen los und endet bei Vergütungs-Modellen. Personalberater Schnatmann: „Mängel bei den Arbeitsbedingungen zu erkennen ist das Eine, sie zu verbessern das Andere. Einkäufer müssen also so im Unternehmen vernetzt sein, dass ein eigentlich optimal passender und mit gutem Willen versehener Zulieferer mit nicht immer passenden Arbeitsbedingungen nicht einfach durchs Raster fällt, sondern durch Experten aus dem Unternehmen des Einkäufers qualifiziert und auf ein höheres Niveau gehoben wird.“
Nachhaltiges Einkaufsmanagement heißt also: Nicht nur die „Braven“ auswählen, sondern auch die „Schlechteren“ besser machen. Ob bei Arbeitsbedingungen oder Produktion.
So hat ein großer Outdoor-Anbieter in einer aktuellen Einkäufer-Stellenbeschreibung die folgende Aufgabe aufgeführt: „Weiterbildung der Lieferanten vor allem bezüglich des Chemikalieneinsatzes“.
3. Job: Über Kennzahlen hinaus denken
Auch im Outdoor-Business, in dem ein ganz besonderer Spirit unter den Mitarbeitern herrscht, werden die Einkäufer im Zuge des Nachhaltigkeits-Trends nicht plötzlich zu kuscheligen Weltverbesserern (auch wenn ihre nachhaltige Arbeit die Welt ein wenig verbessern kann...).
Einkauf heißt: Umgang mit Kennzahlen. Und diese werden nun um die Nachhaltigkeitskomponente ergänzt. Nachhaltigkeitskennzahlen – wie der Anteil der Materialien von zertifizierten Öko-Lieferanten gemessen am eigenen Endprodukt – werden künftig deutlich an Bedeutung gewinnen.
Diese Kennzahlen können dann gemeinsam mit den Abteilungen Produktion und Logistik um Parameter zur Bewertung der nachhaltigen Lieferkette inklusive CO2-Fußabdruck erweitert werden. So entsteht ein Kennzahlensystem, das entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Vorlieferanten (Löhne der Arbeitnehmer, Sicherheitsstandards in den Fabriken, vorliegende Audits) bis zur eigenen Produktion den Grad der Nachhaltigkeit bewertet.
„Der ideale Einkäufer eines modernen nachhaltigen Outdoor-Unternehmens muss also kaufmännisch über die klassischen Kennziffern hinausdenken und die neuen Parameter in Sachen Ökologie und Soziales in Zahlen packen können, die sowohl bei der Lieferanten-Auswahl als auch bei der eigenen Nachhaltigkeits-Bilanz verlässliche Anhaltspunkte liefern“, weiß Outdoor-Jobexperte Andy Gugenheimer.
4. Job: Mentor für Dritte-Welt-Lieferanten
Ein Einkäufer besitzt gegenüber seinen Lieferanten eine gewisse Machtposition. Macht er sie von seinen Aufträgen „abhängig“ – investieren die Lieferanten also kräftig, um Auftragsvolumen und nachhaltige Anforderungen zu erfüllen – so kann er bei Folgeaufträgen theoretisch stark an der Preisschraube drehen, denn der Lieferant will sein Investment natürlich refinanzieren.
Nachhaltigkeit bedeutet also auch langfristige Zusammenarbeit unter fairen Bedingungen – damit wird der Einkäufer zum Mentor für den Zulieferer, insbesondere wenn dieser in Schwellenländern oder der Dritten Welt beheimatet ist. Der Einkäufer muss also schauen, dass der Partner trotz Kostendruck langfristig alle Auflagen erfüllen und dabei profitabel wirtschaften kann.
Ein besonders pfiffiges System dafür hat sich Sportartikelhersteller Puma einfallen lassen: Die Herzogenauracher arbeiten seit einem Jahr mit der International Finanz-Corporation (IFC), einer Tochter der Weltbankgruppe, zusammen, um für Zulieferer in Schwellenländern den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten zu erleichtern.
Dabei stellt die IFC günstiges Betriebskapital bereit, um Finanzierungskosten für diejenigen Zulieferer zu senken, die in Pumas Bewertungen für Umwelt- und Sozialstandards gut abschneiden. Nachhaltiges Verhalten der Zulieferer wird also finanziell belohnt.
Kleinere Outdoor-Hersteller können zwar nicht immer gleich mit Weltbank-Töchtern zusammenarbeiten, jedoch sind auch andere finanzielle Anreize wie etwa Ausbildungs-Initiativen für Zulieferer in Schwellenländern denkbar, um deren Überleben in Zeiten hoher Nachhaltigkeits-Anforderungen zu sichern.
Schnatmann: „Der Einkäufer als Mentor ist da sowohl mit seiner Fachkenntnis für Finanzkonzepte als auch mit einer möglichst guten Vernetzung im Unternehmen für kreative Lösungen zugunsten nachhaltiger Zulieferer gefragt!“
Fazit: Outdoor-Branche als Chance für Einkäufer
Die Outdoor-Branche ist ein vielbeachteter Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit und deshalb können insbesondere Einkäufer hier Erfahrungen sammeln und Erfolge verbuchen, die in anderen Wirtschaftszweigen so nicht möglich sind. Allerdings wird der Nachhaltigkeits-Trend immer weitere Industrien erfassen.
Deshalb ist eine Einkaufs-Position bei einer Outdoor-Marke eine Top-Referenz, um später bei großen Sport-Unternehmen von Adidas bis Nike oder auch in der übrigen Textil- und Markenartikel-Branche Karriere zu machen.
Oder um bei den Outdoor-Spezialisten in das Nachhaltigkeits-Management (Coprporate Social Responsibility) aufzusteigen, wo die großen strategischen Entscheidungen getroffen werden und wo eine Basis im Einkauf – in Zeiten der sensiblen Zulieferer-Auswahl – eine Top-Voraussetzung ist. Denn wo hat man schon vier Jobs in einem?
Video: Surf-Unternehmer Robby Naish
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