Stefan Kracht ist Managing Director bei Fiducia einer Unternehmensberatung für den chinesischen Markt. Kracht leitet ein Team von 120 Spezialisten, die mit ihrer Expertise Unternehmen helfen, eine maßgeschneiderte Unternehmensstrategie für den chinesischen Markt zu entwickeln. Er sagt, gerade die vielen Millenials in China und die relativ geringen Restriktionen für ausländische B2C-Produkte in China spielen westlichen Sport-Brands in die Hände. In diesem ersten Teil eines zweiteiligen Interviews verrät Kracht, warum die Expansion nach China so lohnenswert ist und welche Schritte zu beachten sind.
Warum sollten Sport-Unternehmen nach China expandieren?
Stefan Kracht: Viele Aspekte des chinesischen B2C-Marktes machen ihn zu einem wichtigen Wachstumsmarkt für westliche Unternehmen – angefangen bei seiner Größe. Allein die chinesischen Millenials repräsentieren eine Gruppe von 400 Millionen Menschen, die ein völlig anderes Bild ihres Alltags haben als ihre Eltern im entsprechenden Alter. Sie arbeiten meist in Büros, verdienen ein mittleres Einkommen und stellen immer höhere Anforderungen an Produktsicherheit und -qualität. In Verbindung mit der Tatsache, dass B2C-Produkte derzeit relativ wenig Restriktionen unterliegen, spielt dies absolut in die Hände etablierter westlicher B2C-Marken.
Warum ist es gerade für Sportmarken so interessant, in den chinesischen Markt zu investieren?
Wir sehen einen klaren Trend in Richtung eines gesunden Lebensstils, der erklärt, warum der Sportbekleidungsmarkt doppelt so schnell wächst wie der gesamte Bekleidungsmarkt. Auf Regierungsebene wird dies durch eine günstige Politik, Infrastrukturinvestitionen und Sportereignisse wie die Olympischen Winterspiele 2022 vorangetrieben.
Auf Verbraucherseite steigert die neue Mittelschicht die Nachfrage nach Produkten und Erlebnissen, die mit einem ausgewogenen, aktiven Lebensstil verbunden sind. Die Zahlen sprechen für sich: 2016 gab es in China 330 Marathons. Zum Vergleich: Nur 22 waren es im Jahr 2011. Die größte Fitness-App des Landes hat über 100 Millionen Nutzer.
Wie macht sich das in den Städten bemerkbar?
In jeder großen chinesischen Stadt kann man Fitnessstudios, Fahrradgeschäfte, Wandergeschäfte und andere Fachgeschäfte entstehen sehen. Sie versuchen, der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Die meisten großen (westlichen) Sportartikelhersteller versuchen bereits, sich ihren Anteil am chinesischen Markt zu sichern.
Die Brands spüren das verlangsamte Wachstums in den westlichen Märkten und sehen auf der anderen Seite das Potenzial für zweistelliges Wachstum in China. Auch für Unternehmen, die den Schritt nach China noch nicht gemacht haben, ist jetzt die beste Zeit, um in den Markt einzusteigen. Denn viele lokale Sportartikelanbieter sind nicht in der Lage, die Bedürfnisse der Verbraucher und die Anforderungen des Regierungsplans vollständig zu erfüllen.
Was sind die ersten Schritte für Unternehmer, die über den Einstieg in den chinesischen Markt nachdenken?
In der Regel beraten wir unsere Kunden bereits in einem frühen Stadium, um sie für die hohen Anforderungen und Risiken zu sensibilisieren. Die erste Anforderung wäre, dass man nur mit einem sehr soliden mittel- bis langfristigen Engagement nach China expandieren kann. Das kann man nicht als Nebenprojekt machen. Der Markt ist hart umkämpft und unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von Europa oder Nordamerika.
Es ist wichtig, dass die Brands ihre Position und Ihre Stärken kennen und sich ihrer Nachteile gegenüber den lokalen Akteuren im Hinblick auf Marktzugang und Marktverständnis bewusst sind. Wenn man mit lokalen Best Practices in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Distribution nicht vertraut ist, ist es wichtig, diese Punkte frühzeitig mit einer erfahrenen Beratung anzugehen. Das spart Zeit und Ressourcen auf dem Weg zum Markteintritt.
Können Sie uns ein Beispiel für einen erfolgreichen Einstieg in den chinesischen Markt nennen?
Kürzlich haben wir ein mittelständisches Unternehmen bei einem zweistufigen Markteintritt unterstützt, eine Strategie, die wir häufig empfehlen. Die erste Phase ermöglicht es, das Geschäftspotenzial in China mit begrenzten Investitionen und Risiken zu überprüfen und in der zweiten Phase soll das Geschäft in China vergrößert werden, um ein langfristiges Wachstum in China zu erzielen.
Können Sie die beiden Phasen genauer beschreiben?
Phase 1: Unser Kunde startete mit einem grenzüberschreitenden E-Commerce, der den chinesischen Markt über eine Niederlassung in Hongkong bedient. Der Grund für den Gang nach Hongkong: Dort ist die die Firmengründung relativ unkompliziert, schnell und ohne große Anforderungen. Warum nicht direkt von Europa aus? In Hongkong finden Sie die richtigen Partner. Zum Beispiel haben T-Mall Global, China Post und Tencent alle Niederlassungen in Hongkong. Darüber hinaus bietet Hongkong viele logistische Vorteile, wie z.B. zollfreie Lagerzonen.
Phase 2: In einem zweiten Schritt wurde in China ein sogenanntes „wholly Foreign Owned Enterprise" (WFOE) gegründet. Der Grund dafür ist, dass der grenzüberschreitende E-Commerce seine Grenzen hat. Sie benötigen ein WFOE, um in China zu verkaufen, Mitarbeiter einzustellen und Kunden Rechnungen zu stellen. Somit ist es die einzige langfristige Lösung für größere Umsätze. Eine Niederlassung in China verschafft auch einen Wettbewerbsvorteil in Bezug auf schnellere Lieferungen, Retouren und Kundenservice. Zusätzlich gibt es Steuervorteile für WFOEs, da die Regierung versucht, diese zu fördern.
Dies ist ein Fallbeispiel, aber es gibt natürlich eine Reihe von Optionen für die Unternehmensgründung, die je nach Unternehmensart, Produktangebot und Ressourcen variieren können.
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