Climbing goes Olympia! Oder eher andersrum? Klettern ist beileibe nicht die erste und einzige Sportart, die durch die Aufnahme in den olympischen Spiele-Kanon von gewaltigen Diskussionen geschüttelt wird. Frag nach bei den Snowboardern ...
Auch auf der OutDoor by ISPO, der größten Outdoor-Messe Europas, kommt man an diesem Thema natürlich nicht vorbei, zumal Klettern gerade so angesagt ist, wie wohl noch nie zuvor.
Haupt-Streitpunkt: Bei den Olympischen Spielen in Tokio werden die drei recht unvereinbaren Disziplinen Lead, Bouldern und Speed zu einem Kombinationswettkampf zusammengeführt – für klassische Kletterer ein mittelprächtiger Alptraum, vor allem wegen der gerade in Japan höchst populären Disziplin Speed.
Kommt da zusammen, was nicht zusammen gehört? Und das alles nur wegen Olympia und dem damit verbundenen Kommerz?
Viel Diskussionsstoff also für den prominent besetzten Panel Talk im Indoor Climbing Hub in Halle A6: Ex-Extremkletterer Stefan Glowacz, der 1985 den ersten professionellen Kletterwettkampf überhaupt gewonnen hatte, die dreifache Vize-Weltmeisterin Fanny Gibert aus Frankreich, der Tscheche Adam Ondra, einer der weltbesten Fels- und Indoor-Kletterer, Jérôme Meyer vom Sportkletterweltverband IFSC sowie Rachel Spry und Bram Schellekens vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC).
Eine illustere Runde, die dann auch gleich schön kontrovers ins Thema einstieg. Veteran Glowacz, der 1992 schon den olympischen Demonstrationswettbewerb in Albertville gewonnen hatte, klagte, dass sich das Wettkampfklettern seit seiner aktiven Zeit in den 80ern und 90ern „nicht weiterentwickelt“ hätte: „Es gibt keine neuen Formate.“
Sein Vorschlag: Deep Water Solo Climbing. Zwei Kletterer in einer Wand, über Wasser – spektakulär und einfach zu verstehen: Wer zuerst nass wird, hat schon mal nicht gewonnen. Das olympische Wettkampfformat von Tokio findet er „einfach lächerlich, ja geradezu dumm“. Für ihn hat die Disziplin Speed „mit Klettern nichts zu tun“, das sei eine reine Showveranstaltung, wetterte der 54-Jährige.
Die ganze Debatte im Video:
Worte, bei denen seinem Sitznachbarn ein wenig die Gesichtszüge entglitten. Jérôme Meyer versuchte sich in Diplomatie, sagte, er verstehe die Frustration über das Wettkampfformat, wandte aber ein, dass es normal sei, dass jeder Sportverband mehr wolle: mehr Medaillen, mehr Wettkämpfe, mehr Aufmerksamkeit – was nun mal nicht abbildbar sei.
Unterstützung bekam er erwartungsgemäß von den beiden IOC-Vertretern. Rachel Spry meinte, Olympia werde helfen, das Klettern zu professionalisieren, und Kollege Bram Schellekens fügte an, Olympia sei nicht dazu da, das Klettern zu verändern, sondern bloß eine punktuelle Veranstaltung alle vier Jahre.
Zudem habe man im IOC auf die Wünsche des jeweiligen Veranstalters einzugehen, und da Speed-Klettern in Japan sehr populär sei und man nicht alle drei Kletter-Disziplinen mit je einem Einzelwettkampf aufnehmen konnte, habe man sich eben auf besagtes Wettkampfformat geeinigt.
Vier Jahre später, 2024 in Paris, könne das schon wieder anders aussehen: Da soll es nämlich Medaillen in den Disziplinen Speed und Kombination geben, wobei die Kombination dabei aus den näher beisammen liegenden Spielarten Lead und Bouldern läge.
Super-Star Adam Ondra ging gar noch einen Schritt weiter: Er hofft, dass es bei den Spielen 2028 dann Medaillen in allen drei Disziplinen geben wird. „Das hat unser Sport verdient“, sagte der Tscheche. Er glaube nicht, dass Olympia das Klettern verändern werde, sieht wie Kollegin Fanny Gibert aber durchaus die Gefahr, dass der Sport zu schnell wachsen könnte. Dies müsse vor allem durch eine verstärkte Aufklärung der Kletter-Novizen vor allem am Fels aufgefangen werden.
Auch Ondra findet das olympische Wettkampfformat viel zu kompliziert und auch zu lang für den Zuschauer: „Das dauert ja bis zu dreieinhalb Stunden. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich auf eine Disziplin zu konzentrieren, zum Beispiel Lead. Das wäre viel einfacher zu verstehen.“
Generell empfiehlt er, „nicht allzu viel zu verändern für ein Massenpublikum. Wir sollten bei unseren Wurzeln bleiben“. Stefan Glowacz signalisierte prompt Zustimmung: „Klettern braucht Olympia nicht, muss sich bei Olympia aber als traditionellen Sport präsentieren. Das ist eine große Verantwortung.“
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